Neue Baustellen in Berlin

Im Gesetz- und Verordnungsblatt vom 21. Dezember 2024 (GVBl. S.614) ist das Gesetz zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für Bauvorhaben bekannt gemacht worden. Das mit dem hoffnungsvollen Kurztitel „Schneller-Bauen-Gesetz” versehene Vorhaben bildet das zentrale Projekt des von CDU und SPD gebildeten Senats, Impulse gegen die Krise im Wohnungsbau und damit gegen die Wohnungsnot zu setzen. Es umfasst Änderungen in elf verschiedenen landesgesetzlichen Normen, unter anderen im Allgemeinen Zuständigkeitsgesetz, im Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz, der Bauordnung für Berlin, dem Denkmalschutzgesetz, dem Berliner Naturschutzgesetz und dem Landeswaldgesetz.

Auch das Berliner Straßengesetz hat der Gesetzgeber im Rahmen des Artikelgesetzes geändert und zwar die Regelungen zu straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnissen. Worin liegt der Bezug zur Förderung des Wohnungsbaus?

Bauunternehmen sind für die Durchführung von Bauarbeiten vielfältig auf die Nutzung des öffentlichen Straßenraumes angewiesen. Dies gilt, wenn die Bauarbeiten Anlagen betreffen, die sich im öffentlichen Straßenraum befinden. Oft aber sind Bauarbeiten auf Privatgrundstücken nur unter Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraumes durchführbar. Nicht selten stellte sich für Unternehmen der Bauwirtschaft die Situation im Land Berlin so dar, dass Bauvorhaben nicht mit hinreichender Verlässlichkeit geplant – und in der Folge zum Teil auch nicht realisiert – werden konnten, weil der Zeitrahmen, innerhalb dessen Klarheit geschaffen wird, ab wann und nach welchen Maßgaben der öffentliche Straßenraum für die Baumaßnahme genutzt werden kann, unkalkulierbar war. Dies verursachte erhebliche Folgeprobleme, weil Ausschreibungen von Baumaßnahmen immer wieder daran scheiterten, dass innerhalb der Bindefrist der Angebote keine Rechtssicherheit erlangt werden konnte, ob die erforderliche Sondernutzungserlaubnis erteilt wird.

Nach alter Rechtslage musste über Sondernutzungerlaubnisanträge, sobald vollständige Antragsunterlagen eingereicht waren, innerhalb einer Frist von drei Monaten entschieden werden. Diese Bearbeitungsfrist konnte die zuständige Behörde einmalig um einen Monat verlängern. Lag nach der Frist keine Entscheidung vor, galt die Sondernutzungserlaubnis als widerruflich erteilt (§ 11 Abs. 2 BerlStrG a.F.). Von dieser Erlaubnisfiktion waren allerdings Erlaubnisanträge für die Errichtung von Baustellen im öffentlichen Straßenraum ausgenommen (§ 11 Abs. 2 Satz 3 BerlStrG a.F.).

Das Schneller-Bauen-Gesetz ändert das vorstehend genannte Verfahren insbesondere an zwei Stellen. Zum einen entfällt die Möglichkeit der Verwaltung, die Bearbeitungsfrist um einen Monat zu verlängern. Zum anderen – und vor allem – tritt die Erlaubnisfiktion nunmehr auch bei Sondererlaubnissen ein, die sich auf die Errichtung von Baustellen im öffentlichen Straßenraum beziehen, soweit es sich nicht um eine Baustelle im übergeordneten Straßennetz handelt; die Erlaubnisfiktion kann daher auch im gesamten umfangreichen Berliner Nebennetz eingreifen. Für das übergeordnete Straßennetz gelten die verkürzten Bearbeitungsfristen ebenfalls; bei einer Überschreitung der Drei-Monats-Frist für Baustelleneinrichtungen im übergeordneten Straßennetz tritt allerdings – wie bislang auch – keine Erlaubnisfiktion ein (§ 11 Abs. 2 Satz 12 BerlStrG n.F.). Man hätte vielleicht noch mutiger sein können. Aber es ist immerhin ein Schritt zum Bürokratieabbau und zur Verkürzung von Verfahrenslaufzeiten.

Es ist nicht auszuschließen, dass sich im neuen Jahr Baustellen und damit verbunden Verkehrsbehinderungen in den Nebenstraßen Berlins häufen. Dem mit Geduld zu begegnen, könnte sich lohnen. Denn vielleicht sind sie Vorzeichen einer schrittweisen Entspannung am Wohnungsmarkt.

Wir trauern um unseren Gründungspartner Dr. Ernesto Loh

1945-2024

In großer Trauer geben wir bekannt, dass unser Gründungs- und Namenspartner, Dr. Ernesto Loh, am 7. Dezember 2024 verstorben ist. 

Nach Studium und Referendariat in Berlin, Freiburg und Hamburg war Ernesto Loh zunächst in der Rechtsabteilung der Stinnes AG in Mülheim an der Ruhr tätig, um sich 1974 dann endgültig für eine Rechtsanwaltskarriere zu entscheiden. 1984 wurde er Partner in der Kanzlei Finkelnburg Clemm & Partner in Berlin. Im Jahr 2000 entschied er sich bewusst gegen eine weitere Fusion dieser Kanzlei zu einer internationalen Großkanzlei und gründete stattdessen zusammen mit zwei weiteren Partnern die Kanzlei Loh von Hülsen Michael am Gendarmenmarkt, die heutige Kanzlei LOH Rechtsanwälte PartGmbB. Ernesto Loh war bis 2015 Notar, außerdem jahrelang Vorsitzender des Fachanwaltsausschusses für Arbeitsrecht in Berlin, Vorsitzender der Schlichtungsstelle für Auszubildende und Vorsitzender Richter am Anwaltsgericht Berlin.

