Weiterhin keine Klarheit zu den Mindestsätzen der HOAI – BGH legt Fragen dem EuGH vor, BGH mündliche Verhandlung vom 14. Mai 2020 – VII ZR 174/19

Lange wurde die mündliche Verhandlung des BGH erwartet; jetzt endet sie weiterhin mit Unklarheit.

Der EuGH am 4. Juli 2019 – C-377/17 – hatte entschieden, dass die verbindliche Geltung der Mindestsätze gemäß § 7 Abs. 1 HOAI wegen des Verstoßes gegen die Dienstleistungsrichtlinie der EU hinfällig ist.

In der obergerichtlichen Rechtsprechung hatte sich hierzu ein Streit über die Auswirkungen dieses Urteils entwickelt. Die eine Position wurde vom OLG Celle vom 17. Juli 2019 – 14 U 188/18 – beschrieben, welches eine sogenannte Aufstockungsklage eines Architekten abgewiesen hatte. In der Begründung wurde hierzu ausgeführt, dass infolge der Entscheidung des EuGH die entsprechenden Vorschriften der HOAI wegen des Verstoßes gegen das Europarecht nicht mehr angewendet werden dürften.

Die gegenteilige Gegenposition dazu bezog u. a. das OLG Hamm mit seiner Entscheidung vom 23. Juli 20219 – 21 U 14/18. Nach Auffassung der Richter in Hamm entwickelt die Entscheidung des EuGH keine unmittelbare Rechtswirkung. Vielmehr wäre es Sache des deutschen Gesetzgebers, zunächst die entsprechenden Regelungen der HOAI europarechtskonform anzupassen.

Über diesen Streit soll der BGH anhand der beiden zugelassenen Revisionen zu den oben genannten OLG-Entscheidungen ein Urteil fällen.

In der mündlichen Verhandlung am 14. Mai 2020 wurde hierzu keine Klärung herbeigeführt. Der BGH ließ durchblicken, dass er eher zur Auffassung der OLG Hamm tendiert, dass bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber weiterhin die bestehenden Vorschriften der HOAI anzuwenden sind. Er konnte sich aber nicht festlegen und hat in seinem am 14. Mai 2020 verkündeten Beschluss die Aussetzung des vorliegenden Verfahrens festgelegt. Zur Klärung hat er dem Europäischen Gerichtshof mehrere Fragen zu den Folgen dessen Entscheidung vom 4. Juli 2019 – C-377/17 – vorgelegt.

Zu klären sind die Auswirkungen der angenommenen Unionsrechtswidrigkeit der Mindestsätze der HOAI für laufende Gerichtsverfahren zwischen Privatpersonen.

Die erste Frage bezieht sich darauf, ob aus dem Unionsrecht folgt, dass Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchstabe g) und Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie in Gerichtsverfahren zwischen Privaten unmittelbar wirkt und deshalb die Regelungen in § 7 HOAI nicht mehr anzuwenden sind.

Für den Fall, dass diese Frage verneint wird, soll der EuGH entscheiden, ob in der Regelung verbindlicher Mindestsätze in der HOAI ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gemäß Artikel 49 AEUV oder gegen sonstige allgemeine Grundsätze des Unionsrecht besteht.

Sofern diese Frage bejaht wird, soll der EuGH entscheiden, ob aus einem solchen Verstoß im laufenden Gerichtsverfahren zwischen Privatpersonen die nationalen Regelungen über die Mindestsätze gemäß § 7 HOAI nicht mehr anzuwenden sind.

Die Details finden Sie im veröffentlichten Beschluss des BGH vom 14. Mai 2020.

Es verbleibt mithin bei der bestehenden Unklarheit bis zu einer dann hoffentlich klärenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs.

Zum Verhältnis von Urheberrecht und Pressefreiheit

Der BGH entscheidet gegen Nutzung des Urheberrechts als Mittel gegen unliebsame Veröffentlichungen

In zwei mit Spannung erwarteten Urteilen zum Verhältnis von Urheberrecht und Pressefreiheit hat der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs am Donnerstag, den 30. April im Sinne der Pressefreiheit entschieden: In beiden Fällen verneinte er eine Verletzung des Urheberrechts, da die jeweiligen Veröffentlichungen durch die das Urheberrecht begrenzende Schutzschranke der Berichterstattung über Tagesereignisse gemäß § 50 UrhG gerechtfertigt seien.

Die zu den Fällen „Afghanistan-Papiere“ und „Reformistischer Aufbruch“ ergangenen Entscheidungen überzeugen im Grundsatz: Indem der BGH einerseits den hohen Stellenwert der Meinungs- und Pressefreiheit betont und andererseits differenziert herausarbeitet, welche Interessen das Urheberrecht schützt oder eben nicht schützt, weist er einen Weg, mit dem auch künftig Konfliktfälle im Verhältnis von Urheberrecht und Pressefreiheit zufriedenstellend gelöst werden können. Der vielfach geäußerten Kritik am Missbrauch des Urheberrechts als „Zensururheberrecht“ (siehe z.B. Eva Inés Obergfell und Ronny Hauck in der FAZ vom 12.12.2019) trägt er dabei durchaus Rechnung.

Worum ging es?

Gestritten wurde beide Male um das Verhältnis von Urheberrecht und Pressefreiheit. Die Verfahren betrafen die Frage, unter welchen Bedingungen die Nutzung fremden urheberrechtlich geschützten Werkschaffens zu Zwecken der Information und Meinungsäußerung zulässig ist – mit anderen Worten: Ob das Urheberrecht erfolgreich gegen vom Urheber oder Rechteinhaber nicht gewünschte Presseveröffentlichungen in Stellung gebracht werden können sollte.

Der Fall „Afghanistan-Papiere“

Die Bezeichnung „Afghanistan-Papiere“ bezieht sich auf im Auftrag des Verteidigungsministeriums nur für den Dienstgebrauch erstellte wöchentliche Lageberichte über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr, die an die Presse durchgestochen und 2012 auf einem Onlineportal der WAZ-Gruppe unter dem genannten Titel veröffentlicht worden waren. Hiergegen setzte sich die Bundesrepublik Deutschland zur Wehr und begehrte – unter Berufung auf ihr Urheberrecht an den Berichten – die Untersagung der Veröffentlichung.

Der Fall „Reformistischer Aufbruch“

Hier ging es um einen 1988 als Buchbeitrag in einem Sammelband erschienenen Text des Grünen-Politikers und langjährigen Bundestagsabgeordneten Volker Beck. In diesem wandte sich Beck gegen die radikale Forderung einer vollständigen Abschaffung des Sexualstrafrechts, trat aber für eine teilweise Entkriminalisierung gewaltfreier sexueller Handlungen Erwachsener mit Kindern ein. In den Folgejahren distanzierte sich Beck von den Aussagen des Buchbeitrags machte aber auch geltend, sein Manuskript sei durch den Herausgeber des Sammelbandes im Sinn verfälscht worden. Nachdem das das Originalmanuskript im Jahr 2013, kurz vor der Bundestagswahl, bei der Volker Beck als Abgeordneter kandidierte, gefunden wurde, übermittelte er es mehreren Zeitungsredaktionen als Beleg dafür, dass es für den Buchbeitrag seinerzeit ohne seine Zustimmung verändert worden sei. Einer Veröffentlichung der Texte stimmte er nicht zu; doch stellte er die Texte mit einem eindeutigen Distanzierungsvermerk auf seine Internetseite. Spiegel Online veröffentlichte daraufhin einen Artikel, in dem die Ansicht vertreten wurde, Beck habe die Öffentlichkeit hinsichtlich der behaupteten Sinnverfälschung jahrelang getäuscht. Zum Beleg dieser Auffassung waren in dem Artikel sowohl der Buchbeitrag als auch der Originaltext über Links abrufbar, allerdings nicht von der Internetseite Volker Becks und damit ohne den an den Dokumenten ausdrücklich angebrachten Distanzierungsvermerk. Hiergegen wandte sich Volker Beck und begehrte Unterlassung – unter Berufung auf sein Urheberrecht an den Texten.

Prozessverläufe

In beiden Fällen waren die Kläger in erster und zweiter Instanz erfolgreich: die Veröffentlichungen wurden wegen Urheberrechtsverletzung untersagt. Auf die Revisionen der jeweiligen Beklagten setzte der BGH beide Verfahren im Sommer 2017 aus und legte dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) verschiedene, teilweise in beiden Fällen gleichlautende Fragen zur Auslegung der einschlägigen EU-Richtlinie zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft zur Vorabentscheidung vor (I ZR 228/15 – Reformistischer Aufbruch I, dazu Pressemitteilung Nr. 124/2017 vom 27. Juli 2017 und I ZR 139/15 – Afghanistan Papiere I , dazu Pressemitteilung Nr. 87/17 vom 1. Juni 2017 ). Der EuGH antwortete mit Urteil vom 29. Juli 2019 (C-469/17 – Funke Medien NRW GmbH/Bundesrepublik Deutschland) und C-516/17- Spiegel Online GmbH gegen Volker Beck). Unter Berücksichtigung dieser EUGH-Rechtsprechung entschied der BGH nun über die Revisionsverfahren.

