Ist die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart worden, hält § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B bei Verwendung durch den Auftraggeber der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand und ist unwirksam.

Die Parteien des vom BGH entschiedenen Rechtsstreits schlossen im Jahr 2004 einen Vertrag über Straßen- und Tiefbauarbeiten. Die Auftragssumme belief sich auf 3.031.527,96 EUR netto. Im Verlaufe des Bauvorhabens stritten sie über die Qualität des verbauten Betons an einem Straßenabschnitt. Da der Auftragnehmer dem Mangelbeseitigungsverlangen des Auftraggebers nicht nachkam, kündigte dieser den Bauvertrag gemäß §§ 4 Nr. 7 S. 3, 8 Nr. 3 S. 1 Var. 1 VOB/B. Der Mangelbeseitigungsaufwand hätte sich bei laufendem Baubetrieb auf einen Betrag in Höhe von ca. 6.000 EUR netto belaufen.

Die Vorinstanzen vertraten hinsichtlich der Frage, ob es sich um eine Kündigung aus wichtigem Grund gehandelt hat oder um eine freie Kündigung, gegenteilige Auffassungen. Das galt insbesondere für die zu prüfende Vorfrage, ob hier die VOB/B überhaupt einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegt.

Der Bundesgerichtshof vertrat dazu vor rund 40 Jahren noch die Auffassung, dass die Klauseln der VOB/B, die als vorformulierte Vertragsbedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB sind, keiner Inhaltskontrolle unterliegen, wenn der Verwender die VOB/B ohne ins Gewicht fallende Einschränkung übernommen hat. Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof im Jahr 2004 dahingehend modifiziert, dass jede vertragliche Abweichung von der VOB/B dazu führt, dass diese nicht als Ganzes vereinbart ist, unabhängig davon, welches Gewicht der Eingriff hat. Damit ist grundsätzlich die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle auch dann eröffnet, wenn nur geringfügige inhaltliche Abweichungen von der VOB/B vereinbart werden. Ob eventuell benachteiligende Regelungen möglicherweise durch andere Regelungen “ausgeglichen” werden, ist unerheblich.

Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag beinhaltete nach den Feststellungen des Gerichts derartige Abweichungen. Damit war die VOB/B nicht mehr als Ganzes vereinbart und der Weg zu einer Inhaltskontrolle war eröffnet.

Bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. Januar 2023 war umstritten, ob die Regelungen in §§ 4 Nr. 7 S. 3, 8 Nr. 3 S. 1 Var. 1 VOB/B einer Inhaltskontrolle standhalten oder ob sie den Auftragnehmer unangemessen benachteiligen und damit unwirksam sind.

Der VII. Senat entschied die Frage dahingehend, dass § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung zu den Voraussetzungen einer Kündigung eines Werkvertrags aus wichtigem Grund nicht zu vereinbaren sind. Die Klauseln benachteiligen den Auftragnehmer unangemessen und sind deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

Der Bundesgerichtshof begründete diese Entscheidung damit, dass nach dem Wortlaut des § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) bei jedweder mangelhaften oder vertragswidrigen Leistung eine Kündigung einschränkungslos ausgesprochen werden könne. Diese Möglichkeit bestehe losgelöst davon, welches Gewicht der Vertragswidrigkeit oder dem Mangel im Hinblick auf die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zukomme. § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B (2002) differenziere nicht nach der Ursache, der Art, dem Umfang, der Schwere oder den Auswirkungen der Vertragswidrigkeit oder des Mangels, so dass selbst unwesentliche Mängel, die den Auftraggeber nach § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zur Verweigerung der Abnahme berechtigen würden, zur Kündigung aus wichtigem Grund führen könnten.

Damit widerspreche diese Kündigungsmöglichkeit dem gesetzlichen Leitbild der §§ 648a, 314 BGB, deren Voraussetzung stets die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung ist. Eine vertragswidrige oder mangelhafte Werkleistung in der Ausführungsphase könne im Hinblick auf die zu berücksichtigende Dispositionsfreiheit des Auftragnehmers nach dem gesetzlichen Leitbild nur dann ein wichtiger Grund sein, wenn weitere Umstände hinzutreten, die die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung für den Auftraggeber begründen. Solche können sich im Einzelfall aus Umständen ergeben, die einen Bezug zu der potenziell mangelhaften oder vertragswidrigen Leistung aufweisen, sofern diese in der Gesamtabwägung so schwer wiegen, dass sie zu einer tiefgehenden Störung der für die Fortsetzung des Vertrags notwendigen Vertrauensbeziehung geführt haben. Ein berechtigtes Interesse des Auftraggebers, die Fertigstellung durch den Auftragnehmer nicht mehr abwarten zu müssen, kann etwa aus der Ursache, der Art, dem Umfang, der Schwere oder den Auswirkungen der Vertragswidrigkeit oder des Mangels folgen.

