Corona Videokonferenzen von Betriebsräten werden erlaubt – Regierung plant weitere (befristete) Gesetzesänderungen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts

Die Mühlen der Gesetzgebung mahlen langsam. Gesetze sollen durchdacht und mit allen Interessengruppen abgestimmt sein. Das dauert und manchmal passiert jahrelang nichts, selbst wenn – wie z.B. im Fall der Massenentlassungsanzeige – die tatsächliche Rechtslage, vorgegeben vom Europäischen Gerichtshof, nicht mehr so viel mit dem Wortlaut der deutschen Regelung zu tun hat.

Corona zeigt nun, dass es auch anders geht, anders gehen muss. Denn das Virus wartet nicht, bis sich Koalitionspartner zusammenraufen. Und vieles, was das deutsche Arbeitsrecht vorsieht, verträgt sich nicht mit Maßnahmen gegen die Pandemie, vor allem nicht mit den Kontaktverboten. Jedenfalls dann nicht, wenn es auch irgendwie weitergehen soll.

Ein schönes Beispiel dafür ist die Frage von Video- und Telefonkonferenzen in der Betriebsratsarbeit.

Nach § 30 Satz 4 BetrVG sind die Sitzungen des Betriebsrats nicht-öffentlich. Nach wohl herrschender Meinung schließt das eine Beschlussfassung in Video- und Telefonkonferenzen aus, da weder in dem einem noch im anderen Fall sichergestellt ist, ob nicht doch ein Nichtbefugter zuhört. Wenn nun aber auch die Betriebsratsmitglieder im Homeoffice arbeiten und möglichweise sogar von vielen Standorten über die Republik verteilt anreisen müssten, stellt sich die Frage, wie der Spagat zwischen Kontaktverbot, Vermeiden von Dienstreisen einerseits und effektiver Betriebsratsarbeit andererseits möglich sein soll.  Die Betriebsparteien sind nämlich auch in Pandemiezeiten zwingend auf einen funktionierenden Betriebsrat angewiesen.  So benötigt ein Unternehmen, das Kurzarbeit einführen möchte, nämlich zwingend eine Betriebsvereinbarung zu diesem Thema. Fehlt eine solche, könnte die Kurzarbeit schlicht und einfach nicht eingeführt werden. Nur wenige Unternehmen haben aber für ihre Branche mit der Einführung von Kurzarbeit gerechnet und waren demnach auch nicht vorbereitet. Auch für Einstellungen, Versetzungen oder Umsetzung von Maßnahmen zum Gesundheitsschutz bedarf es der Mitbestimmung des Betriebsrats. Wird eine Maßnahme ohne die erforderliche Mitbestimmung durchgeführt, ist sie nach der Rechtsprechung unwirksam und für betroffene Arbeitnehmer unverbindlich. Wirksame Mitbestimmung setzt aber voraus, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß zustimmt, d.h. in einer Sitzung einen entsprechenden Beschluss fasst.

In den ersten Tagen der Pandemie konnte man auf den Seiten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales noch lesen, dass Betriebs- und Personalräten empfohlen werde, Sitzungen per Video- oder Telefonkonferenz abzuhalten, um das Abstandsgebot einzuhalten. Dass diese Empfehlung sich nicht so recht mit der geltenden Rechtslage vereinbaren ließ, war den meisten bewusst. Viele Betriebsparteien versuchten aus der Misere rauszukommen, indem sie Regelungsabreden vereinbarten, mit denen man sich gegenseitig versicherte, sich nicht auf eine etwaige Unwirksamkeit solcher Beschlüsse zu berufen. Es ist schon fraglich, ob solche Abreden überhaupt möglich sind. Ganz sicher haben sie keine Wirkung gegenüber etwaig betroffenen Arbeitnehmern. Möchte sich also ein Arbeitnehmer später auf die Unwirksamkeit der Beschlussfassung berufen, hätte er damit mit großer Wahrscheinlichkeit Erfolg.

Das Problem ist mittlerweile auch beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales angekommen.  Jedenfalls kann man dem Internetauftritt der Bundesregierung nunmehr entnehmen, dass Betriebs- und Personalratssitzungen auch per Video- und Telefonkonferenzen möglich sein sollen. Für Betriebsräte soll das befristet bis 31. Dezember 2020, für Personalräte sogar bis 31. März 2021 gelten. Das Gesetz soll rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft treten und noch im April verabschiedet werden. Corona macht schnelle Gesetze möglich und sollte sich diese Form der Beschlussfassung für Betriebs- und Personalräte bewähren, kann man vielleicht auch über eine Verlängerung nachdenken. 