Hinweis des EuGH: Pressefreiheit hat großes Gewicht

Der EuGH hatte in seinen Urteilen durchaus zu erkennen gegeben, dass der Pressefreiheit gegenüber dem Urheberrecht unter Umständen ein größeres Gewicht beizumessen sei, als in den Vorlageentscheidungen des BGH angeklungen war. Dieser Tendenz ist der BGH nun gefolgt, indem er in beiden Fällen eine Verletzung des Urheberrechts verneinte, da die jeweiligen Veröffentlichungen durch die das Urheberrecht begrenzende Schutzschranke der Berichterstattung über Tagesereignisse gemäß § 50 UrhG gerechtfertigt seien. Im Interesse der öffentlichen Meinungsbildungs- und Kommunikationsprozesse lässt diese Norm die Nutzung fremder Werke im Rahmen aktueller Berichterstattung zu, soweit der Informationszweck dies rechtfertigt.

Das Urheberrecht dient nicht dem Geheimnisschutz

Im Fall Afghanistan-Papiere hatte der BGH die Anwendung der Berichterstattungsschranke (§ 50 UrhG) in seinem Vorlagebeschluss noch mit dem Argument verneint, das bloße Einstellen auf der Online-Plattform stelle keine Berichterstattung im Sinne dieser Vorschrift dar, da in ihr keine journalistische Auseinandersetzung mit dem Inhalt der militärischen Lageberichte der stattgefunden habe. Dieses Verständnis des Begriffs „Berichterstattung“ erkannte der BGH nun als zu eng und vielleicht auch wenig zeitgemäß. Er stellte fest, die Berichte seien nicht lediglich auf der Website veröffentlicht, sondern auch mit einem Einleitungstext, weiterführenden Links und einer Einladung zur interaktiven Partizipation versehen und in systematisierter Form präsentiert worden. Damit läge eine Berichterstattung im Sinne von § 50 UrhG vor.

Die zweite Hürde bestand im Merkmal der „Aktualität“. Die Berichterstattung muss ein „Tagesereignis“ zum Gegenstand haben, damit die Schranke des § 50 UrhG greift. Auch das bejahte der BGH nun, indem er den Kontext der Veröffentlichung hervorhob und das Erfordernis recht weit, eher im Sinne von „Zeitgeschehen“ interpretierte: Die Veröffentlichung betreffe die Frage, ob die öffentliche Darstellung des auch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Texte noch stattfindenden und damit aktuellen Einsatzes der deutschen Soldaten in Afghanistan als Friedensmission zutreffe oder ob in diesem Einsatz eine Beteiligung an einem Krieg zu sehen sei.

Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung der sich gegenüberstehenden grundrechtlich geschützten Interessen stellte der BGH schließlich mit bemerkenswerter Deutlichkeit fest: Das Urheber(persönlichkeits)recht schützte nicht das Interesse an der Geheimhaltung von Umständen, deren Offenlegung Nachteile für die staatlichen Interessen der Klägerin haben könnte. Diese Interessen seien vielmehr durch andere Normen geschützt. Demgegenüber komme mit Blick auf die politische Auseinandersetzung über die Beteiligung deutscher Soldaten an einem Auslandseinsatz und das damit berührte besonders erhebliche allgemeine Interesse an der öffentlichen und parlamentarischen Kontrolle von staatlichen Entscheidungen dem durch die Meinungs- und Pressefreiheit geschützten Interesse an einer Veröffentlichung der in Rede stehenden militärischen Lageberichte ein größeres Gewicht zu.

Kritische Auseinandersetzung mit politischen Äußerungen als wichtige Aufgabe der Presse

Auch im Fall „Reformistischer Aufbruch“ sah der BGH die Voraussetzungen einer Rechtfertigung der Veröffentlichung als „Berichterstattung über Tagesereignisse“ gem. § 50 UrhG nun als gegeben an und stellte fest, die durch die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit geschützten Interessen an der Veröffentlichung des Textes von Volker Beck überwögen im Streitfall dessen urheberrechtlich geschütztes Interesse, darüber zu entscheiden, ob und in welcher Form sein Text veröffentlicht werde. Spiegel Online habe mit der Veröffentlichung in der konkreten Form die wichtige Aufgabe wahrgenommen, sich mit den öffentlichen Behauptungen des Klägers kritisch auseinanderzusetzen und es der Öffentlichkeit durch die Bereitstellung des Manuskripts und des Buchbeitrags zu ermöglichen, sich ein eigenes Bild von der angeblichen inhaltlichen Verfälschung des Aufsatzes und damit von der vermeintlichen Unaufrichtigkeit des Klägers zu machen. Dem Interesse Becks, den Text nicht ohne einen distanzierenden, seine geänderte geistig-persönliche Beziehung zu seinem Werk verdeutlichenden Hinweis zu veröffentlichen, sei in dem Artikel dadurch hinreichend Genüge geleistet worden, dass die geänderte Meinung Volker Becks durchaus nicht verschwiegen, sondern ebenfalls zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht worden sei.

Mit Nachhilfe durch den EuGH: BGH zum Verhältnis von Urheberrecht und Pressefreiheit

Für das Verhältnis von Urheberrecht und Pressefreiheit lässt sich Fazit aus beiden Fällen somit feststellen: Mit ein wenig Nachhilfe durch den EuGH hat der BGH hier zu einer der Bedeutung der Meinungs- und Pressefreheit angemessen weiten Auslegung der urheberrechtlichen Schrankenbestimmung des § 50 UrhG gefunden. Künftig dürfte das Urheberrecht in Konfliktfällen mit der Pressefreiheit daher ein deutlich öfter zurücktreten müssen als bisher.

Verordnung zur Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit der kommunalen Organe in außergewöhnlicher Notlage im Land Brandenburg in Kraft

Nachdem der Landtag Brandenburg am 15. April 2020 das Brandenburgische kommunale Notlagengesetz beschlossen hat, ist am 18. April 2020 die Verordnung zur Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit der kommunalen Organe in außergewöhnlicher Notlage in Kraft getreten. Die Verordnung schafft die Voraussetzung, dass Sitzungen der Gemeindevertretung bzw. des Hauptausschusses unter – deutlich – veränderter (reduzierter) Öffentlichkeitsbeteiligung stattfinden. Wo trotz dieser Erleichterungen Sitzungen der Gemeindevertretung nicht durchgeführt werden können, besteht für bestimmte Aufgabenbereiche, die eigentlich ausschließlich im Verantwortungsbereich der Gemeindevertretung liegen, die Möglichkeit, dass die Gemeindevertretung diese durch Beschluss auf den Hauptausschuss überträgt.

1.

Unmittelbar aus der Verordnung ergeben sich Erleichterungen für die Durchführung der Sitzungen von Gemeindevertretung und Hauptausschuss (vgl. §§ 4-6 BbgKomNotV). Gemeindevertretung und Hauptausschuss haben die Möglichkeit, in Präsenz-, Video- oder Audiositzungen zu tagen. Audiositzungen sind jedoch nur zulässig, wenn die Durchführung von Videositzungen technisch nicht umsetzbar ist. Bei den unterschiedlichen Sitzungsformen bestehen gestufte, reduzierte Teilnahmemöglichkeiten Dritter, um dem Grundsatz der Öffentlichkeit Rechnung zu tragen (vgl. § 9 BbgKomNotV). Die Begrenzung der Öffentlichkeit ist durchaus gravierend, zumal die allgemeine Öffentlichkeit schon bei den Präsenzsitzungen keinen Zugang mehr zum Sitzungsort selbst erhält. Hier soll es genügen, dass eine Tonübertragung in öffentlich zugängliche Räumlichkeiten erfolgt, § 9 Abs. 1 Satz 2 BbhKomNotV.

Die Verordnung ermöglicht auch eine Beschlussfassung im schriftlichen Umlaufverfahren, § 8 BbgKomNotV. Diese Verfahrensweise ist allerdings nur „im Zusammenhang mit der bestehenden Notlage“ zulässig. Sollten die Kommunen vom schriftlichen Umlaufverfahren Gebrauch machen, wird sicherlich gerichtlich darüber gestritten werden, wie weit der „Zusammenhang mit der bestehenden Notlage“ reicht.

Die Verordnung bestimmt darüber hinaus, dass festgelegte kommunale Wahlen oder nach gesetzlichen Vorschriften festzusetzende oder festgesetzte Bürgerentscheide bis zum 30. Juni 2020 nicht durchgeführt werden, § 10 BbgKomNotV. Satzungsrechtlichen Anpassungsbedarf will der Verordnungsgeber vermeiden und erklärt daher kurzerhand ortsrechtliche Regelungen, die den §§ 4 bis 12 BbgKomNotV entgegenstehen bis zum Außerkrafttreten der Verordnung für unabwendbar – ein durchaus mutiger Eingriff in die kommunale Satzungsautonomie.

Haushaltsrechtlich ermöglicht sie über- und außerplanmäßige Aufwendungen und Auszahlungen, wenn sie unabweisbar sind, auch wenn eine Deckung nicht gewährleistet ist, § 3 Abs. 2 BbgKomNotV.

2.

Soweit die erleichterten Bedingungen zur Durchführung von Sitzungen der Gemeindevertretung ein Zusammentreffen der Gemeindevertreter nicht mehr ermöglicht, können durch Beschluss der Gemeindevertretung bestimmte, eigentlich ausschließlich der Gemeindevertretung zugewiesene Entscheidungsgegenstände auf den Hauptausschuss übertragen werden. Die einzelnen, auf der Grundlage der BbgKomNotV übertragbaren Entscheidungsgegenstände regelt § 2 Abs. 2 Nr. 1 – 11 BbgKomNotV.