Ernesto Loh war ein herausragender Jurist und leidenschaftlicher Anwalt, der in diesem Beruf seine Berufung gefunden hatte. Er wird nicht nur uns, seiner Kanzlei, sondern auch vielen Kolleginnen und Kollegen, Richterinnen und Richtern und unserer Mandantschaft für sein Wissen, seine Erfahrung und seine oft knappe, aber immer auf den Punkt genaue Argumentation in Erinnerung bleiben. 

Ernesto Loh hat unserer Kanzlei in vielfacher Hinsicht seinen Stempel aufgedrückt. Er stand uns immer mit Rat zur Seite und wird uns ein großes Vorbild bleiben, wie man junge Anwälte und Anwältinnen zu eigenständigen und selbstbewussten Partnerpersönlichkeiten heranzieht. Er zeigte uns, dass eine Kanzlei auch ein sehr menschliches Antlitz haben kann und sah sie auch immer als Hort der Freundschaft, des Respekts und des Miteinanders. Lange bevor es den Begriff Work-Life-Balance überhaupt gab, zeigte er, dass Anwaltsein nicht nur Arbeit heißen muss, sondern dass immer Zeit bleibt für Freunde, ein gutes Essen, die Kultur, Rudernachmittage und vieles mehr. Dafür stehen auch sein Engagement bei den Freundeskreisen der Deutschen Oper, der Staatsoper Berlin, den Bayreuther Festspielen sowie den Freunden der Nationalgalerie.

In den letzten Jahren hatte er begonnen, sich nach und nach etwas zurückzuziehen. Seine Krankheit zwang ihn, das noch etwas mehr zu tun, als es ihm eigentlich lieb gewesen wäre. Aber auch in dieser Zeit war er immer am Kanzleigeschehen interessiert und fühlte sich eng mit der Kanzlei verbunden. 

Lieber Ernesto, es war uns eine Ehre, mit dir zusammenzuarbeiten, von dir zu lernen und mit dir zu wachsen.  

Wir sind alle sehr traurig. Unsere Gedanken sind bei seinem Mann Bernhard. 

Mit traurigen Grüßen 

LOH Rechtsanwälte PartGmbB

Sonderabgabe für Photovoltaik-Freiflächenanlagen in Brandenburg

Am 1. Februar 2024 ist im Land Brandenburg das “Gesetz zur Zahlung einer Sonderabgabe für Photovoltaik-Freiflächenanlagen an Gemeinden” (Photovoltaik-Freiflächenanlagen-Abgabengesetz – BbgPVAbgG) in Kraft getreten. Danach ist der brandenburgischen Gemeinde, auf deren Gemeindegebiet die PV-FFA nach dem 31. Dezember 2024 in Betrieb genommen wird, eine Sonderabgabe in Höhe von 2.000,- Euro pro Megawatt und Jahr für die Dauer des Betriebs zu zahlen. Bei einer ca. 100 ha großen Anlage kommen – je nach Leistung – für die Gemeinde damit schnell ca. 200.000,- Euro pro Jahr zusammen. Dieser sog. “Solar-Euro” ist unabhängig von der freiwilligen finanziellen Beteiligung der Gemeinden nach § 6 EEG (0,2 Cent pro Kilowattstunde) zu zahlen und soll ebenso wie dieser zur Akzeptanzsteigerung in den betroffenen Kommunen beitragen. Der Ortsteil, auf deren Gemarkung die PV-FFA errichtet wird, soll durch angemessene Erhöhung des Ortsteilsbudgets gemäß § 3 Abs. 3 BbgPVAbgG berücksichtigt werden. Eine Verpflichtung, die Solarabgabe ausschließlich dem von der Errichtung betroffenen Ortsteil zukommen zu lassen, ist im Gesetzgebungsverfahren aufgrund der Haushaltshoheit der Gemeinden gescheitert. Allerdings sind die zweckgebundenen Maßnahmen, die mit der Sonderabgabe finanziert werden, bevorzugt in räumlicher Nähe der Anlagen umzusetzen. Zu solchen Maßnahmen, die in § 4 beispielhaft aufgeführt sind, gehören neben der Aufwertung des Ortsbildes und der Finanzierung kommunaler Bauleitplanungen im Bereich der erneuerbaren Energien auch die Förderung kommunaler Veranstaltungen, sozialer Aktivitäten oder Einrichtungen, die der Kultur, Bildung oder Freizeit dienen. Auf Schlüsselzuweisungen der Kommunen hat die Einnahme keinen Einfluss (vgl. § 3 Abs. 4 BbgPVAbgG).

Klage auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit: Schlüssiger Vortrag zur Höhe der Vergütung ausreichend

Die Parteien des vom BGH (Urteil vom 17. August 2023 – VII ZR 228/22) entschiedenen Rechtsstreits schlossen im September 2020 einen Vertrag über die Errichtung eines Gemeindezentrums. Die Auftragssumme belief sich auf 4.740.000 EUR netto. Nach Beginn der Bauarbeiten errichtete die Klägerin für die Beklagte auf dem Nachbargrundstück im Dezember 2020 eine Bodenplatte aus Stahlbeton für eine Kindertagesstätte, die nicht Gegenstand des Bauvertrags aus dem September 2020 gewesen ist. Die Beklagte leistete für die bauvertraglich vereinbarten Arbeiten Abschläge in Höhe von 1.333.424 EUR.

