Ein Drink im Homeoffice kann gefährlich sein

Die Arbeitswelt 4.0 verändert unser aller Leben. Während Desk-Sharing und Co-Working-Spaces noch in den Kinderschuhen stecken, hält das Homeoffice immer stärker Einzug in den Arbeitsalltag. Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, größere Flexibilität und ein hohes Maß an Selbstbestimmung sind unbestreitbare Vorteile der Arbeit im Homeoffice. Die Nachfrage ist groß und hat nunmehr die ersten Politiker veranlasst, über eine Gesetzesinitiative für einen Anspruch auf Homeoffice nachzudenken. Den wenigsten Arbeitnehmern dürfte aber bewusst sein, dass die Arbeit im Homeoffice nach der derzeitigen Rechtslage zu einem deutlich geringeren Schutz in der gesetzlichen Unfallversicherung führt.

Verletzt sich ein Arbeitnehmer in den betrieblichen Räumen des Arbeitgebers oder auf dem direkten Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, handelt es sich regelmäßig um einen Arbeitsunfall, dessen Folgen von der gesetzlichen Unfallversicherung gedeckt sind. Im Homeoffice gilt das nicht zwingend. So hat das Bundessozialgericht schon am 5. Juli 2016 (Az. B 2 U 5/15 R) entschieden, dass eine Arbeitnehmerin, die ihren Homeoffice-Arbeitsplatz in der oberen Etage des eigenen Wohnhauses verlassen hatte, um sich aus der einen Stock tiefer gelegenen Küche etwas zu trinken zu holen, auf dem Weg dorthin auf der Treppe ausrutschte und sich erhebliche Verletzungen zuzog, keinen Unfallversicherungsschutz hatte. Es handele sich nicht um einen Arbeitsunfall. Das Hinabsteigen der Treppe habe nicht in einem sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit gestanden. Die Arbeitnehmerin habe im Unfallzeitpunkt weder ihre Beschäftigung ausgeübt noch habe sie im Zusammenhang mit dieser einen Betriebsweg zurückgelegt. Vielmehr habe sie sich auf einem nichtversicherten Weg zum Ort der Nahrungsaufnahme befunden.

Unproblematisch zustimmen kann man dem Bundesozialgericht sicher darin, dass die Unterbrechung der Arbeit für eine Trinkpause keine Erfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten darstellt und sich der Unfall deshalb nicht in Ausübung der versicherten Beschäftigung ereignete.

Für viele überraschend war die Entscheidung deshalb, weil das Bundessozialgericht auch einen Wegeunfall ablehnte. Zu den Betriebswegen zählt jeder Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit. Dazu zählen nicht nur die Hin- und Rückfahrt zum und vom Betrieb nach Hause, sondern auch Wege im und außerhalb des Betriebs während einer Pause, um sich etwas zu essen oder trinken zu holen, die Toilette auszusuchen o.ä.. Das Bundessozialgericht zieht dabei aber eine deutliche Grenze zwischen dem häuslichen Bereich und dem versicherten Betriebsweg. Der Betriebsweg beginne grundsätzlich erst mit dem Durchschreiten der Außentür des Wohngebäudes. Diese Grenze sei im Interesse der Rechtssicherheit bewusst starr gezogen, weil sie an objektive Merkmale anknüpfe, die im Allgemeinen leicht feststellbar seien. Im Homeoffice könne ein Betriebsweg innerhalb des eigenen häuslichen Bereichs daher nur dann versichert sein, wenn der Beschäftigte diesen im unmittelbaren betrieblichen und nicht im eigenen wirtschaftlichen Interesse zurückgelegt habe. Hätte die Arbeitnehmerin also nicht den Arbeitsplatz verlassen, um etwas zu trinken, sondern um beispielsweise ein Arbeitsmittel aus dem unteren Stockwerk zu holen, wäre sie versichert gewesen, da sie dann in Ausübung ihrer Tätigkeit für den Arbeitgeber gehandelt hätte.