3.

Die Verordnung tritt am 30. Juni 2020 außer Kraft. Da das Brandenburgische kommunale Notlagegesetz allerdings derzeit schon bis zum 30. September 2020 gilt, bedarf es keiner allzu großen prophetischen Gabe, dass die Lebensdauer der Verordnung über den 30. Juni 2020 hinaus erstreckt werden wird.

Corona Videokonferenzen von Betriebsräten werden erlaubt – Regierung plant weitere (befristete) Gesetzesänderungen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts

Die Mühlen der Gesetzgebung mahlen langsam. Gesetze sollen durchdacht und mit allen Interessengruppen abgestimmt sein. Das dauert und manchmal passiert jahrelang nichts, selbst wenn – wie z.B. im Fall der Massenentlassungsanzeige – die tatsächliche Rechtslage, vorgegeben vom Europäischen Gerichtshof, nicht mehr so viel mit dem Wortlaut der deutschen Regelung zu tun hat.

Corona zeigt nun, dass es auch anders geht, anders gehen muss. Denn das Virus wartet nicht, bis sich Koalitionspartner zusammenraufen. Und vieles, was das deutsche Arbeitsrecht vorsieht, verträgt sich nicht mit Maßnahmen gegen die Pandemie, vor allem nicht mit den Kontaktverboten. Jedenfalls dann nicht, wenn es auch irgendwie weitergehen soll.

Ein schönes Beispiel dafür ist die Frage von Video- und Telefonkonferenzen in der Betriebsratsarbeit.

Nach § 30 Satz 4 BetrVG sind die Sitzungen des Betriebsrats nicht-öffentlich. Nach wohl herrschender Meinung schließt das eine Beschlussfassung in Video- und Telefonkonferenzen aus, da weder in dem einem noch im anderen Fall sichergestellt ist, ob nicht doch ein Nichtbefugter zuhört. Wenn nun aber auch die Betriebsratsmitglieder im Homeoffice arbeiten und möglichweise sogar von vielen Standorten über die Republik verteilt anreisen müssten, stellt sich die Frage, wie der Spagat zwischen Kontaktverbot, Vermeiden von Dienstreisen einerseits und effektiver Betriebsratsarbeit andererseits möglich sein soll.  Die Betriebsparteien sind nämlich auch in Pandemiezeiten zwingend auf einen funktionierenden Betriebsrat angewiesen.  So benötigt ein Unternehmen, das Kurzarbeit einführen möchte, nämlich zwingend eine Betriebsvereinbarung zu diesem Thema. Fehlt eine solche, könnte die Kurzarbeit schlicht und einfach nicht eingeführt werden. Nur wenige Unternehmen haben aber für ihre Branche mit der Einführung von Kurzarbeit gerechnet und waren demnach auch nicht vorbereitet. Auch für Einstellungen, Versetzungen oder Umsetzung von Maßnahmen zum Gesundheitsschutz bedarf es der Mitbestimmung des Betriebsrats. Wird eine Maßnahme ohne die erforderliche Mitbestimmung durchgeführt, ist sie nach der Rechtsprechung unwirksam und für betroffene Arbeitnehmer unverbindlich. Wirksame Mitbestimmung setzt aber voraus, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß zustimmt, d.h. in einer Sitzung einen entsprechenden Beschluss fasst.

In den ersten Tagen der Pandemie konnte man auf den Seiten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales noch lesen, dass Betriebs- und Personalräten empfohlen werde, Sitzungen per Video- oder Telefonkonferenz abzuhalten, um das Abstandsgebot einzuhalten. Dass diese Empfehlung sich nicht so recht mit der geltenden Rechtslage vereinbaren ließ, war den meisten bewusst. Viele Betriebsparteien versuchten aus der Misere rauszukommen, indem sie Regelungsabreden vereinbarten, mit denen man sich gegenseitig versicherte, sich nicht auf eine etwaige Unwirksamkeit solcher Beschlüsse zu berufen. Es ist schon fraglich, ob solche Abreden überhaupt möglich sind. Ganz sicher haben sie keine Wirkung gegenüber etwaig betroffenen Arbeitnehmern. Möchte sich also ein Arbeitnehmer später auf die Unwirksamkeit der Beschlussfassung berufen, hätte er damit mit großer Wahrscheinlichkeit Erfolg.

Das Problem ist mittlerweile auch beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales angekommen.  Jedenfalls kann man dem Internetauftritt der Bundesregierung nunmehr entnehmen, dass Betriebs- und Personalratssitzungen auch per Video- und Telefonkonferenzen möglich sein sollen. Für Betriebsräte soll das befristet bis 31. Dezember 2020, für Personalräte sogar bis 31. März 2021 gelten. Das Gesetz soll rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft treten und noch im April verabschiedet werden. Corona macht schnelle Gesetze möglich und sollte sich diese Form der Beschlussfassung für Betriebs- und Personalräte bewähren, kann man vielleicht auch über eine Verlängerung nachdenken. 

Weitere geplante Änderungen im Arbeitsrecht sind beispielsweise ein mögliches Hinausschieben von Neuwahlen für Betriebsräte, die derzeit wegen § 13 Abs. 2 BetrVG eigentlich wählen müssten sowie die Möglichkeit die in diesem Jahr regulär stattfindenden Personalratswahlen für Bundesbehörden komplett als Briefwahl durchzuführen. Ausweislich mehrerer Berichte im Internet liegt ein weiterer Referentenentwurf des Bundesministerium für Arbeit und Soziales vor, wonach die Klagefrist für Kündigungsschutzklagen bis 31. Dezember 2020 von drei auf fünf Wochen verlängert werden sowie mündliche Verhandlungen vor den Arbeitsgerichten teilweise als Videokonferenzen stattfinden können sollen. Ob das alles so kommt, lässt sich allerdings noch nicht mit Sicherheit beantworten. Wir werden es für Sie beobachten.

Corona-App – eine Herausforderung für den Datenschutz

Digitales „contact tracing“ durch die sogenannte Corona-App zur Nachverfolgung der Nahbereichskontakte Infizierter ist derzeit in aller Munde, stellt es sich doch als ein wichtiges Instrument für einen schrittweisen Ausstieg aus dem Lockdown zur Bekämpfung der Corona-Pandemie dar. Sowohl die EU-Kommission als auch die Bundesregierung und die Regierungen der Länder befürworten den Einsatz einer solchen Corona-App.

Mit dem Projekt Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing, kurz PEPP-PT, existiert auch bereits ein europäisches Konzept für die Umsetzung einer solchen App in einer Art und Weise, die mit den Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung vereinbar sein soll – u.a. deswegen, weil nur anonymisierte epidemiologisch relevante Kontakt-Daten und nicht etwa Bewegungsprofile verwendet würden und die Installation und Nutzung der App insgesamt freiwillig sei.

Der technischen Funktionsweise nach geht es bei einer derartigen App im Wesentlichen darum, dass von dem mit dieser App ausgestatteten Smartphone mit Hilfe der Bluetooth Technologie in bestimmten zeitlichen Abständen eine anonyme und regelmäßig wechselnde Kennung (sogenannte TempID) ausgesendet wird, die andere entsprechend ausgestattete Smartphones im näheren physischen Umfeld (unter zwei Meter) empfangen und lokal in verschlüsselter Form speichern. Wird bei einem Nutzer eine Corona-Infektion diagnostiziert, würde dieser gebeten, die lokal gespeicherten anonymen KontaktIDs aus dem relevanten Zeitraum der jeweils letzten 14 Tage seit der Infektion an einen zentralen Server – etwa beim Robert-Koch-Institut (RKI) – zu übertragen. Von diesem zentralen Server aus könnten über eine Push-Benachrichtigung sodann alle entsprechenden Smartphone-Besitzer kontaktiert und gebeten werden, einen Corona-Test durchzuführen und sich in Quarantäne zu begeben.

Wie aber ist es tatsächlich um die datenschutzrechtliche Zulässigkeit derartiger Corona-Apps zur Kontaktnachverfolgung bestellt?

Da immer wieder betont wird, dass die im Rahmen des o.g. Projektes geplante App nur anonymisierte Daten verarbeiten würde, könnte man zunächst auf die Idee kommen, die DSGVO für gar nicht anwendbar zu halten, da deren Anwendungsbereich nur im Falle der Verarbeitung personenbezogener Daten eröffnet ist. Tatsächlich wird man aber den Personenbezug der Kontaktdaten, die mit Hilfe des Abgleichs der o.g. TempIDs ermittelt werden, nach der äußerst weiten Definition der personenbezogenen Daten gem. Art. 4 Nr. 1 DSGVO erst einmal bejahen müssen. Denn sie werden auf einem elektronischen Gerät erzeugt und gespeichert, das über die Telefonnummer oder die IP- oder MAC-Adresse durch den Provider einer natürlichen Person zugeordnet werden kann, und weisen daher ihrerseits einen Personenbezug auf.