Im März 2021 forderte die Klägerin zunächst eine Bauhandwerkersicherheit nach § 650f BGB über einen Betrag in Höhe von 4.671.000 EUR brutto. Diesen Betrag erhöhte sie nach weiteren Fristsetzungen auf 5.021.000 EUR brutto und stellte aufgrund der Nicht-Leistung der Sicherheit ihre Arbeiten ein. Im April 2021 erhob sie schließlich Klage auf Stellung einer Teil-Sicherheit über 2,0 Mio. EUR. Nach wechselseitigen Kündigungen machte die Klägerin außerdem die sog. große Kündigungsvergütung nach § 650f Abs. 5 BGB geltend.

Das Kammergericht ging in seinem Berufungsurteil davon aus, dass – da die Höhe der zu besichernden Werklohnforderung zwischen den Parteien strittig war – die Höhe der Sicherheit nach § 287 Abs. 2 ZPO durch das Gericht zu schätzen sei. Diese Schätzung sei selbst dann vorzunehmen, wenn eine Partei – hier die Beklagte – im Termin zur mündlichen Verhandlung einen sachverständigen Zeugen präsent habe, der zur Höhe der zu besichernden Vergütung vernommen werden könne.

Der VII. Senat entschied dagegen, dass ein Abzug bei der Höhe der Sicherheit unter Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht kommt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht es vielmehr im Falle einer Kündigung des Vertrags nach § 650f Abs. 5 S. 1 BGB aus, dass der Vortrag des Unternehmers zur Höhe der Vergütung schlüssig ist, um hiernach die Höhe der geforderten Sicherung zu bemessen (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2014 – VII ZR 349/12). Die Möglichkeit, einen – streitigen – Abzug von der schlüssig dargelegten Vergütungsforderung ausnahmsweise nach Maßgabe von § 286 ZPO festzustellen, ohne dass damit der Rechtsstreit verzögert wird, bleibt davon zwar unberührt. Für die Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO bleibt danach aber kein Raum. Daher habe das Kammergericht zu Unrecht einen nach § 287 Abs. 2 ZPO durch Schätzung ermittelten Betrag in Höhe von 437.025,62 EUR abgezogen.

Entgegen der Ansicht des Kammergerichts ist für die Höhe der Sicherheit auch nicht auf die Erfolgsaussicht der Durchsetzung der eigentlichen Vergütung abzustellen, da es sich bei dem Klageverfahren aus § 650f BGB nicht um ein Arrest- oder einstweiliges Verfügungsverfahren handelt.

Rechtsfehlerfrei entschied das Kammergericht hingegen, dass die von der Beklagten erklärte Aufrechnung über einen Betrag in Höhe von 300.000 EUR keinerlei Auswirkungen auf die Höhe der Sicherheit hat. Die Beklagte war der Ansicht, dass die Klägerin die Bodenplatte auf dem Grundstück zu Unrecht errichtet hatte und sie diesen Betrag aufwenden müsse, um die Bodenplatte wieder zu entfernen. Auch bereits vor Verlangen der Sicherheit erklärte Aufrechnungen blieben gemäß § 650f Abs. 1 S. 4 BGB bei der Berechnung der Höhe der Sicherheit unbeachtlich.

Der BGH unterstreicht mit diesem Urteil noch einmal, dass der vorleistungspflichtige Auftragnehmer schnell an eine Sicherheit für seine offenen Werklohnforderungen gelangen soll und dass die Höhe weitgehend losgelöst vom letztendlich „richtigen“ Werklohnanspruch zu berechnen ist.

Unser Team unterstützt Sie gerne bei der Abwehr und der Durchsetzung von Sicherungsverlangen.

Ist die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart worden, hält § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B bei Verwendung durch den Auftraggeber der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand und ist unwirksam.

Die Parteien des vom BGH entschiedenen Rechtsstreits schlossen im Jahr 2004 einen Vertrag über Straßen- und Tiefbauarbeiten. Die Auftragssumme belief sich auf 3.031.527,96 EUR netto. Im Verlaufe des Bauvorhabens stritten sie über die Qualität des verbauten Betons an einem Straßenabschnitt. Da der Auftragnehmer dem Mangelbeseitigungsverlangen des Auftraggebers nicht nachkam, kündigte dieser den Bauvertrag gemäß §§ 4 Nr. 7 S. 3, 8 Nr. 3 S. 1 Var. 1 VOB/B. Der Mangelbeseitigungsaufwand hätte sich bei laufendem Baubetrieb auf einen Betrag in Höhe von ca. 6.000 EUR netto belaufen.

Die Vorinstanzen vertraten hinsichtlich der Frage, ob es sich um eine Kündigung aus wichtigem Grund gehandelt hat oder um eine freie Kündigung, gegenteilige Auffassungen. Das galt insbesondere für die zu prüfende Vorfrage, ob hier die VOB/B überhaupt einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegt.