So verständlich das Interesse der Arbeitnehmer daran ist, während des ganzen Arbeitstages Versicherungsschutz zu genießen – und zwar auch im Homeoffice und während einer Trinkpause, so nachvollziehbar sind aber auch die Bedenken des Bundessozialgerichts zur Abgrenzung zwischen einem rein häuslichen, nicht gesetzlich versicherten Unfall und einem Arbeitsunfall. Denn das Homeoffice zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass der Arbeitnehmer den Arbeitstag jederzeit unterbrechen kann und darf, um sich privaten Tätigkeiten wie z.B. der Kinderbetreuung, dem Einkauf oder dem Haushalt zu widmen. Wäre jede dieser Tätigkeiten versichert, solange sich der Unfall nur zwischen der ersten Arbeitsaufnahme am Morgen und der letzten beruflichen Tätigkeit am Abend ereignete, so wäre das sicher zu weitgehend.

Aber was könnten taugliche Abgrenzungskriterien sein? Etwa die Dauer der Unterbrechung? Wohl eher nicht. Denn die Idee des Homeoffice wäre konterkariert, wenn der Arbeitnehmer immer mit der Stoppuhr überwachen müsste, wie lange er die Arbeit unterbricht. Und wie wäre der Fall zu beurteilen, wenn sich der Unfall gleich zu Beginn der Unterbrechung ereignete, die Unterbrechung aber für mehrere Stunden geplant war. Auch die Art der Tätigkeit, für die der Arbeitnehmer seine berufliche Tätigkeit unterbricht, erscheint kein praktikables Abgrenzungskriterium. Denn wer soll entscheiden, welche Aktivitäten privilegiert sind – d.h. den Versicherungsschutz nicht unterbrechen – und welche nicht?

Solange weder Rechtsprechung noch Gesetzgeber sinnvollere Abgrenzungsmöglichkeiten finden, bleibt es dabei, dass im Homeoffice letztlich nur die berufliche Tätigkeit selbst bzw. alle Wege im Homeoffice, die im Rahmen der beruflichen Tätigkeit zurückgelegt werden, versichert sind und jede Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit für eine private Handlung auch den Versicherungsschutz unterbricht. Dass dabei dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet ist, liegt auf der Hand. Denn diese Abgrenzung führt dazu, dass der unredliche, informierte Arbeitnehmer immer behaupten kann, aus beruflichen Gründen den Arbeitspatz verlassen zu haben. Damit es dazu gar nicht erst kommt, ist allen Arbeitnehmern im Homeoffice zu empfehlen, vorsorglich eine private Unfallversicherung abzuschließen. Arbeitgeber sollten in der Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer zum Homeoffice auf das Risiko hinweisen, sind dazu aber wohl nicht verpflichtet.

Nachtragsvereinbarungen: Wie sind Baustellengemeinkosten zu berücksichtigen

Das Thüringische Oberlandesgericht hat in seinem Urteil vom 22. Juni 2017 – 1 U 673/15 – Vorgaben für Nachtragsvergütungen von Bauleistungen aufgestellt, die Auftraggebern erhebliche Schwierigkeiten bereiten könnten. Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Beschluss vom 29. August 2018 – VII ZR 162/17 – diese Entscheidung durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde bestätigt. Ob diese Entscheidung verallgemeinert werden kann, darf allerdings bezweifelt werden. Die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde erfolgte allein wegen fehlenden Revisionsgründen.

1.
Hintergrund der Entscheidung war ein VOB-Vertrag über Umbau- und Instandsetzungsarbeiten. Durch diverse Nachträge für Leistungsänderungen erhöhte sich die Vergütung. Die vereinbarte Ausführungsfrist änderte sich trotz der Nachträge nicht. Über die Nachträge wurden Nachtragsvereinbarungen geschlossen. Diese enthielten je eine aus dem „Handbuch für die Vergabe und Ausführung von Bauleistungen im Straßenund Brückenbau“ des Bundesministeriums für Verkehr übernommene Regelung:

„Bei der Verhandlung der Preise dieses Nachtrags wurde ein Ausgleich der Baustellengemeinkosten und etwaiger auftragsbezogener Sonderkosten nicht berücksichtigt. Ein späterer Ausgleich bleibt vorbehalten.“

Im Rahmen der Schlussrechnungsprüfung kürzte der Auftraggeber auf der Grundlage der Vorbehaltsklausel in den Nachtragsvereinbarungen die Rechnungsforderung um den Betrag, der auf die Baustellengemeinkosten (BGK) der Nachtragsleistungen entfiel. Der Auftraggeber ging davon aus, dass bei Einhaltung der Bauzeit insgesamt auch keine höheren BGK als die für die ursprünglich kalkulierte Ausführungszeit angefallen sind.