Demgemäß ist der Anwendungsbereich der DSGVO eröffnet. Als Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung durch die App in Betracht käme – angesichts der Freiwilligkeit der Nutzung – zunächst einmal die Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a DSGVO. Mit dem Herunterladen der App und sodann nochmals bei der Zustimmung zum Abgleich der Kontaktdaten nach der Positiv-Testung könnte die Einwilligung in die entsprechenden Datenverarbeitungsvorgänge verbunden werden. Doch daraus, dass die Nutzung der Corona-App freiwillig erfolgt in dem Sinne, dass niemand aufgrund behördlicher oder gesetzlicher Anordnung verpflichtet würde, die App zu nutzen, folgt nicht zwangsläufig, dass damit auch die in der DSGVO normierten Anforderungen an die Freiwilligkeit einer Einwilligung erfüllt sind. Denn dies setzt eine echte Wahlmöglichkeit voraus. Vergegenwärtigt man sich, dass die Nutzung der App ein wichtiger Baustein zur Ermöglichung der Aufhebung oder Lockerung der bisherigen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie und damit zur Rückkehr in ein „normaleres“ Leben sein könnte, erscheint das Bestehen einer echten Wahlmöglichkeit aber zweifelhaft (das legt das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e. V. in seiner am 14. April veröffentlichten Datenschutz-Folgenabschätzung für die Corona-App ausführlich dar).

Vielversprechender erscheint es, auf Artikel 6 Abs. 1 S. 1 lit. d DSGVO abzustellen, wonach die Datenverarbeitung erlaubt ist, wenn sie erforderlich ist, „um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen“. Gemäß Erwägungsgrund 46 der DSGVO kann dazu auch eine „Verarbeitung für humanitäre Zwecke einschließlich der Überwachung von Epidemien und deren Ausbreitung“ gehören. Aufgrund des subsidiären Charakters dieses Erlaubnistatbestands – er soll nach dem Willen des Gesetzgebers nur herangezogen werden, wenn die Datenverarbeitung auf keine andere Grundlage gestützt werden kann – bestehen allerdings erhebliche Zweifel, ob er zur Rechtfertigung der Datenverarbeitung im Rahmen der Corona-App herangezogen werden kann.

Denn mit Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. e DSGVO, wonach die Datenverarbeitung rechtmäßig ist, wenn sie für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt, scheint eine andere Rechtsgrundlage durchaus zu existieren. Allerdings bedarf das öffentliche Interesse gem. Art. 6 Abs. 3 S. 1 lit. a und lit. b DSGVO einer gesetzlichen Konkretisierung im Unionsrecht oder im nationalen Recht – mit anderen Worten, nicht Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO selbst ist die Ermächtigung zur Datenverarbeitung, sondern die jeweilige nationale oder unionsrechtliche Rechtsnorm, die die Aufgabe im öffentlichen Interesse und die zu deren Wahrnehmung erforderliche Datenverarbeitung definiert. Nun wird zwar die Warnung vor der Ansteckung mit einer infektiösen Krankheit und die Eindämmung einer Pandemie grundsätzlich vom Infektionsschutzgesetz erfasst, nicht jedoch konkret die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch den Einsatz einer App zur Ermittlung und Information über Kontakte mit einer infizierten Person. Dementsprechend besteht auch keine rechtliche Verpflichtung zum Einsatz einer solchen App im Sinne von Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. c DSGVO.

Fazit: Unproblematisch ist der Einsatz der viel beschworenen Corona-App datenschutzrechtlich de lege lata keineswegs. Sofern man nicht der Ansicht folgt, dass sich deren Betrieb auf Artikel 6 Abs. 1 S. 1 lit. d DSGVO (Schutz lebenswichtiger Interessen) stützen ließe, würde es nach geltendem Recht schon an einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage für die damit verbundenen Datenverarbeitung fehlen. Eine entsprechende Norm wäre vom Gesetzgeber erst noch zu schaffen.

Änderung des BauGB aufgrund der Corona-Pandemie

Beinahe unbemerkt ist mit dem „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ am 28. März 2020 eine Änderung des Baugesetzbuches in Kraft getreten. Eingefügt wurde der neue § 246b BauGB, der bauplanungsrechtliche Erleichterungen für die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen für gesundheitliche Zwecke zur Versorgung von Personen, die sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert haben oder möglicherweise infiziert haben, vorsieht.

Die neue, bis zum 31. Dezember 2020 befristete Sonderregelung lautet:

§ 246b BauGB

(1) Soweit Anlagen für gesundheitliche Zwecke zur Versorgung von Personen, die sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert haben oder möglicherweise infiziert haben, im Gebiet der Gemeinde, in der sie im Wege der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, kann bei der Zulassung dieser Vorhaben bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang, erforderlichenfalls auch befristet, unter der Voraussetzung abgewichen werden, dass Vorhabenträger der Bund, ein Land, ein Landkreis oder eine Gemeinde oder ein im Auftrag eines der Vorgenannten tätiger Dritter ist. Zuständig ist die höhere Verwaltungsbehörde. Die Gemeinde ist anzuhören; diese Anhörung tritt auch an die Stelle des in § 14 Absatz 2 Satz 2 vorgesehenen Einvernehmens. Satz 3 findet keine Anwendung, wenn Vorhabenträger die Gemeinde oder in deren Auftrag ein Dritter ist. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 erster Halbsatz und Satz 3 entsprechend. § 246 Absatz 13 Satz 3 gilt entsprechend auch bei zwischenzeitlichen Nutzungsänderungen zu Anlagen für gesundheitliche Zwecke nach Satz 1. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 5 entfällt, wenn eine nach Satz 6 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 5 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger der Bund, ein Land, ein Landkreis oder eine Gemeinde ist. Wenn Vorhabenträger der Bund, ein Land, ein Landkreis oder ein im Auftrag eines der Vorgenannten tätiger Dritter ist, gilt § 37 Absatz 3 entsprechend; im Übrigen findet § 37 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 auf Vorhaben nach Satz 1 keine Anwendung.

(2) In Verfahren zur Genehmigung von baulichen Anlagen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 gilt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 das Einvernehmen abweichend von § 36 Absatz 2 Satz 2 als erteilt, wenn es nicht innerhalb eines Monats verweigert wird.

(3) Bei Vorhaben nach Absatz 1 im Außenbereich gilt § 18 Absatz 3 Satz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 entsprechend.

(4) Die Befristung in Absatz 1 Satz 1 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann.“

Für Kommunen ist insbesondere zu beachten, dass ihr gemeindliches Einvernehmen zu solchen Vorhaben nunmehr schon nach einem Monat als erteilt gilt, gemeindliche Stellungnahmen mit Hinweisen auf etwaige Erschließungsprobleme oder anderweitige planungsrechtliche Einwendungen also relativ schnell nach Kenntnis vom Vorhaben an die Genehmigungsbehörde gesendet werden müssen. Eine Fristverlängerung – etwa aufgrund personeller Engpässe oder coronabedingtem Notbetrieb in der Verwaltung – ist nicht möglich.

Ferner ist das BauGB als Rechtsgrundlage z.B. für Bauleitpläne nunmehr wie folgt zu zitieren: „Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634), das durch Artikel 6 des Gesetzes vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587) geändert worden ist“.

Änderung des BauGB aufgrund der Corona-Pandemie

Beinahe unbemerkt ist mit dem „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ am 28. März 2020 eine Änderung des Baugesetzbuches in Kraft getreten. Eingefügt wurde der neue § 246b BauGB, der bauplanungsrechtliche Erleichterungen für die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen für gesundheitliche Zwecke zur Versorgung von Personen, die sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert haben oder möglicherweise infiziert haben, vorsieht.

Die neue, bis zum 31. Dezember 2020 befristete Sonderregelung lautet:

§ 246b BauGB

(1) Soweit Anlagen für gesundheitliche Zwecke zur Versorgung von Personen, die sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert haben oder möglicherweise infiziert haben, im Gebiet der Gemeinde, in der sie im Wege der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, kann bei der Zulassung dieser Vorhaben bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang, erforderlichenfalls auch befristet, unter der Voraussetzung abgewichen werden, dass Vorhabenträger der Bund, ein Land, ein Landkreis oder eine Gemeinde oder ein im Auftrag eines der Vorgenannten tätiger Dritter ist. Zuständig ist die höhere Verwaltungsbehörde. Die Gemeinde ist anzuhören; diese Anhörung tritt auch an die Stelle des in § 14 Absatz 2 Satz 2 vorgesehenen Einvernehmens. Satz 3 findet keine Anwendung, wenn Vorhabenträger die Gemeinde oder in deren Auftrag ein Dritter ist. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 erster Halbsatz und Satz 3 entsprechend. § 246 Absatz 13 Satz 3 gilt entsprechend auch bei zwischenzeitlichen Nutzungsänderungen zu Anlagen für gesundheitliche Zwecke nach Satz 1. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 5 entfällt, wenn eine nach Satz 6 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 5 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger der Bund, ein Land, ein Landkreis oder eine Gemeinde ist. Wenn Vorhabenträger der Bund, ein Land, ein Landkreis oder ein im Auftrag eines der Vorgenannten tätiger Dritter ist, gilt § 37 Absatz 3 entsprechend; im Übrigen findet § 37 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 auf Vorhaben nach Satz 1 keine Anwendung.

(2) In Verfahren zur Genehmigung von baulichen Anlagen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 gilt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 das Einvernehmen abweichend von § 36 Absatz 2 Satz 2 als erteilt, wenn es nicht innerhalb eines Monats verweigert wird.

(3) Bei Vorhaben nach Absatz 1 im Außenbereich gilt § 18 Absatz 3 Satz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 entsprechend.

