Anlagenbestimmung im Erschließungsbeitragsrecht – Interessantes aus Leipzig

Am Beginn der Prüfung, ob und in welcher Höhe Erschließungsbeiträge für eine Straßenbaumaßnahme erhoben werden können, steht die Frage, was die beitragsfähige Anlage ist. Höchstrichterliche Entscheidungen, die sich mit Fragen der Anlagenbestimmung befassen, sind daher von besonderer Bedeutung für die beitragserhebende Gemeinde, aber auch für die rechtschutzsuchenden Beitragsschuldner.

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Februar 2020 – 9 C 9/18 befasst sich in seinen zentralen Passagen mit der Anlagenbestimmung im Erschließungsbeitragsrecht. Die zu entscheidende Fallkonstellation sah – schematisch skizziert – wie folgt aus:

Die abgebildete Straßenbaumaßnahme zerfällt nach der für die Anlagenbestimmung im Erschließungsbeitragsrecht maßgeblichen natürliche Betrachtungsweise in zwei separate Anlagen. Teil 1 der Straße, das ca. 20 m lang ist und von dem aus eine Zufahrt auf das Grundstück des Klägers führt, bildet zusammen mit dem ca. 250 m langen Einbahnstraßenring (Teil 2) eine einheitliche Anlage. Teil 3, welcher den Einbahnstraßenring mit der Strandpromenade verbindet und ca. 120 m lang ist, bildet eine selbständige Anlage (BVerwG, Urt. vom 6. Februar 2020 – 9 C 9.18 – Rn. 20f.).

Damit ist die Frage nach der erschließungsbeitragsrechtlich selbständigen Anlage jedoch noch nicht abschließend beantwortet. Denn die erschließungsbeitragsrechtliche Rechtsprechung kennt Sonderkonstellationen, in denen die Anlagenbestimmung nach der natürlichen Betrachtungsweise aus rechtlichen Gründen noch modifiziert werden muss. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht für den oben abgebildeten Fall angenommen.

Warum?

Der Einbahnstraßenring (Teil 2) verfügt in seiner südwestlichen Hälfte beidseitig und in seiner zum Teilstück 1 zurückführenden nordöstlichen Hälfte einseitig über Parkflächen. Da zum einen das klägerische Grundstück nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes vom Teilstück 2 aus nicht betreten werden konnte und zum anderen die hier angelegten Stellflächen nicht dem Grundstück des Klägers dienten, folgt daraus, dass das Teilstück 2 eine nicht zum Anbau bestimmte Teilstrecke der Straße darstellt. Da diese Teilstrecke im Verhältnis zur Anlage, die aus den Teilstrecken 1 und 2 gebildet wird, nicht nur von untergeordneter Ausdehnung ist, muss das nach der natürlichen Betrachtungsweise für die Bestimmung der beitragspflichtigen Anlage gewonnene Ergebnis aus Rechtsgründen modifiziert werden. Die Anbaustraße nach § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, durch die das klägerische Grundstück erschlossen wird, beschränkt sich auf die Teilstrecke 1.

Die Entscheidung ist nicht nur im Hinblick auf die Anlagenbestimmung lehrreich. Sie ist auch lesenswert, weil sie deutlich macht, wie groß die Möglichkeiten der planenden Gemeinden sind, über Festsetzungen in Bebauungsplänen Einfluss auf die Bestimmung der erschließungsbeitragsfähigen Anlagen zu nehmen.