Windkraft-Moratorium verlängert – Überblick über die Folgen für die fünf Regionalen Planungsgemeinschaften in Brandenburg

Am 16. Juni 2021 hat der Landtag des Landes Brandenburg das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Regionalplanung und zur Braunkohlen- und Sanierungsplanung (RegBkPlG) verabschiedet. Das Gesetz ist seit dem 25. Juni 2021 in Kraft (GVBl. I/21, [19]).

Neben Änderungen bei der Zusammensetzung der Regionalversammlung (Erhöhung der Anzahl der Mitglieder auf 70, Vertretung aller amtsfreien Gemeinden und Ämter) ist Kern der Neuregelung die Verlängerung des sogenannten Windkraft-Moratoriums (§ 2c Abs. 1 RegBkPlG). Danach ist die Errichtung von Windenergieanlagen in Gebieten, in denen die Regionalpläne zur Steuerung der Windenergie vom Oberverwaltungsgericht gekippt worden sind, zur Sicherung der Aufstellung neuer Regionalpläne unzulässig. Das Moratorium galt bisher für die Dauer von zwei Jahren und kann nunmehr zwei Mal um ein weiteres Jahr verlängert werden.

Die Verlängerung war erforderlich, da keine der Regionalen Planungsgemeinschaften im Land Brandenburg, deren alte Regionalpläne zur Steuerung der Windenergienutzung vom Oberverwaltungsgericht gekippt worden waren (Regionale Planungsgemeinschaft Havelland-Fläming, Prignitz-Oberhavel, Lausitz-Spreewald, Uckermark-Barnim), innerhalb der kurzen Frist und aufgrund der coronabedingten Einschränkungen neue Pläne aufstellen konnte. 

Für die insgesamt fünf Planungsgemeinschaften in Brandenburg und den Ausbau der Windenergie bedeutet die Neuregelung im Einzelnen Folgendes:

Regionale Planungsgemeinschaft Havelland-Fläming (betrifft die Landkreise Potsdam-Mittelmark, Havelland, Teltow-Fläming und die Städte Potsdam und Brandenburg an der Havel): Für die Region Havelland-Fläming gilt seit dem 24. Juli 2019 das Windkraft-Moratorium. Dies wäre am 23. Juli 2021 ausgelaufen, konnte aufgrund der gesetzlichen Neuregelung aber um ein Jahr, also zunächst bis 23. Juli 2022, verlängert werden (ABl. Bbg. Nr. 27 vom 14. Juli 2021, S. 595). Die Regionalversammlung hat in ihrer letzten Sitzung am 17. Juni 2021 den Arbeitsstand zum neuen Regionalplan Havelland-Fläming 3.0 gebilligt. Voraussichtlich im November soll der Regionalplanentwurf vorliegen und dann zur Träger- und Öffentlichkeitsbeteiligung freigegeben werden.

Regionale Planungsgemeinschaft Prignitz-Oberhavel (betrifft die Landkreise Oberhavel, Ostprignitz-Ruppin und Prignitz): Für die Region Prignitz-Oberhavel gilt seit dem 7. August 2019 das Windkraft-Moratorium. Es wäre am 6. August 2021 ausgelaufen, konnte aufgrund der Neuregelung aber bereits um ein Jahr verlängert werden und endet jetzt erst am 6. August 2022 (ABl. Bbg. Nr. 27 vom 14. Juli 2021, S. 595). Der neue Entwurf des Regionalplans Prignitz-Oberhavel – Sachlicher Teilplan „Windenergienutzung“ liegt derzeit zur Öffentlichkeitsbeteiligung aus.  

Regionale Planungsgemeinschaft Lausitz-Spreewald (betrifft die Landkreise Oberspreewald-Lausitz, Dahme-Spreewald, Elbe-Elster, Spree-Neiße und die Stadt Cottbus): Das bisherige Windkraft-Moratorium für die Region Lausitz-Spreewald endet am 7. Oktober 2022. Es ist davon auszugehen, dass die Regionale Planungsgemeinschaft von der Verlängerungsmöglichkeit Gebrauch machen wird.

Regionale Planungsgemeinschaft Uckermark-Barnim (betrifft die Landkreise Uckermark und Barnim): Nachdem das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg den alten Regionalplan im März 2021 für unwirksam erklärt hatte, hat auch die RPG Uckermark-Barnim das Verfahren zur Neuaufstellung eines Regionalplans zur Steuerung der Windenergienutzung eingeleitet und die Planungsabsichten und voraussichtlichen Kriterien bekannt gemacht (ABl. Bbg. vom 28.7.2021, S. 629). Damit greift nun auch in dieser Region das Windkraft-Moratorium. Es endet voraussichtlich am 27. Juli 2023.

