Durch neues BGH-Urteil endlich Klarheit – die Vergemeinschaftung zur Geltendmachung von Mängelrechten in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum ist auch nach der WEG-Reform seit 1. Dezember 2020 und insbesondere nach Wegfall des § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG aF möglich
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat laut seiner Pressemitteilung entschieden, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (WEG) weiterhin die Durchsetzung von auf die Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum gerichteten Rechte der Erwerber an sich ziehen kann.
Vor der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes war in § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG aF geregelt, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft Mängelrechte aus den Kauf- oder Werkverträgen der Erwerber durch Beschluss an sich ziehen und durchsetzen kann. Diese Rechtsnorm zur „Vergemeinschaftung durch Beschluss“ ist mit der Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes seit 1. Dezember 2020 ersatzlos weggefallen.
Nunmehr regelt § 9a Abs. 2 WEG nur noch, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer ausüben kann, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern. Die WEG kann die entsprechenden Pflichten der Wohnungseigentümer wahrnehmen (sogenannte „geborene Ausübungsbefugnis“).
Dies hat zur allgemeinen Rechtsunsicherheit geführt, denn in der Gesetzesbegründung des WEMoG hieß es, dass die Rechtsprechung zum Bauträgerrecht beibehalten bleiben soll – und damit auch die Möglichkeit der Vergemeinschaftung von primären Mängelrechten, vgl. u.a. LG München I, Urteil v.12.08.2021 – 36 S 2639/20. Dies führte zu der überwiegenden Annahme, dass Vergemeinschaftungsbeschlüsse wohl weiter wirksam sein müssen, sodass diese weiterhin gefasst wurden und auch auf der Grundlage solcher Beschlüsse geklagt wurde.
Der BGH hat nun endgültig Klarheit geschaffen. Die Vergemeinschaftung ist weiterhin möglich; Vergemeinschaftschaftungsbeschlüsse sind weiterhin wirksam. Die Begründung des Gerichts ist noch nicht veröffentlicht.
Der BGH hat weiter klargestellt, dass § 9a Abs. 2 WEG nF jedenfalls nicht die primären Mängelrechte der Wohnungseigentümer erfasst, da sich diese Ansprüche nicht aus dem gemeinschaftlichen Eigentum, sondern aus den individuellen Erwerbsverträgen ergeben. Die Verfolgung der individuellen Mängelrechte aus dem Gemeinschaftseigentum der Erwerber erfordern keine einheitliche Rechtsverfolgung. Der Wohnungseigentümer, der selbständig die Mängelbeseitigung hinsichtlich von Mängeln am Gemeinschaftseigentum gegen den Veräußerer verfolgt, handelt grundsätzlich auch im wohlverstandenen Interesse aller anderen Wohnungseigentümer. Er darf seine vertraglichen Rechte selbst wahrnehmen, so ließ es der BGH in seiner Pressemitteilung verlauten:
„Eine Vergemeinschaftung der auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche der Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss wird durch § 9a Abs. 2 WEG andererseits nicht ausgeschlossen. Die Beschlusskompetenz der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ergibt sich in der Sache unverändert aufgrund der Verwaltungsbefugnis für das gemeinschaftliche Eigentum sowie der in § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG geregelten Pflicht zu dessen Erhaltung. Hierfür spricht auch die Gesetzesbegründung, der zufolge die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Bauträgerrecht, nach der eine Vergemeinschaftung von werkvertraglichen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüchen möglich war, fortgelten soll. Entsprechendes muss für die Vergemeinschaftung von kaufrechtlichen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüchen gelten. Nur diese Sichtweise trägt der nach der Reform unveränderten Interessenlage der Wohnungseigentümer hinreichend Rechnung. Dass die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nunmehr der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer obliegt, hat nichts daran geändert, dass es Sache der Wohnungseigentümer ist, in der Eigentümerversammlung darüber zu befinden, auf welche Weise Mängel am Gemeinschaftseigentum zu beseitigen sind. Ordnungsmäßiger Verwaltung wird es auch weiterhin in aller Regel entsprechen, einen gemeinschaftlichen Willen darüber zu bilden, wie die ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums zu bewirken ist und ggf. welche vertraglichen Ansprüche geltend gemacht werden sollen.“
Damit ist die heftig umstrittene Frage der Aktivlegitimation nach der WEG-Reform in den laufenden Verfahren zu Gunsten der WEG entschieden. Zu den zahlreichen Neuregelungen im Bereich des Wohnungseigentumsrechts beraten wir Bauträger und Planungsgesellschaften gern.
Die Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 11. November 2022 finden Sie hier.
Team Immobilienrecht