(4) Die Befristung in Absatz 1 Satz 1 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann.“

Für Kommunen ist insbesondere zu beachten, dass ihr gemeindliches Einvernehmen zu solchen Vorhaben nunmehr schon nach einem Monat als erteilt gilt, gemeindliche Stellungnahmen mit Hinweisen auf etwaige Erschließungsprobleme oder anderweitige planungsrechtliche Einwendungen also relativ schnell nach Kenntnis vom Vorhaben an die Genehmigungsbehörde gesendet werden müssen. Eine Fristverlängerung – etwa aufgrund personeller Engpässe oder coronabedingtem Notbetrieb in der Verwaltung – ist nicht möglich.

Ferner ist das BauGB als Rechtsgrundlage z.B. für Bauleitpläne nunmehr wie folgt zu zitieren: „Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634), das durch Artikel 6 des Gesetzes vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587) geändert worden ist“.

Erlaubnisfreie Arbeitnehmerüberlassung als arbeitsrechtliches Mittel zur Überbrückung der Corona-Krise

Die Corona-Pandemie sorgt für erhebliche Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt: Während viele Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer angesichts einer geringeren Auslastung in ihrem Unternehmen in Kurzarbeit schicken müssen, ist der Arbeitsanfall in anderen Unternehmen derzeit mit dem vorhandenen Personal kaum zu bewältigen. Eine vielversprechende Lösung für beide Seiten könnte in der erlaubnisfreien Arbeitnehmerüberlassung liegen. Aus dem 11-Punkte-Plan der Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner ergibt sich, dass Arbeitnehmerüberlassungen infolge der Corona-Krise vorübergehend vermehrt oder sogar ganz erlaubnisfrei sein sollen – ob und wann eine dahingehende Gesetzesänderung in Kraft treten wird und welche Arbeitnehmerüberlassungen unter die noch zu schaffenden Regelungen fallen werden, ist aber noch völlig unklar.

Nach der derzeitigen Rechtslage bedürfen Arbeitgeber (Verleiher), die Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeiter) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit überlassen wollen, grundsätzlich gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG einer Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit. Eine ohne diese Erlaubnis vorgenommene Arbeitnehmerüberlassung führt unter anderem zu der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher.

Nicht erlaubnispflichtig ist die Arbeitnehmerüberlassung unter anderem dann, wenn die Voraussetzungen des § 1a AÜG erfüllt sind. Dieser Ausnahmetatbestand setzt voraus, dass ein Arbeitgeber mit weniger als 50 Beschäftigten zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen einen Arbeitnehmer, der nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird, bis zur Dauer von zwölf Monaten einem anderen Arbeitgeber überlässt. In diesen Fällen bedarf die Überlassung lediglich der vorherigen schriftlichen Anzeige bei der Bundesagentur für Arbeit.

Die Regelung des § 1 Abs. 3 AÜG stellt darüber hinaus bestimmte weitere Fälle der Arbeitnehmerüberlassung weitgehend von den Pflichten des AÜG frei. Im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 AÜG sind lediglich das Verbot der Arbeitnehmerüberlassung im Baugewerbe (§ 1b S. 1 AÜG), die damit korrespondierende Ordnungswidrigkeitenbestimmung in § 16 AÜG sowie Durchführungsregelungen in den §§ 17, 18 AÜG anwendbar.  Nach einer Einschätzung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) soll Arbeitnehmerüberlassung aufgrund der bestehenden Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG in den aktuellen Bedarfsfällen grundsätzlich möglich sein. Danach ist eine Arbeitnehmerüberlassung erlaubnisfrei, wenn die Überlassung nur gelegentlich erfolgt und der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird. Was unter „gelegentlich“ zu verstehen ist, hat die Rechtsprechung allerdings noch nicht abschließend geklärt. Nicht auf diesen Ausnahmetatbestand gestützt werden kann jedenfalls eine gewerbsmäßige und auf Dauer angelegte Überlassung (vgl. BAG vom 02.06.2010, 7 AZR 946/08, NZA 2011, 351). Für eine „gelegentliche“ Überlassung dürfte demgegenüber sprechen, wenn der Personaleinsatz von vornherein zeitlich begrenzt für eine kurze Dauer (weniger als 18 Monate) lediglich gegen Erstattung der Brutto-Personalkosten erfolgt und dem Verleiher dadurch auch mittelbar keine wirtschaftlichen Vorteile erwachsen. Ebenso ist ungeklärt, ob diese Ausnahmeregelung europarechtlich zulässig ist – vorsichtshalber sollte daher der equal pay-Grundsatz beachtet werden.

Wenn Sie sich dazu entscheiden, die Arbeitnehmerüberlassung anhand der oben beschriebenen Voraussetzungen durchzuführen, müssen Sie Zusatzvereinbarungen mit den betreffenden Mitarbeitern und mit dem Entleiher einen Rahmenvertrag zur Arbeitnehmerüberlassung abschließen. Sprechen Sie uns gerne an, falls Sie weitere Fragen haben oder kurzfristig entsprechende Vertragsmuster benötigen.

Land Brandenburg plant befristete Sonderregelungen, um die Handlungsfähigkeit der brandenburgischen Kommunen aufrecht zu erhalten (Entwurf eines Brandenburgischen kommunalen Notlagegesetzes – BbgKomNotG- LT-Drs. 7/991)

Die Regierungsfraktionen haben einen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht, mit dem die Handlungsfähigkeit der Kommunen angesichts der Corona-Pandemie gesichert werden soll. Vorgesehen ist eine Verordnungsermächtigung zugunsten des Ministers des Innern und für Kommunales, durch die zeitlich befristet bis zum 30. Juni 2020 Ausnahmen von bestimmten – eigentlich zwingenden – Regelungen der Kommunalverfassung zugelassen werden kann.

Ausnahmen im Verordnungswege sollen ermöglicht werden

1. von dem Verbot der Übertragung von Entscheidungskompetenzen in der Allzu-ständigkeit der Gemeindevertretung auf den Hauptausschuss,

2. von der Pflicht, Sitzungen der Gemeindevertretung und des Hauptausschusses als Präsenzsitzungen durchzuführen,

3. von dem Verbot, im schriftlichen Umlaufverfahren Beschlüsse der Gemeinde-vertretung und des Hauptausschusses zu fassen,

4. von der Pflicht, bei Präsenzsitzungen unmittelbare Sitzungsöffentlichkeit zu gewährleisten,

5. von der Pflicht, bereits festgelegte kommunale Wahlen und nach gesetzlicher Vorschrift festzusetzende oder festgesetzte Bürgerentscheide vor dem Außerkrafttreten dieses Gesetzes nach § 3 durchzuführen,

6. von dem Verbot, noch nach der konstituierenden Sitzung weitere Stellvertreter unter Berücksichtigung des Spiegelbildlichkeitsgrundsatzes für die Mitglieder des Hauptausschusses zu bestellen

Die Verordnung darf – so der Gesetzentwurf – nur nach Anhörung der kommunalen Spitzenverbände und – einigermaßen ungewöhnlich – im Einvernehmen mit dem Ausschuss für Inneres und Kommunales des Landtags Brandenburg erlassen werden.

Die durch das Gesetz (bzw. die darauf gestützte Verordnung) ermöglichten Befreiungen von an sich zwingenden Vorschriften der Kommunalverfassung sind gravierend. Sie tangieren in erster Linie das Öffentlichkeitsgebot kommunaler Gremiensitzungen (§ 36 Abs. 2 Satz 1 und § 44 Abs. 2 und 3 BbgKVerf). Dabei ist u.a. unklar, wie Öffentlichkeit hergestellt bzw. gewährleistet werden soll, wenn die Sitzung der Gemeindevertretung bzw. des Hauptausschusses nicht als Präsenssitzung durchgeführt werden. Zweifelhaft sind auch durch Gesetz/Verordnung ermöglichten Einschränkungen des Öffentlichkeitsgebots, wenn man zum Vergleich den Regelungsmechanismus bei Eilentscheidung des Hauptverwaltungsbeamten nach § 58 BbgKVerf in den Blick nimmt. Letztgenannte Entscheidung müssen in einer nachfolgenden (grundsätzlich öffentlichen) Sitzung des zuständigen Organs genehmigt werden. Ein derartiges nachholendes Verfahren sieht der Gesetzentwurf für öffentlichkeitsbeschränkte Maßnahmen aufgrund einer Notlageverordnung nicht vor.

Aktuelle Informationen zu den Voraussetzungen und der Beantragung von Kurzarbeit für Arbeitgeber (aktualisiert am 23. April 2020)

Das Corona-Virus erschüttert die Wirtschaft. Der Kampf gegen die Verbreitung des Virus trifft Unternehmen aller Größen und Branchen, sei es durch vollständige Betriebsschließungen, verkürzte Öffnungszeiten oder ausbleibende Kundschaft – während die laufenden Ausgaben und insbesondere die Gehälter weiterhin gezahlt werden müssen. So werden die meisten Arbeitgeber nicht umhinkommen, sich mit dem Thema Kurzarbeit auseinanderzusetzen. Wir haben nachfolgend praktische Informationen für Sie zusammengestellt und werden diese in den kommenden Wochen fortlaufend aktualisieren.