Regionale Planungsgemeinschaft Oderland-Spree (betrifft die Landkreise Märkisch-Oderland, Oder-Spree und die Stadt Frankfurt (Oder):  Gegen den geltenden Regionalplan Oderland-Spree sind mehrere Normenkontrollverfahren beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg anhängig. Eine Entscheidung wird für das 4. Quartal 2021 erwartet. Es ist davon auszugehen, dass auch in dieser Region im kommenden Jahr das Windkraft-Moratorium eingreifen wird.

Die Verlängerung des Windkraft-Moratoriums wird den Ausbau der Windenergie im Land Brandenburg zweifellos weiter bremsen. Der § 2c RegBkPlG bedeutet aber nicht, dass in Brandenburg in diesem und in den nächsten Jahren gar keine Windenergieanlagen errichtet werden können. Denn das Windkraft-Moratorium greift weder bei Windenergieanlagen, die schon vor Erlass des Windkraft-Moratoriums genehmigt worden sind und nunmehr errichtet werden, noch bei Windenergieanlagen, die auf der Grundlage der Festsetzungen eines wirksamen Bebauungsplans zulässig sind. Zudem sind für Einzelfälle auch Ausnahmen von dem Windkraft-Moratorium möglich, wenn die Genehmigung der Windenergieanlagen den in Aufstellung befindlichen Zielen der Raumordnung nicht entgegensteht oder wenn die geplanten Windenergieanlagen in einem künftigen Eignungsgebiet für die Windenergienutzung liegen, § 2 Abs. 2 RegBkPlG.

Dies erklärt, warum nach aktuellen Presseberichten trotz der schwierigen Rechtslage in Brandenburg im ersten Halbjahr 2021 bereits 40 neue Windenergieanlagen errichtet worden sind und damit deutlich mehr als im gesamten Jahr 2020. Brandenburg liegt damit beim Ausbau der Windenergie im bundesweiten Vergleich auf Platz 2. Mehr Windenergieanlagen wurden nur in Niedersachen errichtet. 

Wichtige Aktualisierung:

Zwischenzeitlich wurde das Moratorium für Brandenburg aufgehoben. Im Amtsblatt Brandenburg vom 16.11.2022 heißt es auf S. 899 zur Begründung: „Das Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land vom 20. Juli 2022 (BGBl. I S. 1353) entzieht den durch die vorgenannten Bekanntmachungen der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung Berlin-Brandenburg ausgelösten befristeten Genehmigungsverboten nach § 2c Absatz 1 des Gesetzes zur Regionalplanung und zur Braunkohlen- und Sanierungsplanung (RegBkPlG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Februar 2012 (GVBl. I Nr. 13), das zuletzt durch Gesetz vom 23. Juni 2021 (GVBl. I Nr. 19) geändert worden ist, die Grundlage. Bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land am 1. Februar 2023 steht fest, dass selbst bei Anwendung der im neuen Bundesrecht vorgesehenen Überleitungsregelungen in keiner Region die bisher durch § 2c Absatz 1 Satz 3 und 4 RegBkPlG gesicherten Rechtswirkungen des § 35 Absatz 3 Satz 3 des Baugesetzbuchs erreicht werden können. Die Rechtsgrundlage für ein das gesamte Gebiet einer Region betreffendes vorläufiges Genehmigungsverbot ist damit entfallen. Dies gilt entsprechend auch für landesplanerische Untersagungen im Einzelfall nach Artikel 14 des Landesplanungsvertrags, die auf Grund der neuen Rechtslage ebenfalls nicht in Betracht kommen.“ Alle fünf Regionalen Planungsgemeinsschaften sind derzeit dabei, neue Regionalpläne zur Erfüllung der Vorgaben des neuen WindBG aufzustellen.

Gerichtlicher Hinweisbeschluss vom 14.9.2020 zur voraussichtlichen Unwirksamkeit des Regionalplans „Uckermark-Barnim“, Sachlicher Teilregionalplan „Windnutzung, Rohstoffsicherung und -gewinnung“

Das gab es soweit ersichtlich noch nie in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg: erst wird aus einer ursprünglich anberaumten mündlichen Verhandlung zu einem Regionalplan – wohl coronabedingt – ein nicht öffentlicher Erörterungstermin und dann ergeht in der Sache vorerst kein Normenkontrollurteil, sondern ein 267 Randnummern umfassender Hinweisbeschluss. Letzterer wurde jetzt sogar veröffentlicht (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss 14.9.2020, Az. OVG 10 A 17.17, abrufbar unter: http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/).