Der Bundesgerichtshof vertrat dazu vor rund 40 Jahren noch die Auffassung, dass die Klauseln der VOB/B, die als vorformulierte Vertragsbedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB sind, keiner Inhaltskontrolle unterliegen, wenn der Verwender die VOB/B ohne ins Gewicht fallende Einschränkung übernommen hat. Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof im Jahr 2004 dahingehend modifiziert, dass jede vertragliche Abweichung von der VOB/B dazu führt, dass diese nicht als Ganzes vereinbart ist, unabhängig davon, welches Gewicht der Eingriff hat. Damit ist grundsätzlich die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle auch dann eröffnet, wenn nur geringfügige inhaltliche Abweichungen von der VOB/B vereinbart werden. Ob eventuell benachteiligende Regelungen möglicherweise durch andere Regelungen “ausgeglichen” werden, ist unerheblich.

Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag beinhaltete nach den Feststellungen des Gerichts derartige Abweichungen. Damit war die VOB/B nicht mehr als Ganzes vereinbart und der Weg zu einer Inhaltskontrolle war eröffnet.

Bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. Januar 2023 war umstritten, ob die Regelungen in §§ 4 Nr. 7 S. 3, 8 Nr. 3 S. 1 Var. 1 VOB/B einer Inhaltskontrolle standhalten oder ob sie den Auftragnehmer unangemessen benachteiligen und damit unwirksam sind.

Der VII. Senat entschied die Frage dahingehend, dass § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung zu den Voraussetzungen einer Kündigung eines Werkvertrags aus wichtigem Grund nicht zu vereinbaren sind. Die Klauseln benachteiligen den Auftragnehmer unangemessen und sind deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

Der Bundesgerichtshof begründete diese Entscheidung damit, dass nach dem Wortlaut des § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) bei jedweder mangelhaften oder vertragswidrigen Leistung eine Kündigung einschränkungslos ausgesprochen werden könne. Diese Möglichkeit bestehe losgelöst davon, welches Gewicht der Vertragswidrigkeit oder dem Mangel im Hinblick auf die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zukomme. § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B (2002) differenziere nicht nach der Ursache, der Art, dem Umfang, der Schwere oder den Auswirkungen der Vertragswidrigkeit oder des Mangels, so dass selbst unwesentliche Mängel, die den Auftraggeber nach § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zur Verweigerung der Abnahme berechtigen würden, zur Kündigung aus wichtigem Grund führen könnten.

Damit widerspreche diese Kündigungsmöglichkeit dem gesetzlichen Leitbild der §§ 648a, 314 BGB, deren Voraussetzung stets die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung ist. Eine vertragswidrige oder mangelhafte Werkleistung in der Ausführungsphase könne im Hinblick auf die zu berücksichtigende Dispositionsfreiheit des Auftragnehmers nach dem gesetzlichen Leitbild nur dann ein wichtiger Grund sein, wenn weitere Umstände hinzutreten, die die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung für den Auftraggeber begründen. Solche können sich im Einzelfall aus Umständen ergeben, die einen Bezug zu der potenziell mangelhaften oder vertragswidrigen Leistung aufweisen, sofern diese in der Gesamtabwägung so schwer wiegen, dass sie zu einer tiefgehenden Störung der für die Fortsetzung des Vertrags notwendigen Vertrauensbeziehung geführt haben. Ein berechtigtes Interesse des Auftraggebers, die Fertigstellung durch den Auftragnehmer nicht mehr abwarten zu müssen, kann etwa aus der Ursache, der Art, dem Umfang, der Schwere oder den Auswirkungen der Vertragswidrigkeit oder des Mangels folgen.

Die durch den BGH mit dieser Entscheidung geschaffene Klarheit ist grundsätzlich zu begrüßen. Dem Auftraggeber verbleibt wegen während der Erfüllungsphase auftretender Mängel (nur) noch das Kündigungsrecht gemäß § 648a BGB. Der BGH deutet in seiner Entscheidung bereits an, dass danach solche Mängel die Vertragsfortsetzung für den Auftraggeber unzumutbar machen, die noch während der Bauausführung zu beheben sind. Dies können etwa Mängel an Bauteilen sein, die durch nachfolgende Gewerke verdeckt werden oder auf welche nachfolgende Gewerke aufbauen. Hier besteht für den Auftraggeber schon während der Bauausführung ein Interesse, dass diese Mängel unverzüglich beseitigt werden. Zu denken ist auch an die Kündigungsmöglichkeit nach §§ 5 Abs. 4 Var. 2, 8 Abs. 3 S. 1 Var. 2 VOB/B, soweit der Auftragnehmer mit der (abnahmereifen) Vollendung seiner Leistung in Vollzug geraten ist.

Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund muss aus Sicht des Auftraggebers seit dem 19. Januar 2023 noch sorgfältiger vorbereitet und begründet werden. Wir unterstützen Sie dabei gern.

Das Wind-an-Land-Gesetzespaket tritt in Kraft – eine Revolution bei den rechtlichen Rahmenbedingungen zum Ausbau von Windenergieanlagen

Zum 1. Februar 2023 treten die meisten Neuregelungen des „Gesetzes zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land“ (sog. Wind-an-Land-Gesetz) in Kraft. Tatsächlich handelt es sich nicht nur um ein Gesetz, sondern um ein ganzes Gesetzespaket, das bereits im Bundesgesetzblatt vom 28. Juli 2022 (BGBL. I S. 1353 ff.) bekannt gemacht worden war.