Das OLG bestätigte diese Kürzung nicht und sprach dem Auftragnehmer die volle Nachtragsvergütung inklusive der BGK-Zuschläge zu. Die dazu vom OLG aufgestellten Leitsätze überzeugen jedoch nicht.

2.
Im 1. Leitsatz stellt das OLG fest, dass die Höhe der in einer Nachtragsvereinbarung vereinbarten Vergütung für die Ausführung einer geänderten oder zusätzlichen Leistung verbindlich ist und nicht an die Vergütung für den Hauptauftrag geknüpft sei.

a)
Dies ist bereits nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 5/ 6 VOB/B zweifelhaft. Nach der klaren Regelung ist der neue Preis „unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten“ bzw. „nach den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung und den besonderen Kosten“ zu bestimmen ist. Dies entspricht der kalkulatorischen Preisfortschreibung, die seit vielen Jahren ständige Rechtsprechung bei VOB-Verträgen ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 14. März 2013 – VII ZR 142/12).

Das Kammergericht hat diese ständige Rechtsprechung in seinem Urteil vom 10. Juli 2018 – 21 U 30/17 – infrage gestellt. Die Revision gegen diese Entscheidung ist beim BGH zum Aktenzeichen VII ZR 164/18 anhängig. Es wird abzuwarten bleiben, ob der BGH diesbezüglich an seiner ständigen Spruchpraxis festhält. Das Vergütungssystem der VOB/B ist seit vielen Jahren von dieser Art der Preisermittlung geprägt, die gesamte Bauwirtschaft hat sich darauf eingestellt und es ist nicht erkennbar, weshalb davon abgewichen werden soll.

Der Bundesgesetzgeber hat sich in dem zum 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Bauvertragsrecht ausdrücklich von diesem Vergütungssystem für Leistungsänderungen verabschiedet und ein alternatives Vergütungsmodell nach den tatsächlich erforderlichen Kosten eingeführt. Für die VOB-Verträge gilt dies jedoch zunächst nicht, sodass das System der Preisfortschreibung nach wie vor Gültigkeit hat.

b)
Die Auffassung des OLG widerspricht auch der Entscheidung des BGH vom 24. April 2005 – X ZR 166/04. In dieser Entscheidung hat der BGH zutreffend festgestellt, dass der Auftraggeber dieselbe Leistung in der Regel nicht ein zweites Mal aufgrund einer Nachtragsvereinbarung bezahlen muss, die bereits nach dem Ursprungsvertrag geschuldet ist (vgl. auch BGH, Urteil vom 10. Juni 2003 – X ZR 86/01). Nachtragsvereinbarungen können nur dann einen Vergütungsanspruch begründen, wenn der Auftraggeber mit ihnen die Vergütungsforderung des Auftragnehmers selbstständig anerkennt oder die Parteien einen Vergleich über die streitige Forderung treffen. Dies ist in den vorliegenden Nachtragsvereinbarungen gerade nicht erfolgt, da mit dem darin enthaltenen Vorbehalt die Option zur Klärung hinsichtlich der Baustellengemeinkosten gerade offengehalten werden sollte.

Der BGH hatte mit seiner Entscheidung vom 24. April 2005 – X ZR 166/04 der entgegenstehenden Ansicht des Kammergerichts (Urteil vom 14. November 2004 – 10 U 300/03), dass eine Nachtragsvereinbarung verbindlich eine Vergütungsforderung regelt, auch wenn die Leistung zum Ursprungsvertrag gehörte, eine Absage erteilt.