1. Was ist eigentlich Kurzarbeit?

Die Kurzarbeit steht Ihnen als Mittel zur Überbrückung vorübergehender erheblicher Arbeitsausfälle im Betrieb zur Verfügung, vorausgesetzt die Ausfälle beruhen auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis und waren unvermeidbar. Kurzarbeit stellt also eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass Arbeitnehmer gemäß § 615 BGB ihren Anspruch auf die vereinbarte Vergütung auch dann behalten, wenn der Arbeitgeber sie aus wirtschaftlichen Gründen nicht oder nicht voll beschäftigen kann. Durch die Anordnung von Kurzarbeit wird der Arbeitgeber von der Vergütungspflicht für Zeiten der Arbeitsausfälle befreit, gleichzeitig wird die Arbeitsverpflichtung der Arbeitnehmer um die Zahl der ausgefallenen Stunden gekürzt. Die übrigen Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien bleiben während der Zeit der Kurzarbeit unverändert bestehen. Soweit die Arbeit nicht vollständig entfällt (sog. Kurzarbeit „Null“), erhalten die Arbeitnehmer für die Zeit, die sie noch arbeiten, die volle auf diesen Teil entfallende Bruttovergütung („Kurzlohn“), für die wegfallende Arbeitszeit können Sie Kurzarbeitergeld von der Bundesagentur für Arbeit erhalten.

Die Bundesagentur für Arbeit hat betriebliche Schwierigkeiten infolge der Ausbreitung des Corona-Virus bereits als Grund für die Gewährung von Kurzarbeit anerkannt.

2. In welcher Höhe und an wen wird das Kurzarbeitergeld ausgezahlt?

Wenn Kurzarbeit angeordnet wird, müssen Sie nur für den auf die tatsächlich geleisteten Stunden entfallenen Bruttolohn, also den sog. „Kurzlohn“ aufkommen. Für die fehlende Arbeitszeit gewährt die Arbeitsagentur das Kurzarbeitergeld. Dieses beträgt allgemein 60 % der Nettoentgeltdifferenz des Monats, in dem die Arbeit ausgefallen ist. Sofern der Arbeitnehmer über einen auf der elektronischen Lohnsteuerkarte eingetragenen Kinderfreibetrag (mind. 0,5) verfügt, erhält er einen erhöhten Leistungssatz von 67 %.


Die große Koalition hat nach langwierigen Verhandlungen am 22. April 2020 verkündet, dass das Kurzarbeitergeld infolge der Corona-Krise befristet bis zum 31. Dezember 2020 wie folgt angehoben werden soll: ab dem vierten Monat der Kurzarbeit wird das Kurzarbeitergeld für kinderlose Beschäftige auf 70 %, für Beschäftigte mit Kindern auf 77 % der Nettoentgeltdifferenz erhöht. Ab dem siebten Monat sollen Arbeitnehmer, die ihre Arbeitszeit um mindestens die Hälfte reduzieren mussten, 80 bzw. 87 % der Nettoentgeltdifferenz erhalten.


Die Nettoentgeltdifferenz ergibt sich aus der Differenz zwischen dem pauschalierten Netto-Sollentgelt (also dem Nettoeinkommen ohne Kurzarbeit) und dem pauschalierten Netto-Istentgelt (dem tatsächlichen Nettoeinkommen bei Kurzarbeit) des Monats, in dem der Arbeitsausfall erfolgt ist. Als Soll-Entgelt wird allerdings nur das regelmäßige laufende Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt, diese liegt aktuell bei 6.900,00 EUR (West) oder 6.450,00 EUR (Ost). Wie beim Arbeitslosengeld ist damit der Entgeltausfall bis zu dem Entgelt abgesichert, aus dem Beiträge entrichtet werden. Entfällt die Arbeit komplett, beträgt die Nettoentgeltdifferenz demnach 100 % (sog. „Kurzarbeit Null“), maximal bei 67 % aber 4.623,00 EUR (West) bzw. 4321,50 EUR (Ost). Verdienen Arbeitnehmer über der Beitragsbemessungsgrenze, sind ihre Einbußen also auch entsprechend höher. Zur leichteren Berechnung des Kurzarbeitergeldes hat die Bundesagentur für Arbeit eine pauschalierte Tabelle erstellt.

Wenn der Arbeitnehmer nach der Einführung der Kurzarbeit eine weitere Beschäftigung, auch einen Minijob, aufnimmt oder das aus einer weiteren bereits bestehenden Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit erzielte Einkommen erweitert, wird der zusätzlich eingenommene Betrag dem Netto-Istentgelt des Arbeitnehmers hinzugerechnet und vermindert somit den Anspruch auf Kurzarbeitergeld.

Dazu ein Beispiel: das Bruttoarbeitsentgelt (ohne Kurzarbeit) eines Arbeitnehmers, dessen elektronische Lohnsteuerkarte die Steuerklasse III und einen Kinderfreibetrag von 1,0 beinhalten, beträgt 5.000,00 EUR. Während der Kurzarbeit arbeitet er noch 50 %, erhält dafür also einen Lohn von 2.500,00 EUR. Für das Soll-Entgelt von 5.000,00 EUR beträgt der rechnerische Leistungssatz ausweislich der oben genannten Tabelle der Bundesagentur für Arbeit 2.252,60 EUR, für das Ist-Entgelt von 2.500,00 EUR ist der rechnerische Leistungssatz 1.295,11 EUR. Damit beträgt das Kurzarbeitergeld 957,49 EUR (2.252,60 EUR – 1.295,11 EUR). Nimmt dieser Arbeitnehmer während der Kurzarbeit einen Nebenjob im Umfang von 450,00 EUR an, so wird dieses Nebeneinkommen dem Ist-Entgelt in voller Höhe hinzugerechnet, § 106 Abs. 3 SGB III – im Beispiel beträft das Ist-Entgelt nun 2.950,00 EUR. Damit verringert sich die Differenz zwischen Soll-Entgelt und Ist-Entgelt sowie das Kurzarbeitergeld, das nun 768,66 EUR beträgt (2.252,60 EUR – 1.483,94 EUR).


Als Reaktion auf die Corona-Krise wurde die Anrechnung von Einkommen aus bestimmten Nebentätigkeiten für Bezieher von Kurzarbeitergeld durch das „Gesetz für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (Sozialschutz-Paket)“ wie folgt erleichtert:

  • Dem dritten Sozialgesetzbuch wurde ein neuer § 421c eingefügt, nach dem in Abweichung von § 106 Abs. 3 SGB III Einkommen aus einer Nebenbeschäftigung in sog. „systemrelevanten Branchen und Berufen“ übergangsweise vom 1. April 2020 bis zum 31. Oktober 2020 bis zur Höhe des Netto-Sollentgelts aus dem von Kurzarbeit betroffenen Beschäftigungsverhältnis nicht in der oben beschriebenen Weise auf das Kurzarbeitergeld angerechnet wird. Die Regelung soll den finanziellen Anreiz zur Aufnahme einer Nebenbeschäftigung dort erhöhen, wo derzeit Mitarbeiter fehlen – insbesondere in der Landwirtschaft werden dringend Saisonarbeitskräfte gebraucht. Wird eine Nebentätigkeit in einem nicht systemrelevanten Bereich aufgenommen, bleibt es bei der oben dargestellten Rechtslage.

Am 22. April 2020 hat die große Koalition angekündigt, die oben beschriebene Möglichkeit des anrechnungsfreien Hinzuverdienstes ab dem 1. Mai bis Ende des Jahres 2020 auf alle Berufe auszuweiten.


Wichtig ist, dass Sie sowohl den Kurzlohn als auch das Kurzarbeitergeld auszahlen, das Kurzarbeitergeld wird Ihnen von der Arbeitsagentur erstattet.

3. Welche Neuerungen beinhaltet das „Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld“?

In einem Schnellverfahren wurde das „Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld“ (BGBl. 2020 I, 493) verabschiedet; es ist am 14. März 2020 in Kraft getreten. Dieses Gesetz enthält eine Verordnungsermächtigung, die es der Bundesregierung ermöglicht, ohne Zustimmung des Bundesrates im Falle außergewöhnlicher Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt bestimmte, bis zum 31. Dezember 2021 befristete Erleichterungen für Arbeitgeber im Zusammenhang mit Kurzarbeit zu schaffen. Die entsprechende Verordnung darf folgende Regelungen treffen:

  • Absenken des Quorums der im Betrieb Beschäftigten, die vom Arbeitsausfall betroffen sein müssen, auf bis zu 10 Prozent. Bislang musste mindestens ein Drittel der Belegschaft von Arbeitszeitreduzierungen betroffen sein, bevor Kurzarbeitergeld gewährt werden konnte, § 96 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB III.
  • Teilweise oder sogar vollständiger Verzicht auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden. Betriebe, in denen Vereinbarungen zu Arbeitszeitschwankungen bestehen, mussten diese grundsätzlich zur Vermeidung von Kurzarbeit einsetzen, §§ 96 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 SGB III.
  • Vollständige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge durch die Bundesagentur für Arbeit. Bislang hatte der Arbeitgeber während des Bezugs von Kurzarbeitergeld die darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen.
  • Ermöglichung des Kurzarbeitergeldbezugs auch für Leiharbeitnehmer. Leiharbeitnehmer hatten bisher keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld, § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG.