Zu den gesetzlichen Neuregelungen gehören unter anderem das Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG), das u.a. bestimmt, was „Windenergiegebiete“ sind, welche Flächenziele die einzelnen Bundesländer jeweils erreichen müssen und welche Flächen künftig anrechenbar sind. Zu den Neuregelungen gehören auch Änderungen im Baugesetzbuch, im Raumordnungsgesetz und im Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG). § 249 Abs. 1 BauGB n.F. regelt z.B., dass § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB (Ausschlusswirkung) auf Windenergieanlagen grundsätzlich nicht mehr anwendbar ist. Übergangsregelungen für bestehende Regionalpläne spielen insoweit jedenfalls in Brandenburg keine Rolle, da keine der fünf Regionalen Planungsgemeinschaften in Brandenburg rechtzeitig Ausweisungen nach altem Recht vornehmen konnte. Folge im Land Brandenburg ist, dass es bis zum Inkrafttreten der neuen Regionalpläne keine großflächige Steuerung für die Errichtung von Windenergieanlagen gibt. Das Land hatte das Windkraft-Moratorium zur Sicherung der in Aufstellung befindlichen Regionalpläne mit Blick auf den Wegfall der Ausschlusswirkung schon im November 2022 aufgehoben und dabei auch deutlich gemacht, dass es zur Sicherung der neuen Pläne keine landesplanerischen Untersagungen geben wird (ABl. Bbg. v. 16.11.2022, S. 899). Das Brandenburgische Windenergieanlagenabstandsgesetz (1.000 m zur Wohnbebauung) bleibt aber zunächst bestehen. Es kippt nur dann, wenn die Flächenbeitragswerte nicht fristgerecht erreicht werden sollten.

Mit dem Wind-an-Land-Gesetzespaket wird die bisherige Rechtslage nicht nur ein bisschen reformiert. Die Neuregelungen, die nunmehr in Kraft treten, sind vielmehr eine gesetzgeberische Revolution. Für die Regionalplanung soll es künftig einfacher werden: keine gesamträumlichen Planungskonzepte mehr, keine „harten“ und „weichen“ Tabuzonen und für die Rechtswirksamkeit soll es künftig unbeachtlich sein, ob und welche Flächen im Planungsraum neben den dann ausgewiesenen Windenergiegebieten noch für die Ausweisung geeignet wären (vgl. § 249 Abs. 6 BauGB n.F.). Auch für Projektentwickler und Windenergieanlagenbetreiber soll es künftig leichter werden. Insbesondere § 45b BNatSchG n.F. zum Artenschutz mit den bundeseinheitlich vorgegebenen Abständen und Prüfbereichen für schützenswerte Brutvogelarten soll zur Beschleunigung in den Genehmigungsverfahren beitragen. Dazu kommen die Neuregelungen zum Repowering, wonach der Ersatz von Altanlagen durch neue künftig auch außerhalb der Windenergiegebiete zulässig sein wird. Den Gemeinden steht es frei, zusätzliche Flächen für Windenergieanlagen in ihren Bauleitplänen auszuweisen. Einschränkende Festsetzungen, etwa Höhenbeschränkungen in Bauleitplänen, führen hingegen dazu, dass diese Flächen auf die zu erzielenden Flächenbeitragswerte nicht angerechnet werden dürfen (vgl. § 4 Abs. 1 WindBG). Nun wird es darum gehen, die zahlreichen Neuregelungen mit Leben zu erfüllen. Dabei unterstützen wir Sie gern.

Windkraft-Moratorium verlängert – Überblick über die Folgen für die fünf Regionalen Planungsgemeinschaften in Brandenburg

Am 16. Juni 2021 hat der Landtag des Landes Brandenburg das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Regionalplanung und zur Braunkohlen- und Sanierungsplanung (RegBkPlG) verabschiedet. Das Gesetz ist seit dem 25. Juni 2021 in Kraft (GVBl. I/21, [19]).

Neben Änderungen bei der Zusammensetzung der Regionalversammlung (Erhöhung der Anzahl der Mitglieder auf 70, Vertretung aller amtsfreien Gemeinden und Ämter) ist Kern der Neuregelung die Verlängerung des sogenannten Windkraft-Moratoriums (§ 2c Abs. 1 RegBkPlG). Danach ist die Errichtung von Windenergieanlagen in Gebieten, in denen die Regionalpläne zur Steuerung der Windenergie vom Oberverwaltungsgericht gekippt worden sind, zur Sicherung der Aufstellung neuer Regionalpläne unzulässig. Das Moratorium galt bisher für die Dauer von zwei Jahren und kann nunmehr zwei Mal um ein weiteres Jahr verlängert werden.

Die Verlängerung war erforderlich, da keine der Regionalen Planungsgemeinschaften im Land Brandenburg, deren alte Regionalpläne zur Steuerung der Windenergienutzung vom Oberverwaltungsgericht gekippt worden waren (Regionale Planungsgemeinschaft Havelland-Fläming, Prignitz-Oberhavel, Lausitz-Spreewald, Uckermark-Barnim), innerhalb der kurzen Frist und aufgrund der coronabedingten Einschränkungen neue Pläne aufstellen konnte. 

Für die insgesamt fünf Planungsgemeinschaften in Brandenburg und den Ausbau der Windenergie bedeutet die Neuregelung im Einzelnen Folgendes:

Regionale Planungsgemeinschaft Havelland-Fläming (betrifft die Landkreise Potsdam-Mittelmark, Havelland, Teltow-Fläming und die Städte Potsdam und Brandenburg an der Havel): Für die Region Havelland-Fläming gilt seit dem 24. Juli 2019 das Windkraft-Moratorium. Dies wäre am 23. Juli 2021 ausgelaufen, konnte aufgrund der gesetzlichen Neuregelung aber um ein Jahr, also zunächst bis 23. Juli 2022, verlängert werden (ABl. Bbg. Nr. 27 vom 14. Juli 2021, S. 595). Die Regionalversammlung hat in ihrer letzten Sitzung am 17. Juni 2021 den Arbeitsstand zum neuen Regionalplan Havelland-Fläming 3.0 gebilligt. Voraussichtlich im November soll der Regionalplanentwurf vorliegen und dann zur Träger- und Öffentlichkeitsbeteiligung freigegeben werden.