Vor diesem Hintergrund überrascht die Entscheidung des Thüringischen Oberlandesgerichts, die sich zu der BGH-Rechtsprechung in Widerspruch setzt.

c)
Vor dem Hintergrund der Entscheidung des BGH vom 26. April 2005 – X ZR 166/04 – muss der Auftraggeber eine doppelte Vergütung trotz Nachtragsvereinbarung nicht zahlen, sofern die Leistung bereits mit dem Hauptauftrag abgegolten ist. Für die Baustellengemeinkosten kann dies angenommen werden, da diese für die ursprüngliche Leistungserbringung und damit für die ursprüngliche Leistungszeit mit den Vertragspreisen des Hauptvertrages abgegolten sind. Baustellengemeinkosten sind solche Kosten, die nicht unmittelbar einer Teilleistung zugeordnet werden können, sondern die für mehrere Positionen, für einzelne Gewerke und für die Gesamtbaustelle entstehen (Kapellmann/Schiffers/Markus, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Bd. 1, 7. Auflage 2017, Rn. 10). Dazu gehören regelmäßig zeitabhängige Kosten wie Baustelleneinrichtung, Bauleiter etc. Bei Einhaltung der Bauzeit erhöhen sich diese Kosten zunächst einmal nicht. Die Frage danach, wer den Nachweis der Änderung der BGK durch die Nachtragsleistungen zu erbringen hat, beantwortete das OLG durch den 2. Leitsatz.

3.
Im 2. Leitsatz beschrieb das Thüringische Oberlandesgericht, dass infolge des vereinbarten Vorbehalts eines Gemeinkostenausgleichs der Auftraggeber die Beweislast dafür trägt, dass durch die Nachtragsleistungen bei Einhaltung der vereinbarten Bauzeit keine zusätzlichen Gemeinkosten gegenüber dem Hauptvertrag verursacht worden.

Auch wenn das Thüringische Oberlandesgericht im 3. Leitsatz zutreffend beschreibt, dass die Bauzeit nur ein Faktor für die Bemessung der BGK ist, so wäre es gleichwohl sachgerecht, dass der Auftragnehmer den gegenüber dem Hauptvertragspreis behaupteten erhöhten Aufwand für die BGK für die Nachtragsleistungen darlegt und beweist.

Dies ließe sich in der vorliegenden Konstellation der abgeschlossenen Nachtragsvereinbarungen ggf. über die sekundäre Darlegungslast des Auftragnehmers begründen. Diese liegt immer dann vor, wenn die nähere Darlegung der primär darlegungsbelasteten Parteien nicht möglich oder zumutbar ist, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH, Urteil vom 10. Februar 2015 – VI ZR 143/13). Dem Auftragnehmer ist es ein Leichtes, seine Kalkulation für die BGK darzustellen und ggf. entstandene Mehrkosten nachzuweisen.

Da dies jedoch nicht sichergestellt ist, empfehlen sich rechtssichere Regelungen im Vertrag oder in den Nachtragsvereinbarungen.

Vor dem Hintergrund der vorliegenden Entscheidungen empfiehlt sich für Bauherren auch, die Nachtragsvereinbarung lediglich zu den Einzelkosten der Teilleistungen und einem Nachweiserfordernis hinsichtlich zusätzlich entstehender Gemeinkosten abzuschließen.

Ob eine solche Vereinbarung noch dem Regelungsinhalt der §§ 2 Abs. 5/ 6 VOB/B entspricht und damit keinen Eingriff in die VOB darstellt, wird gegebenenfalls durch die Rechtsprechung zu prüfen sein. Da in den Vergütungsregelungen der VOB/B stets die Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten enthalten ist, kann dies durchaus auch auf die Mehr- oder Minderkosten der Gemeinkosten bezogen werden.

4.
Der Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA) will die VOB/B trotz des in Kraft getretenen Bauvertragsrechts zunächst nicht ändern (Pressemitteilung Nummer 019/18 des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 24. Januar 2018).

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat durch seinen Erlass BI7-81063.7/0 vom 18. Mai 2017 klargestellt, dass auch nach der Einführung des Bauvertragsrechts im BGB die öffentlichen Auftraggeber zur Anwendung der VOB/B verpflichtet bleiben. Dies folgt aus der verpflichtenden Ausschreibung von Bauleistungen nach VOB/A, die in § 8 Abs. 3 VOB/A (EG) zwingend die Vereinbarung der VOB/B vorschreibt.

Insofern wird die Diskussion zu derartigen Themen aus Nachtragsforderungen in VOBVerträgen wird den Juristen noch lange erhalten bleiben.