Wir möchten an dieser Stelle darauf hinweisen, dass der Text der Verordnung selbst noch nicht veröffentlicht wurde und wir ihn daher bislang noch nicht prüfen konnten, um die tatsächliche Einführung der ermöglichten Maßnahmen zu bestätigen. Laut einer Meldung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sollen die genannten Erleichterungen rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft treten und auch rückwirkend ausgezahlt werden.

4. Unter welchen Voraussetzungen dürfen Sie Kurzarbeit in Ihrem Betrieb anordnen?

Die Kurzarbeit dürfen Sie nicht einseitig im Wege des Direktionsrechts anordnen. Vielmehr bedarf es einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage. In Betracht kommen ein Tarifvertrag, einzelvertragliche Abreden im Arbeitsvertrag oder eine Betriebsvereinbarung. Gibt es eine solche Rechtsgrundlage nicht, müssen Sie die Kurzarbeit mit den betroffenen Mitarbeitern jetzt noch vereinbaren. Für eine solche Vereinbarung sollten Sie die Arbeitnehmer möglichst nicht zu Hause aufsuchen, sondern die Vereinbarung am Arbeitsplatz abschließen. Bei einer Zustimmung außerhalb Ihrer Geschäftsräume müssten Sie dem Arbeitnehmer gemäß § 312g BGB ein Widerrufsrecht von 14 Tagen einräumen. Gibt es in Ihrem Betrieb einen Betriebsrat können Sie auch jetzt noch eine Betriebsvereinbarung abschließen. Da eine Betriebsvereinbarung unmittelbar und zwingend auf die Arbeitsverhältnisse einwirkt, ersetzt sie die entsprechende Änderung des Arbeitsvertrages (BAG vom 14.02.1991, 2 AZR 415/90, NZA 1991, 607).

Bitte beachten Sie, dass die Rechtsprechung zum Schutz der Arbeitnehmer einige inhaltliche Anforderungen an die vertragliche Einführung von Kurzarbeit stellt:

  • Nach einer Entscheidung des LAG Berlin Brandenburg soll der allgemeine Hinweis im Arbeitsvertrag, wonach der Arbeitgeber bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Kurzarbeit anordnen darf, zu unbestimmt und damit unwirksam sein (LAG Berlin-Brandenburg vom 07.10.2010, 2 Sa 1230/10, NZA-RR 2011, 65). Danach soll es notwendig sein, bereits im Arbeitsvertrag die Voraussetzungen, unter denen Kurzarbeit angeordnet werden darf, näher darzustellen. Erste Praxiserfahrungen in den aktuellen Kurzarbeitsfällen zeigen aber, dass jedenfalls die Bundesagentur für Arbeit auch sehr allgemein gehaltene Regelungen im Arbeitsvertrag für ausreichend erachtet.
  • Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Betriebsvereinbarungen über die Einführung von Kurzarbeit die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten so deutlich regeln müssen, dass diese für die Arbeitnehmer zuverlässig zu erkennen sind. Erforderlich sind mindestens die Bestimmung von Beginn und Dauer der Kurzarbeit, die Regelung der Lage und Verteilung der Arbeitszeit sowie die Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer (BAG vom 18.11.2015, 5 AZR 491/14, NZA 2016, 565).

Ist die vertragliche Regelung, auf Grundlage derer die Kurzarbeit angeordnet werden soll, unwirksam, besteht das Risiko, dass einzelne Arbeitnehmer später die Differenz zwischen Kurzarbeitergeld und Soll-Bruttovergütung doch noch gegen Sie geltend machen.

5. Welche Interessen könnte ein Arbeitnehmer daran haben, jetzt noch eine Zusatzvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit zu unterzeichnen? Welche Anreize können Sie gegebenenfalls setzen?

Verständlicherweise wird es vorkommen, dass Arbeitnehmer zunächst zögern, eine entsprechende Einwilligung über die Einführung von Kurzarbeit zu unterzeichnen. Schließlich ist Kurzarbeit für sie regelmäßig mit Gehaltseinbußen verbunden.

Allerdings lohnt es sich auch für Arbeitnehmer vorauszudenken: Sinn der Kurzarbeit ist es, Unternehmen wirtschaftlich zu stützen und Arbeitsplätze damit langfristig zu sichern. Letztlich dürfte kein Arbeitsnehmer ein Interesse daran haben, dass sein Arbeitgeber sich gezwungen sieht in die Insolvenz zu gehen, weil er die Belastungen infolge der Corona-Krise nicht tragen konnte. Die Arbeitnehmer sind im Falle der Kurzarbeit auch nicht schutzlos gestellt, denn sie haben bei bewilligter Kurzarbeit einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Es kann für eine Dauer von bis zu zwölf Monaten bewilligt werden. Des Weiteren ist es zulässig, dass der Arbeitgeber mit den Arbeitnehmern vereinbart, einen Teil der Differenz oder sogar die volle Differenz zwischen seinem vollen Gehalt und dem Kurzlohn zuzüglich Kurzarbeitergeld durch Zuschüsse auszugleichen, sodass der Arbeitnehmer letztlich mit weniger oder sogar ganz ohne finanzielle Einbußen da steht. Dies kann für den Arbeitgeber noch immer wirtschaftlich vorteilhaft sein, denn das Kurzarbeitergeld bekommt er von der Agentur für Arbeit erstattet. Bitte beachten Sie allerdings, dass nach der bisherigen Rechtslage unter Umständen Sozialversicherungsbeiträge auf den Zuschuss zu zahlen sind. Wenn der Zuschuss zusammen mit dem Kurzarbeitergeld 80% des ausgefallenen Arbeitsentgelts übersteigt, ist nur der übersteigende Betrag des Zuschusses beitragspflichtig.

Dazu ein Beispiel: das Bruttoarbeitsentgelt (ohne Kurzarbeit) eines Arbeitnehmers, dessen elektronische Lohnsteuerkarte die Steuerklasse III und einen Kinderfreibetrag von 1,0 beinhalten, beträgt 5.000,00 EUR, während der Kurzarbeit (50%) wird ein Lohn von 2.500,00 EUR erzielt. Für das Soll-Entgelt von 5.000,00 EUR ist der rechnerische Leistungssatz 2.252,60 EUR, für das Ist-Entgelt von 2.500,00 EUR ist der rechnerische Leistungssatz 1.295,11 EUR. Damit beträgt das Kurzarbeitergeld 957,49 EUR (Siehe Beispiel unter Punkt 2). Demnach läge der höchstmögliche beitragsfreie Zuschuss nach folgender Rechnung bei 1.042,51 EUR: 2.000,00 EUR (80 % des ausgefallenen Entgelts von 2.500,00 EUR) – 957,49 EUR (Kurzarbeitergeld).

6. Welche Rechte hat der Betriebsrat im Zusammenhang mit Kurzarbeit?

Wenn bei Ihnen ein Betriebsrat besteht, so dürfen seine Rechte im Zusammenhang mit der Anordnung von Kurzarbeit nicht übergangen werden. Welche Rechte der Betriebsrat hat hängt maßgeblich davon ab, welche vertraglichen Grundlagen es für die Kurzarbeit in Ihrem Unternehmen bereits gibt.

  • Soweit inhaltliche tarifvertragliche Regelungen zur Kurzarbeit nicht bestehen, was im Einzelfall geprüft werden muss, und solche Regelungen auch nicht kurzfristig vereinbart werden können, ist die vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Eine Änderung der Arbeitszeit und der Lohnzahlungspflicht für die Dauer der Kurzarbeitsperiode kann ohne Rücksicht auf den Willen der Arbeitnehmer nur durch eine Betriebsvereinbarung i. S. v. § 77 BetrVG herbeigeführt werden. Nur sie wirkt unmittelbar und zwingend auf die Arbeitsverhältnisse ein, § 77 Abs. 4 BetrVG, eine formlose Regelungsabrede zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber genügt hingegen nicht (BAG vom 14.02.1991, 2 AZR 415/90, NZA 1991, 607).
  • Aber auch wenn eine vertragliche Grundlage für die Anordnung von Kurzarbeit besteht (etwa mit einer entsprechenden Kurzarbeitsklausel im Arbeitsvertrag), hat der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte im Hinblick auf die Fragen, ob und in welchem Umfang Kurzarbeit eingeführt werden und wie die veränderte Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage verteilt werden soll.

7. Muss die Arbeitszeit für alle Beschäftigten gleichmäßig gekürzt werden?

Die Reduzierung der Arbeitszeit hängt vom Arbeitsausfall ab. Daher können Unterschiede wegen der Art der Tätigkeit gemacht werden; wenn beispielsweise in bestimmten Abteilungen des Unternehmens kein Arbeitsausfall zu verzeichnen ist, dann müssen die dort beschäftigten Arbeitnehmer auch keine Kurzarbeit leisten. Bei gleicher Arbeit und gleicher Qualifikation sollte die Reduzierung allerdings wegen des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes im gleichen Maße erfolgen. Der Einsatz in unterschiedlichen Projekten oder bei unterschiedlichen Kunden kann aber auch ein zulässiges Differenzierungsmerkmal sein. 