Regionale Planungsgemeinschaft Prignitz-Oberhavel (betrifft die Landkreise Oberhavel, Ostprignitz-Ruppin und Prignitz): Für die Region Prignitz-Oberhavel gilt seit dem 7. August 2019 das Windkraft-Moratorium. Es wäre am 6. August 2021 ausgelaufen, konnte aufgrund der Neuregelung aber bereits um ein Jahr verlängert werden und endet jetzt erst am 6. August 2022 (ABl. Bbg. Nr. 27 vom 14. Juli 2021, S. 595). Der neue Entwurf des Regionalplans Prignitz-Oberhavel – Sachlicher Teilplan „Windenergienutzung“ liegt derzeit zur Öffentlichkeitsbeteiligung aus.  

Regionale Planungsgemeinschaft Lausitz-Spreewald (betrifft die Landkreise Oberspreewald-Lausitz, Dahme-Spreewald, Elbe-Elster, Spree-Neiße und die Stadt Cottbus): Das bisherige Windkraft-Moratorium für die Region Lausitz-Spreewald endet am 7. Oktober 2022. Es ist davon auszugehen, dass die Regionale Planungsgemeinschaft von der Verlängerungsmöglichkeit Gebrauch machen wird.

Regionale Planungsgemeinschaft Uckermark-Barnim (betrifft die Landkreise Uckermark und Barnim): Nachdem das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg den alten Regionalplan im März 2021 für unwirksam erklärt hatte, hat auch die RPG Uckermark-Barnim das Verfahren zur Neuaufstellung eines Regionalplans zur Steuerung der Windenergienutzung eingeleitet und die Planungsabsichten und voraussichtlichen Kriterien bekannt gemacht (ABl. Bbg. vom 28.7.2021, S. 629). Damit greift nun auch in dieser Region das Windkraft-Moratorium. Es endet voraussichtlich am 27. Juli 2023.

Regionale Planungsgemeinschaft Oderland-Spree (betrifft die Landkreise Märkisch-Oderland, Oder-Spree und die Stadt Frankfurt (Oder):  Gegen den geltenden Regionalplan Oderland-Spree sind mehrere Normenkontrollverfahren beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg anhängig. Eine Entscheidung wird für das 4. Quartal 2021 erwartet. Es ist davon auszugehen, dass auch in dieser Region im kommenden Jahr das Windkraft-Moratorium eingreifen wird.

Die Verlängerung des Windkraft-Moratoriums wird den Ausbau der Windenergie im Land Brandenburg zweifellos weiter bremsen. Der § 2c RegBkPlG bedeutet aber nicht, dass in Brandenburg in diesem und in den nächsten Jahren gar keine Windenergieanlagen errichtet werden können. Denn das Windkraft-Moratorium greift weder bei Windenergieanlagen, die schon vor Erlass des Windkraft-Moratoriums genehmigt worden sind und nunmehr errichtet werden, noch bei Windenergieanlagen, die auf der Grundlage der Festsetzungen eines wirksamen Bebauungsplans zulässig sind. Zudem sind für Einzelfälle auch Ausnahmen von dem Windkraft-Moratorium möglich, wenn die Genehmigung der Windenergieanlagen den in Aufstellung befindlichen Zielen der Raumordnung nicht entgegensteht oder wenn die geplanten Windenergieanlagen in einem künftigen Eignungsgebiet für die Windenergienutzung liegen, § 2 Abs. 2 RegBkPlG.

Dies erklärt, warum nach aktuellen Presseberichten trotz der schwierigen Rechtslage in Brandenburg im ersten Halbjahr 2021 bereits 40 neue Windenergieanlagen errichtet worden sind und damit deutlich mehr als im gesamten Jahr 2020. Brandenburg liegt damit beim Ausbau der Windenergie im bundesweiten Vergleich auf Platz 2. Mehr Windenergieanlagen wurden nur in Niedersachen errichtet. 

Ein erster Schritt zum Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos – Pflichten für Neubauvorhaben und für bestehende Gebäude nach dem neuen GEIG

Am 25. März 2021 ist das Gesetz zum Aufbau einer gebäudeintegrierten Lade- und Leitungsinfrastruktur für die Elektromobilität, Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz – GEIG – in Kraft getreten. das sog.

Die Pflichten nach dem GEIG gelten für Wohngebäude und Nichtwohngebäude. Zu den Wohngebäuden zählen bspw. auch Wohn-, Alten- und Pflegeheime. Nichtwohngebäude erfassen alle anderen Arten von Gebäuden, die nicht dem Wohnen dienen, z.B. Läden, Gewerbe, Bürogebäude, Einkaufszentren, etc.

Die Pflichten nach dem GEIG treffen aber nicht jedes Wohn- und Nichtwohngebäude. Bei neu zu errichtenden Gebäuden gelten die Pflichten nur für Wohngebäude mit mehr als fünf Stellplätzen und für Nichtwohngebäude mit mehr als sechs Stellplätzen. Bei der Renovierung von bestehenden Gebäuden gilt das GEIG für Wohngebäude und für Nichtwohngebäude mit mehr als zehn Stellplätzen. Damit fallen bspw. Einfamilienhäuser nicht unters GEIG.