Weitere geplante Änderungen im Arbeitsrecht sind beispielsweise ein mögliches Hinausschieben von Neuwahlen für Betriebsräte, die derzeit wegen § 13 Abs. 2 BetrVG eigentlich wählen müssten sowie die Möglichkeit die in diesem Jahr regulär stattfindenden Personalratswahlen für Bundesbehörden komplett als Briefwahl durchzuführen. Ausweislich mehrerer Berichte im Internet liegt ein weiterer Referentenentwurf des Bundesministerium für Arbeit und Soziales vor, wonach die Klagefrist für Kündigungsschutzklagen bis 31. Dezember 2020 von drei auf fünf Wochen verlängert werden sowie mündliche Verhandlungen vor den Arbeitsgerichten teilweise als Videokonferenzen stattfinden können sollen. Ob das alles so kommt, lässt sich allerdings noch nicht mit Sicherheit beantworten. Wir werden es für Sie beobachten.

Coronavirus – was Arbeitgeber und Arbeitnehmer wissen müssen (aktualisiert am 30. März 2020)

Die Zahl der mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 Infizierten in Deutschland steigt, in Berlin sind Stand heute 15 Fälle bekannt. Für die meisten Menschen sind die Auswirkungen im öffentlichen Leben bislang nur hier und da spürbar: die öffentlichen Verkehrsmittel sind morgens nicht ganz so voll wie sonst, die Supermarktregale abends ebenfalls. Es wurden aber in Berlin bereits erste Schulen vorübergehend geschlossen. Einige Fragen, die sich für Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Falle einer weiteren Ausbreitung des Virus stellen werden, beantworten wir in diesem Artikel.

1. Wie können Präventivmaßnahmen des Arbeitgebers aussehen?

Noch dürften die wenigsten Betriebe durch bekannte Krankheitsfälle direkt betroffen sein. Aber: der Arbeitgeber ist nach dem Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit gewährleisten und ihm möglich und zumutbar sind. Im Gegenzug sind die Arbeitnehmer gemäß §§ 15, 16 ArbSchG dazu verpflichtet, jede erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit unverzüglich dem Arbeitgeber zu melden und dessen arbeitsschutzrechtlichen Weisungen nachzukommen. Welche Maßnahmen im Bezug auf die Corona-Pandemie notwendig sind, kann zu diesem Zeitpunkt nicht mit Sicherheit gesagt werden. Sinnvoll und auch angezeigt ist jedoch die Erarbeitung betrieblicher Notfallpläne. Folgende Maßnahmen sind zu empfehlen:

  • Aufklärung der Arbeitnehmer über die Entstehung und die Symptome der Infektion;
  • Einführung verschärfter Hygienemaßnahmen in Unternehmen, beispielsweise: Hände häufig und gründlich waschen, Bereitstellen und Nutzen von Desinfektionsmitteln, Unterlassen des Händegebens zur Begrüßung, regelmäßiges Lüften geschlossener Räume;
  • Vertretungsregelungen und Priorisierung von Geschäftsabläufen für den Fall, dass Mitarbeiter punktuell ausfallen bzw. unter Quarantäne gestellt werden;
  • Prüfung, ob Homeoffice vereinbart und eingerichtet werden kann;
  • Arbeitnehmer danach befragen, ob sie in den letzten 14 Tagen mit infizierten und/oder mit Personen, die unter Infektionsverdacht stehen bzw. in gefährdeten Gebieten waren, in Kontakt standen;
  • Notfallpläne für den Fall behördlich angeordneter Betriebsschließungen (Information von Arbeitnehmern und Geschäftspartnern, Not- und Erhaltungsarbeiten, Gewährleistung des Zahlungsverkehrs, etc.)

2. Welche Möglichkeiten hat ein Arbeitgeber, dem infolge der Pandemie Umsatzeinbußen drohen?

Besonders kleine und mittelständische Unternehmen fürchten die wirtschaftlichen Auswirkungen einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus. Kommt es zu erheblichen Umsatzeinbußen wegen ausbleibender Kunden, zu Personalausfällen oder Lieferengpässen, hat ein Arbeitgeber die folgenden Möglichkeiten, um die wirtschaftlichen Folgen für seinen Betrieb zu mildern:

  • Der Arbeitgeber könnte den Betrieb vorübergehend schließen. Jedoch trägt er das Wirtschaftsrisiko sowie das Betriebsrisiko aus § 615 Satz 3 BGB, er bleibt den arbeitsfähigen und arbeitsbereiten Beschäftigten weiterhin zur Entgeltzahlung verpflichtet. Vom Wirtschaftsrisiko spricht man, wenn die Fortsetzung des Betriebs wegen Auftrags- oder Absatzmangels wirtschaftlich sinnlos wird. Unter dem Betriebsrisiko ist das Risiko des Arbeitgebers zu verstehen, seinen Betrieb nicht mit den zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln betreiben zu können. Die Gründe dafür können im Betrieb selbst begründet liegen, aber auch von außen auf Betriebsmittel wirkende Umstände fallen darunter – beispielsweise die Einstellung des Betriebes im Anschluss an eine behördliche Anordnung (vgl. LAG Düsseldorf vom 05.06.2003, 11 Sa 1464/02, BeckRS 2003 30458254). Ob, wie in Italien, Finanzspritzen für die Wirtschaft bereitgestellt werden, um Unternehmen in dieser Lage zu helfen, ist offen.
  • Besteht hierzu eine entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag, kann der Arbeitgeber auch berechtigt sein, Kurzarbeit anzuordnen. Ohne eine entsprechende Rechtsgrundlage darf Kurzarbeit jedoch nicht lediglich im Wege des Direktionsrechts veranlasst werden. Die Arbeitnehmer sind im Falle der Kurzarbeit nicht schutzlos gestellt, denn sie können bei einem Arbeitsausfall mit Entgelteinbußen einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben. Ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld vorliegen, prüft die zuständige Agentur für Arbeit im Einzelfall. Die Bundesagentur für Arbeit hat bereits angekündigt, dass die Gewährung von Kurzarbeitergeld aufgrund von betrieblichen Schwierigkeiten infolge der weltweiten Ausbreitung von Corona grundsätzlich möglich ist. Es kann für eine Dauer von bis zu zwölf Monaten bewilligt werden und wird in derselben Höhe wie Arbeitslosengeld bezahlt.
  • Zwangsurlaub darf der Arbeitgeber dagegen nicht ohne weiteres anordnen. Zwar kann der Arbeitgeber bis zu 3/5 des Jahresurlaubs für Betriebsferien reservieren (BAG vom 28.07.1981, 1 ABR 79/79, NJW 1982, 959). Allerdings dürfte die Urlaubsplanung für das laufende Jahr bereits überwiegend erfolgt sein. Zudem unterliegt die Anordnung von Betriebsferien gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrates. Schließlich hat er dabei die Interessen der Arbeitnehmer ausreichend zu berücksichtigen. Ein Corona-Zwangsurlaub dürfte kaum in deren Interesse liegen und eher die Vermutung zulassen, dass der Arbeitgeber sein Betriebsrisiko auf die Beschäftigten abwälzen will.
  • Freizeitausgleich für Überstunden darf der Arbeitgeber dagegen anordnen, soweit hierzu keine abweichende Vereinbarung mit dem Betriebs- bzw. Personalrat besteht.

3. Haben Arbeitnehmer, die durch behördliche Anordnung unter Quarantäne stehen, einen Anspruch auf Lohnfortzahlung?

Hinsichtlich der Entgeltfortzahlung ist danach zu unterscheiden, ob ein Arbeitnehmer tatsächlich erkrankt ist oder ob er nur vorsorglich zur Verhütung von weiteren Erkrankungen unter Quarantäne gestellt wurde.

  • Arbeitnehmer, die infolge einer Infektion mit dem Coronavirus arbeitsunfähig erkrankt und somit an ihrer Arbeitsleistung verhindert sind, haben gemäß § 3 EFZG wie auch bei sonstigen Erkrankungen einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den Zeitraum von sechs Wochen. Nach diesem Zeitraum haben gesetzlich Krankenversicherte grundsätzlich Anspruch auf Krankengeld.
  • Arbeitnehmer, für die aus präventiven Gründen von einer Behörde ein Tätigkeitsverbot ausgesprochen wurde oder die sogar unter Quarantäne gestellt worden sind, erhalten eine Entschädigung nach § 56 IfSG. Für die ersten sechs Wochen wird sie in Höhe des Verdienstausfalls vom Arbeitgeber ausgezahlt, die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet. Nach Ablauf von sechs Wochen zahlt der Staat die Entschädigung in Höhe des Krankengeldes weiter.

Hinweis: Auch Selbstständige bekommen eine Entschädigungszahlung; sie beträgt ein Zwölftel des Arbeitseinkommens des letzten Jahres vor der Quarantäne. Laut § 56 Abs. 4 IfSG erhalten Selbständige, die einen Betrieb oder Praxis haben, zudem Ersatz der in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben in angemessenem Umfang von der zuständigen Behörde.