8. Welche Voraussetzungen müssen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld vorliegen?

Damit die Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeitergeld gewährt, muss insbesondere ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegen, § 95 SGB III. Der Arbeitsausfall muss auf einem unabwendbaren Ereignis oder auf wirtschaftlichen Gründen beruhen, § 96 SGB III. Dies trifft etwa dann zu, wenn Ihnen die Kunden aus Angst vor Corona fernbleiben oder Aufträge ausbleiben und Sie erhebliche Umsatzeinbußen erleiden. Ein unabwendbares Ereignis liegt auch dann vor, wenn etwa durch staatliche Schutzmaßnahmen Betriebe geschlossen werden. Weitere Voraussetzung für den Bezug von Kurzarbeitergeld ist, dass die üblichen Arbeitszeiten vorübergehend wesentlich, das heißt um mehr als zehn Prozent, verringert sind. Hierbei kann die Arbeitszeit anteilig oder vollständig (sog. Kurzarbeit Null) verringert werden. Ausgehend von dem „Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld“ kann Kurzarbeitergeld bereits dann gewährt werden, wenn nur zehn Prozent (statt regulär ein Drittel) der Belegschaft von den Arbeitsausfällen betroffen sind.

9. Wie wird Kurzarbeitergeld beantragt?

Die Anzeige und Beantragung von Kurzarbeitergeld erfolgt in einem zweistufigen Verfahren:

  • Die Kurzarbeit müssen Sie bei der örtlichen Arbeitsagentur schriftlich oder elektronisch anzeigen, § 99 SGB III, ein entsprechendes Formular der Bundesagentur für Arbeit ist online abrufbar. Mit der Anzeige sind das Vorliegen eines erheblichen Arbeitsausfalls und die betrieblichen Voraussetzungen für das Kurzarbeitergeld glaubhaft zu machen, § 99 Abs. 1 SGB III. Ihrer Anzeige zur Einführung von Kurzarbeit ist gegebenenfalls eine Stellungnahme des Betriebsrats beizufügen. Laut Merkblatt der Bundesagentur für Arbeit haben Sie zudem die Ankündigung der Kurzarbeit und die Vereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit vorzulegen. Die Agentur für Arbeit hat Ihnen sodann unverzüglich einen schriftlichen Bescheid darüber zu erteilen, ob auf Grund der vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt und die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind, § 99 Abs. 3 SGB III. Sie errechnen das Kurzarbeitergeld und zahlen es an Ihre Beschäftigten aus.
  • Darauf aufbauend können Sie in einem zweiten Schritt die Erstattung des Kurzarbeitergeldes beantragen, auch dieses Formular können Sie online abrufen.

10. Wie muss ich den quantitativen Arbeitsausfall darlegen und glaubhaft machen?

Sie müssen der Agentur für Arbeit alle Umstände, die für einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld erheblich sind, vollständig mitteilen, vgl. § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB I. Bei der Glaubhaftmachung können Sie sich aller Beweismittel bedienen, vgl. § 294 Abs. 1 ZPO. Die Glaubhaftmachung verlangt damit keine endgültige, aber dennoch eine sehr weitgehende Überzeugung der Mitarbeiter der Agentur für Arbeit.

Wenn Ihr Betrieb wegen der Verordnung zur Eindämmung des Coronavirus in Berlin komplett schließen musste, dürfte eine Darlegung des Unternehmensgegenstandes unter Hinweis auf die einschlägige Regelung in der Verordnung ausreichen.

11. Kann das Kurzarbeitergeld für alle Arbeitnehmer beantragt werden?

Sie können Kurzarbeitergeld nur für diejenigen Arbeitnehmer beantragen, die auch versicherungspflichtig in der Arbeitslosenversicherung sind. Minijobber und Rentner sind beispielsweise versicherungsfrei, für sie kann daher kein Kurzarbeitergeld beantragt werden. Da die im „Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld“ enthaltene Verordnungsermächtigung dazu nichts enthält, dürfte es auch vorerst bei diesem Grundsatz bleiben.

Für Auszubildende sollte Kurzarbeit in der Regel vermieden werden. Da die meisten Ausbildungsordnungen die Leistung praktischer Ausbildungszeiten in einem bestimmten Umfang vorsehen und diese im Falle von Kurzarbeit eventuell nicht mehr gewährleistet werden, könnte das Ausbildungsziel gefährdet sein. Wenn aber der Einsatz der Auszubildenden nicht mehr vollständig möglich ist, ist auch für diese die Einführung von Kurzarbeit möglich.

12. Welcher Zeitpunkt ist für die Auszahlung des Kurzarbeitergeldes durch die Arbeitsagentur maßgeblich?

Kurzarbeitergeld wird gemäß § 99 Abs. 2 SGB III frühestens von dem Kalendermonat an geleistete, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist. Solange die Anzeige also beispielsweise im März 2020 bei der Agentur für Arbeit eingeht, kann bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen Kurzarbeitergeld rückwirkend für den Monat März gewährt werden. Je nachdem, wie lange die Arbeitsagentur für die Bearbeitung des Vorganges braucht, müssen Sie also möglicherweise mit der Auszahlung des Kurzarbeitergeldes in Vorleistung gehen.

13. Wie wirkt sich die Kurzarbeit auf Urlaubsansprüche aus?

Urlaub kann während der Kurzarbeit genommen werden, der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Urlaubsentgelt in der üblichen Höhe, § 11 Abs. 3 Satz 1 BUrlG. Bereits genehmigter Urlaub ist auch zu nehmen. Möchte der Arbeitnehmer also wegen der derzeit bestehenden Reisewarnungen seinen Urlaub lieber absagen, muss sich der Arbeitgeber nicht darauf einlassen und darf es wohl auch nicht, wenn für die Zeit Kurzarbeit vorgesehen ist.

Allerdings hat der Europäische Gerichtshof auf Vorlage des Arbeitsgerichts Passau entschieden, dass sich der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers im Verhältnis zur Arbeitszeitverkürzung verringern kann (EuGH vom 08.11.2012, C-229/11 und C-230/11). Nach Auffassung des EuGH ist die Situation eines Arbeitnehmers in Kurzarbeit insoweit mit derjenigen eines Teilzeitbeschäftigten vergleichbar. Unklar ist jedoch, ob sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub mit der Anordnung der Kurzarbeit automatisch verkürzt oder ob diese Rechtsfolge nur dann eintritt, wenn es hierzu eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung gibt. Daher ist vorsichtshalber anzuraten, die anteilige Reduzierung von Urlaubsansprüchen im Verhältnis zur Kurzarbeit ausdrücklich vorzusehen.

14. Ist der Arbeitnehmer verpflichtet, vorrangig Urlaub zu nehmen?

Kurzarbeit kann nur angemeldet werden, wenn der Arbeitsausfall unvermeidbar war und Sie alles getan haben, um ihn zu vermeiden oder zu beheben. Zur Verhinderung des Arbeitsausfalls kommt die Anordnung von Urlaub in Betracht. Bestehen noch übertragbare Urlaubsansprüche aus 2019, sind diese auch grundsätzlich zur Vermeidung der Zahlung von Kurzarbeitergeld einzubringen. Dasselbe dürfte für Urlaubsansprüche aus 2020 gelten, sofern die betreffenden Urlaubstage nicht bereits genehmigt oder wenigstens verplant sind. Stehen hingegen vorrangige Urlaubswünsche der Arbeitnehmer der Anordnung des Urlaubs entgegen, dürfen Sie die Arbeitnehmer wohl nicht anweisen, ihren Urlaub aus 2020 zur Vermeidung von Kurzarbeit jetzt zu verbrauchen, vgl. § 96 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 i. V. m. § 7 Abs. 1 BUrlG. Für den Urlaub des Jahres 2020 genügt der Bundesagentur für Arbeit nach jetzigem Stand der Dinge grundsätzlich eine Urlaubsliste, aus der erkennbar ist, dass die von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer ihren gesamten Urlaub für das Jahr 2020 bereits verplant haben.

15. Schließt die Gewährung von Kurzarbeitergeld eine später gegebenenfalls notwendige betriebsbedingte Kündigung aus?

Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der die betriebsbedingte Kündigung nur als letztes Mittel zulässt, kann die Einführung von Kurzarbeit bei vorübergehendem Arbeitsausfall als milderes Mittel eine betriebsbedingte Kündigung unzulässig machen. Grundsätzlich spricht die Einführung von Kurzarbeit auch dafür, dass der Arbeitgeber aufgrund der von ihm vorgenommenen betriebswirtschaftlichen Prognose von einem nur vorübergehenden Arbeitsmangel ausgegangen ist. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass sich der Beschäftigungsbedarf abweichend von der zuvor getroffenen Prognose nicht wieder regeneriert. Entfällt der Beschäftigungsbedarf aufgrund solcher später eingetretenen Gründe dauerhaft, ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes auch eine betriebsbedingte Kündigung möglich (BAG vom 23.02.2012, 2 AZR 548/10, NZA 2012, 582). Die Gründe, die zur Legitimation der Kurzarbeit gedient haben, sind im Umkehrschluss für die Begründung eines dringenden betrieblichen Erfordernisses i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG verbraucht. In einem Kündigungsschutzprozess trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsache, dass eine Beschäftigungsmöglichkeit für einzelne von der Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmer – entgegen seiner zuvor getroffenen Prognose – dauerhaft entfallen ist.

Für Bereiche, in denen keine Kurzarbeit vereinbart wird, können aber trotz Kurzarbeit in anderen Bereichen auch betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden. Sofern bestimmte Größenordnungen erreicht werden, ist an eine gegebenenfalls notwendige Massenentlassungsanzeige zu denken.


Sprechen Sie uns gerne an, falls Sie weitere Fragen zum Thema Kurzarbeit haben.