Bei Wohngebäuden, die in den Anwendungsbereich des GEIG fallen, muss jeder Stellplatz mit Leitungsinfrastruktur ausgestattet werden, also den vorbereitenden elektro- und datentechnischen Leitungen für die spätere Errichtung eines Ladepunktes. Bei Nichtwohngebäuden hingegen muss nur jeder dritte bzw. fünfte Stellplatz mit Leitungsinfrastruktur ausgestattet werden, aber dafür muss auch mindestens ein Ladepunkt errichtet werden.  

Bei bestehenden Gebäuden sollen die Pflichten aus dem GEIG im Rahmen einer größeren Renovierung eingreifen. Nach dem Gesetzeswortlaut soll eine größere Renovierung vorliegen, wenn mehr als 25% der Oberfläche der Gebäudehülle einer Renovierung unterzogen werden. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass davon Maßnahmen an solchen Bauteilen der Gebäudehülle erfasst werden sollen, durch die der Wärmeenergiebedarf des Gebäudes unmittelbar beeinflusst wird. D.h., betroffen sind davon vor allem Maßnahmen an der Außenwand oder am Dach. Eine entsprechende Maßnahme an der Außenwand soll danach bspw. die Erneuerung des Außenputzes der Fassade sein. Nicht erfasst werden sollen jedoch Maßnahmen wie lediglich ein Neuanstrich der Außenwand oder reine Putzreparaturen an beschädigten Stellen.

Das GEIG enthält zudem Sonderregelungen für gemischt genutzte Gebäude, Quartiere sowie Ausnahmeregelungen für Renovierungen, wenn die Kosten für die Maßnahmen nach dem GEIG einen bestimmten Prozentsatz der Gesamtkosten der Renovierung übersteigen.

Schließlich sieht das Gesetz Übergangsvorschriften für Vorhaben vor, für die der Bauantrag, der Antrag auf bauaufsichtliche Zustimmung oder die Bauanzeige vor dem Inkrafttreten des GEIG – also vor dem 25. März 2021 – erfolgt ist. Für diese Vorhaben gelten die Vorschriften des GEIG noch nicht. Dies gilt natürlich auch für nicht genehmigungsbedürftige Vorhaben, bei denen auf den Zeitpunkt des Beginns der Bauausführung abgestellt wird.

Eine Regelung zur behördlichen Zuständigkeit hinsichtlich der Überprüfung der Einhaltung der Pflichten nach dem GEIG enthält das Gesetz nicht. Der Sache nach dürfte die Zuständigkeit jedoch bei den Bauordnungsbehörden der Länder liegen und vor allem im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens relevant werden.

von Dr. Kristian Heise

Baulandmobibilisierungsgesetz tritt in Kraft

Das am 7. Mai 2021 vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Mobilisierung von Bauland (Baulandmobilisierungsgesetz) wurde heute im Bundesgesetzblatt verkündet und tritt am 23. Juni 2021 in Kraft.

Mit den Änderungen im Baugesetzbuch (BauGB) sollen die Handlungsmöglichkeiten der Gemeinden im Bauplanungsrecht gestärkt werden. Unter anderem wird es zeitlich befristet wieder möglich sein, Bebauungspläne zur Schaffung von Wohnraum über § 13b BauGB auch unter Einbeziehung von Außenbereichsflächen im beschleunigten Verfahren (also ohne Umweltbericht) aufzustellen. Diese Verfahren müssen aber bis zum 31.12.2022 förmlich eingeleitet und der Satzungsbeschluss bis zum 31.12.2024 gefasst sein.

Zu den Änderungen und zur Gesetzesbegründung vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks. 19/24838 und 19/26023) sowie die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen vom 5.5.2021 (BT.-Drucks. 19/29396).

Das Gesetz zur Mobilisierung von Bauland vom 14. Juni 2021 finden Sie unter: https://www.bgbl.de.

Windenergie: finanzielle Anreize, die die Gemeinden kennen sollten

Zur Steigerung der Akzeptanz von Windenergieanlagen wurden in den letzten Jahren mehrere nicht zuletzt finanzielle Anreize für die Gemeinden geschaffen. So richtig rumgesprochen haben sich die Möglichkeiten aber offenbar noch nicht. Jedenfalls erreichen uns derzeit vermehrt Anfragen von Gemeinden, die wissen möchten, was und wieviel sie von Windenergieanlagenbetreiber verlangen können, wenn sie die Errichtung neuer Anlagen schon nicht verhindern können. Auf zwei Möglichkeiten möchten wir hier gern hinweisen:

1. Seit dem 1. Januar 2021 ermöglicht § 36k des Gesetzes für den Ausbau Erneuerbarer Energien (EEG 2021) den Gemeinden bundesweit eine finanzielle Beteiligung, wenn sich das Gemeindegebiet ganz oder teilweise innerhalb eines Umkreises von 2,5 km um die Windenergieanlage befindet.

Danach dürfen Windenergieanlagenbetreiber von Windenergieanlagen an Land, die einen Zuschlag für ihre Anlage nach dem EEG erhalten haben, den Gemeinden, die von den Windenergieanlagen betroffen sind, 0,2 Cent pro Kilowattstunde für die tatsächlich eingespeiste Strommenge und für die fiktive Strommenge einseitig als Zuwendung ohne Gegenleistung anbieten. Sind mehrere Gemeinden betroffen, ist die Höhe der angebotenen Zahlung pro Gemeinde anhand des Anteils ihres jeweiligen Gemeindegebiets an der Fläche des Umkreises aufzuteilen.

