Erbausschlagung wegen vermuteter Überschuldung – wann ein Irrtum zur Anfechtung berechtigt

Zwei aktuelle Gerichtsentscheidungen zeigen: Wer eine Erbschaft vorschnell ausschlägt, weil er von einer Überschuldung des Nachlasses ausgeht, kann diese Entscheidung später nur unter engen Voraussetzungen rückgängig machen – und doch noch Erbe werden. Die Sachverhalte machen deutlich, wie entscheidend eine fundierte Einschätzung des Nachlasses ist – und wann sich rechtliche Beratung lohnt.

OLG Frankfurt: Anfechtung bei Fehlvorstellung über Nachlasszusammensetzung möglich

In einem vom OLG Frankfurt (Beschluss vom 24. Juli 2024 – 21 W 146/23) entschiedenen Fall hatte die Tochter das Erbe ihrer Mutter ausgeschlagen, da sie aufgrund familiärer Vorerfahrungen, der prekären Wohnverhältnisse der Erblasserin sowie polizeilicher Hinweise fälschlich davon ausgegangen war, dass ihre Mutter über keinerlei Vermögenswerte verfügte. Erst Monate später wurde ihr durch den Nachlasspfleger mitgeteilt, dass Kontoguthaben in Höhe von über 70.000 € existierten.

Das Gericht erblickte in diesem Fall einen beachtlichen Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses im Sinne der §§ 1954, 119 Abs. 2 BGB, konkret über dessen tatsächliche Zusammensetzung (Vorhandensein von Kontoguthaben). Weil die Tochter aber nicht bloß „ins Blaue hinein“ die Ausschlagung erklärt hatte, sondern sich – wenn auch auf fehlerhafte Weise – zuvor über den Nachlass informiert hatte, ließ das Gericht die Anfechtung der Ausschlagung zu. Sie wurde letztlich Alleinerbin.

OLG Zweibrücken: Keine Anfechtung bei fehlender Kausalität des Irrtums

Nicht ganz so glimpflich ging hingegen ein vom OLG Zweibrücken (Beschluss vom 14. August 2024 – 8 W 102/23) entschiedener Fall aus: Hier hatte eine Erbin das Erbe ebenfalls wegen vermuteter Überschuldung ausgeschlagen. Später stellte sich heraus, dass ein kleines Bankguthaben vorhanden war, von dem die Erbin vor der Ausschlagung nichts wusste. Zudem konnte die ebenfalls zum Nachlass gehörende Immobilie, deren Wert die Erbin vor der Ausschlagung falsch eingeschätzt hatte, zu einem Preis veräußert werden, der die zum Nachlass gehörenden Verbindlichkeiten der Erblasserin am Ende deutlich überstieg.

Eine Anfechtung der Ausschlagung ließ das Gericht nicht zu. Es erkannte zwar den Irrtum über das Vorhandensein des Bankguthabens an, bewertete ihn aber als nicht kausal für die Ausschlagung. Denn da die Erbin fälschlich von einem zu geringen Wert der Immobilie ausgegangen war, hätte das zusätzlich vorhandene Bankguthaben aus ihrer damaligen Sicht am Ergebnis – Überschuldung des Nachlasses – nichts geändert. Damit lag kein entscheidungserheblicher Irrtum vor. Die Ausschlagung blieb wirksam.

III. Was bedeutet das für Erben?

Die Entscheidungen machen deutlich: Eine voreilige Erbausschlagung kann weitreichende Folgen haben – besonders, wenn sich später die Werthaltigkeit des Nachlasses herausstellt. Eine nachträgliche Anfechtung der Ausschlagung, um doch noch Erbe zu werden, ist in diesem Fall nur unter engen Voraussetzungen möglich. Entscheidend ist:

  • Lag ein Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses oder nur über dessen Wert vor?
  • War der Irrtum für die Entscheidung, das Erbe auszuschlagen, kausal, d.h. maßgeblich oder zumindest mitursächlich?
  • Wurden naheliegende Informationsquellen genutzt, um sich einen Überblick über den Nachlass zu verschaffen?