Gegen den Regionalplan „Uckermark-Barnim“ hatten mehrere Gemeinden und Windenergieanlagenbetreiber Normenkontrolle erhoben. Der 10. Senat des OVG Berlin-Brandenburg hat in seinem Hinweisbeschluss nun deutlich gemacht, dass gegen die Rechtmäßigkeit des Sachlichen Teilregionalplans „Windnutzung, Rohstoffsicherung und -gewinnung“ der Regionalen Planungsgemeinschaft Uckermark-Barnim, der seit dem 18. Oktober 2016 in Kraft ist, rechtliche Bedenken bestehen. Die Bekanntmachungen zu den öffentlichen Auslegungen erweisen sich nach Ansicht des Senats als fehlerhaft, weil sie unzulässige Einschränkungen enthielten (Beschränkung auf schriftliche Stellungnahmen bzw. Abgabe auf elektronischem Weg; Einschränkungen für sog. Masseneinwendungen). Zudem leide der Plan an einem Ausfertigungsfehler, der zu weiteren Folgefehlern führe. Materiell rechtlich seien Fehler bei der Differenzierung zwischen sogenannten „harten“ und „weichen“ Tabuzonen gemacht worden, insbesondere widerspreche die einheitliche Einordnung des 800-Meter-Abstandes zur Wohnbebauung als „weiches“ Tabukriterium der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Regionalplan leidet mithin an Fehlern, an denen auch schon die Regionalpläne Havelland-Fläming und Lausitz-Spreewald gescheitert sind. Der 10. Senat konnte sich insofern weitestgehend auf die Ausführungen des 2. Senats zu den vorgenannten Regionalplänen stützen (OVG 2 A 2.16 und OVG 2 A 4.19) und zum Ausdruck bringen, dass er diese für „überzeugend“ hält.

Neu sind hingegen die Ausführungen des 10. Senats zu geschützten Waldgebieten und zu Denkmalbereichen. Deren Einstufung als „harte“ Tabuzonen unterliegen nach der vorläufigen Einschätzung des 10. Senats im vorliegenden konkreten Fall keinen rechtlichen Bedenken. Dies ist insofern keineswegs selbstverständlich, weil andere Gerichte diese Bereiche mit Hinweis auf die Möglichkeit von Ausnahmen und Befreiungen bisher gerade nicht den „harten“ Tabuzonen zugerechnet hatten.

Warum es für die Prozessbeteiligten – wie es einleitend im Hinweisbeschluss heißt – „zweckmäßig“ sein soll, die vorläufige Einschätzung des Senats im Internet veröffentlicht zu finden, bleibt das Geheimnis des 10. Senats. Zu mehr Rechtssicherheit dürfte dieser „Überraschungscoup“ wohl eher nicht beitragen. Jedenfalls wirft die Vorgehensweise sowohl bei den Genehmigungsbehörden, die über Windenergieanlagen in der Region zu entscheiden haben, bei den Standortgemeinden, die ihr gemeindliches Einvernehmen erteilen oder versagen sollen, aber auch bei den Windenergieanlagenbetreiber zahlreiche Fragen auf. Denn der Regionalplan ist mit dem Beschluss ja nicht „gekippt“, sondern förmlich noch in der Welt. Gleichzeitig sind die rechtlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit bekannt gemacht worden. Wie das Landesamt für Umwelt als Genehmigungsbehörde damit nun umgehen wird, bleibt abzuwarten. Eine Normverwerfungskompetenz steht dem Amt weiterhin nicht zu. Ob nunmehr von einer „offensichtlichen“ Unwirksamkeit des Regionalplans auszugehen ist, die dazu führen könnte, dass die Behörden diesen nicht anzuwenden brauchen bzw. diesen nicht mehr anwenden dürfen, wird sicher in den nächsten Wochen und Monaten stark diskutiert werden. Zu erwarten sind zahlreiche neue Rechtsstreitigkeiten, die dann übrigens – wenn das Investitionsbeschleunigungsgesetz in Kraft tritt – direkt vom Oberverwaltungsgericht als Eingangsinstanz bewältigt werden müssten.

Das sog. Windkraft-Moratorium (§ 2c Abs. 1 RegBkPlG), wonach Windenergieanlagen unter den dort genannten Voraussetzungen für 2 Jahre vorläufig unzulässig sind, dürfte vorliegend jedenfalls nicht eingreifen. § 2c Abs. 1 RegBkPlG setzt nämlich voraus, dass sich „ein Regionalplan mit Festlegungen von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung durch rechtskräftige Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts als unwirksam erwiesen hat“. Und eine solche Entscheidung liegt hier noch nicht vor.

Die Regionale Planungsgemeinschaft wäre insofern gut beraten, nicht erst das „eigentliche Urteil“ abzuwarten, sondern schnellstmöglich mit der Heilung der vom Senat aufgeführten Form- und Verfahrensfehler zu beginnen und den Regionalplan erneut in Kraft zu setzen, um die Steuerungswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB (Ausschlusswirkung außerhalb der ausgewiesenen Eignungsgebiete) aufrecht zu erhalten. Nach den Hinweisen des Senats müsste sich an der Windeignungsgebietskulisse dabei im Ergebnis gar nichts ändern. Jedenfalls hat das Gericht deutlich gemacht, dass die Regionalplanung der Windenergie mit den im Plan ausgewiesenen Eignungsgebietsflächen ausreichend substantiell Raum einräumt.

Beratung zum Thema: Dr. Reni Maltschew