Wichtig ist, dass § 36k Abs. 1 EEG 2021 den Gemeinden keinen Anspruch gibt, sondern den Anlagenbetreibern nur die Möglichkeit eröffnet, den Gemeinden ein solches Angebot zu machen. Anlagenbetreibern, denen die Akzeptanz vor Ort am Herzen liegt, gehen auf die Gemeinden zu. Andere tun das derzeit noch nicht. Die Gemeinden sind daher gut beraten, von sich aus das Gespräch mit den Anlagenbetreibern zu suchen. In der Praxis ist häufig der Abschluss eines Nutzungsvertrages über gemeindliche Flächen (z.B. über die Zuwegung oder Kabelverlegung) oder Gespräche zu den Möglichkeiten von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vor Ort ein guter Zeitpunkt, die Zuwendung nach § 36k EEG 2021 zu fordern. Ist der Anlagenbetreiber dazu bereit, ist es wichtig, dies vertraglich festzuhalten, um als Gemeinde tatsächlich auch einen einklagbaren Anspruch auf die Zuwendung zu haben. Solche Verträge dürfen bereits vor der Genehmigung der Windenergieanlage nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz geschlossen werden, bedürfen gemäß § 36k Abs. 2 Satz 1 EEG 2021 aber in jedem Fall der Schriftform. Sollten Sie Unterstützung beim Vertragsentwurf benötigen, stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.

2.  Unabhängig von der vorgenannten Möglichkeit haben Gemeinden im Umfeld von Windenergieanlagen – jedenfalls in Brandenburg – einen gesetzlichen Anspruch auf 10.000 Euro je Windenergieanlage und Jahr nach dem Windenergieanlagenabgabengesetz (BbgWindAbgG vom 19. Juni 2019, GVBl.I/19, Nr. 30).

Im Gegensatz zu dem freiwilligen Angebot nach § 36k EEG 2021 besteht nach § 1 Abs. 1 BbgWindAbgG für Betreiber von Windenergieanlagen, deren Anlagen nach dem 31. Dezember 2019 in Betrieb genommen worden sind, eine Pflicht zur Zahlung einer Sonderabgabe an anspruchsberechtigte Gemeinden.

Anspruchsberechtigt sind die Gemeinden im Land Brandenburg, deren Gemeindegebiet sich ganz oder teilweise in einem Radius von 3 km um den Standort der jeweiligen Windenergieanlage befindet. Sind mehrere Gemeinden pro Windenergieanlage anspruchsberechtigt, wird der Zahlungsanspruch unter den Gemeinden aufgeteilt und dabei die Anspruchshöhe pro Gemeinde anhand des Anteils des Gemeindegebietes an der Fläche des Umkreises, der sich um die Windenergieanlage befindet, zur Grundlage genommen. Dabei sind die Betreiber der zahlungspflichtigen Windenergieanlagen zur Ermittlung der anspruchsberechtigten Gemeinden und der Höhe des anteiligen Anspruchs pro Gemeinde verpflichtet. Die Sonderabgabe ist direkt an die anspruchsberechtigten Gemeinden zu zahlen.

Diese Mittel stehen den Gemeinden zwar nicht zur völlig freien Verfügung. Vielmehr sollen sie zweckgebunden für Maßnahmen zur Steigerung der Akzeptanz für Windenergieanlagen verwendet werden. Der Katalog der möglichen Maßnahmen ist allerdings sehr weit gefasst.  Neben Maßnahmen zur Aufwertung des Ortsbilds und ortsgebundener Infrastruktur kommen auch Maßnahmen zur Förderung kommunaler Veranstaltungen, sozialer Aktivitäten oder Einrichtungen, die der Kultur, Bildung oder Freizeit dienen, oder unternehmerischer Tätigkeit in der Gemeinde in Betracht. Auch können die Mittel zur Bauleitplanung im Bereich der Erneuerbaren Energien genutzt werden. Einzige Bedingung: bei allen Maßnahmen soll für die Einwohner ein Bezug zu den aus der Windenergieerzeugung generierten Geldmitteln erkennbar sein. Dies dürfte durch das Aufstellen entsprechender Schilder ohne größere Probleme möglich sein.

Da seit Inkrafttreten des Windenergieabgabengesetzes 2019 wegen des Windkraftmoratoriums relativ wenige Windenergieanlagen neu errichtet worden sind, gibt es bisher auch nur wenige praktische Erfahrungen mit der Sonderabgabe. Erste Gemeinden überlegen aber schon sehr konkret, was sie mit dem Geld vor Ort machen könnten.  

In anderen Bundesländern gehen die Möglichkeiten zur Beteiligung an Windenergieanlagen zum Teil noch weiter. So zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern mit dem Gesetz über die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Gemeinden an Windparks (Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetz, BüGembeteilG M-V vom 18. Mai 2016). Danach bestehen mehrere Möglichkeiten der Beteiligung an Windenergieanlagen und zwar nicht nur für die Gemeinden, sondern auch unmittelbar für die Bürgerinnen und Bürger (z.B. ein vergünstigter Stromtarif oder der Kauf von Anteilen an der Betreibergesellschaft der Windenergieanlagen). Ob dieses Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Eine Verfassungsbeschwerde ist derzeit noch anhängig (Az. BVerfG – 1 BvR 1187/17). 

von Dr. Reni Maltschew und Dr. Kristian Heise