Bezahlte Freistellung nach den Corona-Kita- und Schulschließungen (aktualisiert am 30. März 2020)

Was noch wenigen Wochen als weit entferntes Worst-Case-Szenario erschien, ist jetzt Realität geworden: Schulen und Kitas sind flächendeckend geschlossen. Viele Beschäftigte können ihrer Arbeitsverpflichtung wegen der Betreuung ihrer Kinder nicht mehr oder nicht mehr voll nachkommen. Muss der Arbeitgeber ihnen trotzdem das volle Gehalt bezahlen?


Neuer Erstattungsanspruch bei Kinderbetreuungskosten

Als Reaktion auf die Corona-Krise wurde eine Gesetzesänderung vorgenommen, nach der Eltern einen Entschädigungsanspruch erhalten, wenn sie wegen der notwendigen Betreuung ihrer Kinder einen Verdienstausfall erleiden. Der mit dem „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ neu eingefügte § 56 Abs. 1a IfSG sieht den Erstattungsanspruch unter folgenden Voraussetzungen vor:

  • die Betreuungseinrichtung oder die Schule wurde außerhalb der planmäßigen Schulferien von der zuständigen Behörde zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten vorübergehend geschlossen;
  • das betreffende Kind hat das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet oder es ist behindert und auf Hilfe angewiesen;
  • es kann keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sichergestellt werden;
  • durch die Eigenbetreuung erleidet der erwerbstätige Sorgeberechtigte, der den Anspruch geltend machen möchte, einen Verdienstausfall.

Nach § 56 Abs. 2 IfSG beträgt die Entschädigung 67 % des Verdienstausfalls, der dem Sorgeberechtigten infolge der Betreuung seines Kindes entstanden ist, höchstens aber 2.016,00 EUR im Monat; sie kann für längstens sechs Wochen gewährt werden.

Die meisten Eltern und darunter insbesondere die Alleinerziehenden, die die Betreuung ihrer Kinder aufgrund der Kita- und Schulschließungen nicht anders als durch die eigene Betreuung sicherstellen konnten, werden durch den Entschädigungsanspruch demnach erheblich entlastet. Nach der überholten Rechtslage hatten sie lediglich gegebenenfalls einen Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung gegen ihren Arbeitgeber aus § 616 BGB. Dieser Anspruch ist aber mit viel Unsicherheit verbunden: Zum einen kann er vertraglich ausgeschlossen sein und zum anderen sichert er die Fortzahlung des Gehaltes ohnehin nur für eine sehr begrenzte Dauer. Der neue Erstattungsanspruch ist demgegenüber unabhängig von arbeitsvertraglichen Regelungen und die Entschädigung kann für sechs Wochen, damit erheblich länger beansprucht werden. Weiterhin gilt aber: Wenn die Betreuung beispielsweise durch Partner, andere Familienmitglieder oder die den in sog. systemrelevanten Berufen tätigen Eltern weiterhin zur Verfügung stehenden Betreuungsmöglichkeiten organisiert werden kann, besteht kein Anspruch.


Der Grundsatz:

Der Arbeitnehmer behält für kurze Zeit seinen Lohnanspruch.

Aus § 616 Satz 1 BGB ergibt sich, dass Beschäftigte ihres Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig werden, dass sie für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit ohne eigenes Verschulden an der Dienstleistung verhindert sind. Kann die Kinderbetreuung also tatsächlich nicht anders gewährleistet werden, kann ein Beschäftigter demnach also für kurze Zeit zuhause bleiben, der Arbeitgeber muss ihm grundsätzlich dennoch sein ungekürztes Gehalt zahlen. Wie lange der Gehaltsanspruch trotz ausbleibender Arbeitsleistung weiterbesteht, ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ist in einer Meldung vom 15. März 2020 von zwei bis drei, maximal aber fünf Tagen ausgegangen. Die Rechtsprechung ist in dieser Frage ebenfalls nicht eindeutig, häufig wird in diesem Zusammenhang auch die Dauer des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt. Kann die Betreuung innerhalb dieses Zeitraums nicht anders organisiert werden und bleibt die Arbeitsleistung mit der Kinderbetreuung unvereinbar, beispielsweise weil eine Home Office-Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und dem Beschäftigten nicht möglich oder aber nicht durchführbar ist, bleibt dem Arbeitnehmer nur, sich Urlaub zu nehmen oder unbezahlt von der Arbeit freistellen zu lassen.

Wann dieser Grundsatz nicht gilt:

  • Ein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung besteht nur dann, wenn der Beschäftigte eine Kinderbetreuung nicht anderweitig gewährleisten kann, etwa durch den Partner oder andere Familienmitglieder. Eltern in sog. systemrelevanten Berufen haben nach den jeweils einschlägigen landesrechtlichen Regelungen Anspruch auf eine Notbetreuung, damit sie ihrer Arbeit weiterhin nachgehen können (vgl. hierzu die für Berlin geltende Liste).
  • § 616 BGB kann durch Arbeits- oder Tarifvertrag modifiziert werden. Rechtlich zulässig ist sogar ein vollständiger Ausschluss. In Tarifverträgen können sich ebenfalls Regelungen für eine zeitlich begrenzte bezahlte Freistellung oder bezahlten Sonderurlaub finden (vgl. dazu das aktuelle Rundschreiben des BMI für den Bereich des öffentlichen Dienstes).

Die aktuelle Situation stellt Arbeitgeber und Beschäftigte gleichermaßen vor neue Herausforderungen. Sprechen Sie uns gern für Ihre individuelle Lösung an.