4. Darf ein Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer nach Hause schicken, wenn er den Verdacht hegt, diese könnten mit Corona infiziert sein?

Corona ist hoch ansteckend, bereits ein einziger infizierter Arbeitnehmer könnte leicht weitere Arbeitnehmer infizieren und infolgedessen einen erheblichen Personalausfall verursachen. Zum Schutz der anderen Mitarbeiter und Kunden kann der Arbeitgeber berechtigt sein, möglicherweise ansteckende Beschäftigte nach Hause zu schicken. Dabei ist aber Vorsicht geboten: Es bedarf für ein solches Vorgehen objektivierbarer Indizien für eine bestehende Infektionsgefahr. Ist der Arbeitnehmer tatsächlich krank, so hat er den Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Wird ein Arbeitnehmer nur wegen eines Verdachts nach Hause geschickt, ist aber völlig gesund, so hat er zeitlich unbegrenzt Anspruch auf Annahmeverzugslohn gemäß § 615 BGB. Der Arbeitgeber ist demnach schlecht beraten, ein Beschäftigungsverbot aus präventiven Gründen selbst auszusprechen. Für diesen Fall besteht jedenfalls kein Anspruch auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz. Ob der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer zum Betriebsarzt schicken darf, um zu klären, ob sie an Corona erkrankt sind, ist strittig. Teilweise wird eine solche Pflicht im Hinblick auf die nebenvertraglichen Rücksichtnahmepflichten des Arbeitnehmers aus § 241 Abs. 2 BGB bejaht. Da eine solche Pflicht zur Teilnahme an einer ärztlichen Untersuchung die Grundrechte der Arbeitnehmer nicht unerheblich berühren würde, wird sie bislang überwiegend abgelehnt.

5. Dürfen Arbeitnehmer aus Angst vor Ansteckung zuhause bleiben? Gibt es einen Anspruch darauf, vorsorglich vorübergehend im Homeoffice zu arbeiten?

Wenn der Kollege Anzeichen einer Infektion trägt oder der Beruf mit Kontakt zu fremden Menschen verbunden ist, stellt sich für einige Arbeitnehmer die Frage, ob sie nicht besser freiwillig zuhause bleiben sollten.

  • Im Arbeitsrecht gilt aber grundsätzlich: Ist ein Arbeitnehmer arbeitsfähig, hat er auch seine vertraglichen Pflichten zu erfüllen. Ein allgemeines Recht, aus präventiven Gründen nicht zu arbeiten, gibt es – auch in Zeiten von Corona – nicht. Anderes könnte für besonders gefährdete Arbeitnehmer gelten, sie könnten sich unter Umständen auf das Leistungsverweigerungsrecht aus § 275 Abs. 3 BGB berufen. Dieses Recht besteht aber nur dann, wenn dem Arbeitnehmer unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Arbeitgebers nicht zugemutet werden kann. Deshalb sollte die individuelle Gefahrenlage vor dem Fernbleiben sehr genau mit einem Arzt geklärt werden. Wichtig ist außerdem, dass § 275 Abs. 3 BGB neben dem Leistungsverweigerungsrecht keinen Entgeltfortzahlungsanspruch gewährt.
  • Einen gesetzlichen Anspruch, von zu Hause arbeiten zu dürfen, haben Arbeitnehmer nicht. Arbeitgeber dürfen die Arbeit vom Homeoffice aus auch nicht einseitig anordnen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen sich diesbezüglich also einigen; soweit in Betriebs- oder Personalrat existiert, gelten idealerweise entsprechende kollektivrechtliche Vereinbarungen.

6. Darf ein Arbeitnehmer zuhause bleiben, wenn die Betreuung oder Pflege seiner Kinder nicht anders gewährleistet werden kann? Muss ihm der Arbeitgeber währenddessen Gehalt zahlen?

Es kommt darauf an:

  • Schließen Schulen oder Kitas als Vorsichtsmaßnahme, haben Eltern deswegen nicht grundsätzlich ein Recht darauf, unter Fortzahlung des Gehaltes zuhause zu bleiben; sie müssen vielmehr in erster Linie versuchen, für Ersatz in der Kinderbetreuung zu sorgen. Wenn wirklich keine andere Betreuung möglich ist, kann § 616 BGB weiterhelfen. Danach wird ein Arbeitnehmer, der ohne eigenes Verschulden und aus einem persönlichen Grund für einen nicht erheblichen Zeitraum verhindert ist und nicht zur Arbeit kommen kann, seines Gehaltsanspruchs dadurch nicht verlustig. Allerdings ist es wegen § 619 BGB möglich, dass die Pflicht zur Gehaltsfortzahlung in einem solchen Fall arbeitsvertraglich ausgeschlossen ist. Dann bleibt dem Beschäftigten nur, sich Urlaub zu nehmen oder unbezahlt von der Arbeit freistellen zu lassen.
  • Ist das Kind eines Arbeitnehmers allerdings am Coronavirus erkrankt, hat der Arbeitnehmer ein Recht darauf, zu Hause zu bleiben und sein Kind zu pflegen. Je nachdem, was im Vertrag steht, müssen Arbeitgeber ihm dann trotzdem weiter Gehalt zahlen. Ist dies nicht der Fall, springen unter Umständen die Krankenkassen ein. Nach § 45 SGB V haben gesetzlich versicherte Eltern einen Zahlungsanspruch, wenn ihr gesetzlich versichertes Kind unter zwölf Jahre alt ist, nach ärztlichem Attest von ihnen beaufsichtigt, betreut oder gepflegt werden muss und berufstätige Eltern daher nicht ihrer Arbeit nachgehen können und keine andere im Haushalt lebende Person die Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege übernehmen kann. Jedes Elternteil kann Kinderkrankengeld für bis zu zehn Arbeitstage pro Kind und Jahr, Alleinerziehende für bis zu 20 Arbeitstage pro Kind und Jahr beanspruchen; insgesamt ist der Anspruch auf 25 Arbeitstage bzw. bei Alleinerziehenden auf 50 Arbeitstage begrenzt. Berechnungsgrundlage für das Kinderkrankengeld ist das während der Freistellung ausgefallene Arbeitsentgelt, es werden grundsätzlich 90 Prozent vom ausgefallenen Nettoarbeitsentgelt oder sogar bis zu 100 Prozent bei vorherigen Einmalzahlungen als Kinderkrankengeld gezahlt.

Nachtrag Stand 30. März 2020:

Neuer Erstattungsanspruch bei Kinderbetreuungskosten

Als Reaktion auf die Corona-Krise wurde eine Gesetzesänderung vorgenommen, nach der Eltern einen Entschädigungsanspruch erhalten, wenn sie wegen der notwendigen Betreuung ihrer Kinder einen Verdienstausfall erleiden. Der mit dem „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ neu eingefügte § 56 Abs. 1a IfSG sieht den Erstattungsanspruch unter folgenden Voraussetzungen vor:

  • die Betreuungseinrichtung oder die Schule wurde außerhalb der planmäßigen Schulferien von der zuständigen Behörde zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten vorübergehend geschlossen;
  • das betreffende Kind hat das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet oder es ist behindert und auf Hilfe angewiesen;
  • es kann keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sichergestellt werden;
  • durch die Eigenbetreuung erleidet der erwerbstätige Sorgeberechtigte, der den Anspruch geltend machen möchte, einen Verdienstausfall.

Nach § 56 Abs. 2 IfSG beträgt die Entschädigung 67 % des Verdienstausfalls, der dem Sorgeberechtigten infolge der Betreuung seines Kindes entstanden ist, höchstens aber 2.016,00 EUR im Monat; sie kann für längstens sechs Wochen gewährt werden.

Die meisten Eltern und darunter insbesondere die Alleinerziehenden, die die Betreuung ihrer Kinder aufgrund der Kita- und Schulschließungen nicht anders als durch die eigene Betreuung sicherstellen konnten, werden durch den Entschädigungsanspruch demnach erheblich entlastet. Nach der überholten Rechtslage hatten sie lediglich gegebenenfalls einen Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung gegen ihren Arbeitgeber aus § 616 BGB. Dieser Anspruch ist aber mit viel Unsicherheit verbunden: Zum einen kann er vertraglich ausgeschlossen sein und zum anderen sichert er die Fortzahlung des Gehaltes ohnehin nur für eine sehr begrenzte Dauer. Der neue Erstattungsanspruch ist demgegenüber unabhängig von arbeitsvertraglichen Regelungen und die Entschädigung kann für sechs Wochen, damit erheblich länger beansprucht werden. Weiterhin gilt aber: Wenn die Betreuung beispielsweise durch Partner, andere Familienmitglieder oder die den in sog. systemrelevanten Berufen tätigen Eltern weiterhin zur Verfügung stehenden Betreuungsmöglichkeiten organisiert werden kann, besteht kein Anspruch.


Falls Sie Hilfe bei der Prüfung der verwendeten Arbeitsverträge oder kollektivrechtlichen Vereinbarungen auf nun bestehende Handlungsmöglichkeiten benötigen, sprechen Sie uns gerne an.