Gerade in emotional belastenden Situationen – etwa nach dem Tod naher Angehöriger – sind klare Entscheidungen oft schwer zu treffen. Umso wichtiger ist es, sich vor Ausschlagung einer Erbschaft rechtlich beraten zu lassen, um mögliche Risiken und Handlungsalternativen frühzeitig zu erkennen. Hierbei unterstützen wir Sie gern.

Bekanntmachungen nur noch im Internet – Geht das?

Viele Gemeinden sind derzeit dabei, ihre Hauptsatzungen zu ändern und vor allem die Form der ortsüblichen Bekanntmachungen neu zu regeln oder planen entsprechende Schritte. Neben dem Ziel, die Verwaltung zu modernisieren und stärker zu digitalisieren, geben auch die bestehenden hohen rechtlichen Anforderungen an die Bekanntmachung Anlass, über eine Vereinfachung nachzudenken (vgl. nur die verschiedenen Vorgaben an das Amtsblatt in den Bekanntmachungs- bzw. Durchführungsverordnungen der einzelnen Bundesländer).

Statt ortsübliche Bekanntmachungen von Satzungen oder beispielsweise die Tagesordnungen zu den Gemeindevertretersitzungen künftig weiterhin in Bekanntmachungskästen oder im Amtsblatt zu veröffentlichen, wäre es da nicht viel einfacher und vielleicht auch sicherer, in der Hauptsatzung zu bestimmen, dass ortsübliche Bekanntmachungen künftig nur noch im Internet erfolgen sollen? Einfacher ganz sicher. Aber Vorsicht! Rechtlich dürfen einige Bekanntmachungen, etwa die zur Öffentlichkeitsbeteiligung in Bauleitplanverfahren nach § 3 Abs. 2 BauGB nur „zusätzlich“, nicht aber ausschließlich im Internet bekannt gemacht werden. Mehrere Oberverwaltungsgerichte hatten aufgrund der Formulierung („zusätzlich“ in § 3 Abs. 2 S. 5 HS 1 BauGB bzw. vormals „ergänzend“) entschieden, dass eine Bekanntmachung allein im Internet unzulässig sei.

Zu Recht warnen die für die Kommunalaufsicht zuständigen Ministerien daher in aktuellen Rundschreiben und Erlassen nach Inkrafttreten der BauGB-Digitalisierungsnovelle davor, Bekanntmachungen nach dem BauGB, insbesondere die zur Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 Abs. 2 BauGB, ausschließlich im Internet zu veröffentlichen und undifferenzierte Bekanntmachungsregelungen in der Hauptsatzung zu treffen (vgl. für Brandenburg den Newsletter 4/2024 der Kommunalaufsicht des Ministeriums des Innern und für Kommunales vom 16.12.2024, S. 8; für Thüringen das Rundschreiben an die kreisfreien Städte und Landratsämter im Freistaat Thüringen vom 20.12.2024 mit einer guten Zusammenfassung der Rechtslage; für Mecklenburg-Vorpommern den Einführungserlass des Landes Mecklenburg-Vorpommern zum Gesetz zur Stärkung der Digitalisierung im Bauleitplanverfahren und zur Änderung weiterer Vorschriften (Bekanntmachung des Ministeriums für Inneres, Bau und Digitalisierung MV vom 8.10.2024, II-512-00000-2023/015-006, dort S. 6).

Wir können uns der Warnung nur anschließen und empfehlen dringend, von einer undifferenzierten Bekanntmachungsregelung in der Hauptsatzung, wonach alle öffentlichen Bekanntmachungen nur noch im Internet erfolgen sollen, abzusehen, auch wenn in den Bekanntmachungsverordnungen der einzelnen Bundesländer das Internet oft als zulässiges Bekanntmachungsmittel neben dem Amtsblatt, Tageszeitungen oder Bekanntmachungskästen aufgeführt wird. Bundesrecht geht vor. Noch werden das Amtsblatt, Tageszeitungen bzw. Bekanntmachungskästen für ortsübliche Bekanntmachungen mithin gebraucht.