Die durch den BGH mit dieser Entscheidung geschaffene Klarheit ist grundsätzlich zu begrüßen. Dem Auftraggeber verbleibt wegen während der Erfüllungsphase auftretender Mängel (nur) noch das Kündigungsrecht gemäß § 648a BGB. Der BGH deutet in seiner Entscheidung bereits an, dass danach solche Mängel die Vertragsfortsetzung für den Auftraggeber unzumutbar machen, die noch während der Bauausführung zu beheben sind. Dies können etwa Mängel an Bauteilen sein, die durch nachfolgende Gewerke verdeckt werden oder auf welche nachfolgende Gewerke aufbauen. Hier besteht für den Auftraggeber schon während der Bauausführung ein Interesse, dass diese Mängel unverzüglich beseitigt werden. Zu denken ist auch an die Kündigungsmöglichkeit nach §§ 5 Abs. 4 Var. 2, 8 Abs. 3 S. 1 Var. 2 VOB/B, soweit der Auftragnehmer mit der (abnahmereifen) Vollendung seiner Leistung in Vollzug geraten ist.

Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund muss aus Sicht des Auftraggebers seit dem 19. Januar 2023 noch sorgfältiger vorbereitet und begründet werden. Wir unterstützen Sie dabei gern.

Das Wind-an-Land-Gesetzespaket tritt in Kraft – eine Revolution bei den rechtlichen Rahmenbedingungen zum Ausbau von Windenergieanlagen

Zum 1. Februar 2023 treten die meisten Neuregelungen des „Gesetzes zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land“ (sog. Wind-an-Land-Gesetz) in Kraft. Tatsächlich handelt es sich nicht nur um ein Gesetz, sondern um ein ganzes Gesetzespaket, das bereits im Bundesgesetzblatt vom 28. Juli 2022 (BGBL. I S. 1353 ff.) bekannt gemacht worden war.

Zu den gesetzlichen Neuregelungen gehören unter anderem das Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG), das u.a. bestimmt, was „Windenergiegebiete“ sind, welche Flächenziele die einzelnen Bundesländer jeweils erreichen müssen und welche Flächen künftig anrechenbar sind. Zu den Neuregelungen gehören auch Änderungen im Baugesetzbuch, im Raumordnungsgesetz und im Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG). § 249 Abs. 1 BauGB n.F. regelt z.B., dass § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB (Ausschlusswirkung) auf Windenergieanlagen grundsätzlich nicht mehr anwendbar ist. Übergangsregelungen für bestehende Regionalpläne spielen insoweit jedenfalls in Brandenburg keine Rolle, da keine der fünf Regionalen Planungsgemeinschaften in Brandenburg rechtzeitig Ausweisungen nach altem Recht vornehmen konnte. Folge im Land Brandenburg ist, dass es bis zum Inkrafttreten der neuen Regionalpläne keine großflächige Steuerung für die Errichtung von Windenergieanlagen gibt. Das Land hatte das Windkraft-Moratorium zur Sicherung der in Aufstellung befindlichen Regionalpläne mit Blick auf den Wegfall der Ausschlusswirkung schon im November 2022 aufgehoben und dabei auch deutlich gemacht, dass es zur Sicherung der neuen Pläne keine landesplanerischen Untersagungen geben wird (ABl. Bbg. v. 16.11.2022, S. 899). Das Brandenburgische Windenergieanlagenabstandsgesetz (1.000 m zur Wohnbebauung) bleibt aber zunächst bestehen. Es kippt nur dann, wenn die Flächenbeitragswerte nicht fristgerecht erreicht werden sollten.

Mit dem Wind-an-Land-Gesetzespaket wird die bisherige Rechtslage nicht nur ein bisschen reformiert. Die Neuregelungen, die nunmehr in Kraft treten, sind vielmehr eine gesetzgeberische Revolution. Für die Regionalplanung soll es künftig einfacher werden: keine gesamträumlichen Planungskonzepte mehr, keine „harten“ und „weichen“ Tabuzonen und für die Rechtswirksamkeit soll es künftig unbeachtlich sein, ob und welche Flächen im Planungsraum neben den dann ausgewiesenen Windenergiegebieten noch für die Ausweisung geeignet wären (vgl. § 249 Abs. 6 BauGB n.F.). Auch für Projektentwickler und Windenergieanlagenbetreiber soll es künftig leichter werden. Insbesondere § 45b BNatSchG n.F. zum Artenschutz mit den bundeseinheitlich vorgegebenen Abständen und Prüfbereichen für schützenswerte Brutvogelarten soll zur Beschleunigung in den Genehmigungsverfahren beitragen. Dazu kommen die Neuregelungen zum Repowering, wonach der Ersatz von Altanlagen durch neue künftig auch außerhalb der Windenergiegebiete zulässig sein wird. Den Gemeinden steht es frei, zusätzliche Flächen für Windenergieanlagen in ihren Bauleitplänen auszuweisen. Einschränkende Festsetzungen, etwa Höhenbeschränkungen in Bauleitplänen, führen hingegen dazu, dass diese Flächen auf die zu erzielenden Flächenbeitragswerte nicht angerechnet werden dürfen (vgl. § 4 Abs. 1 WindBG). Nun wird es darum gehen, die zahlreichen Neuregelungen mit Leben zu erfüllen. Dabei unterstützen wir Sie gern.

BAG: arbeitnehmerähnliche Beschäftigte fallen in den Anwendungsbereich des Entgelttransparenzgesetzes (Urteil vom 25.06.2020, 8 AZR 145/19)

Das 2017 in Kraft getretene Entgelttransparenzgesetz sieht für Beschäftigte einen Anspruch auf Auskunft über den auf Vollzeitäquivalente hochgerechneten statistischen Median des durchschnittlichen monatlichen Brutto-Entgeltes vor, wenn sie in einem Betrieb mit mehr als 200 Beschäftigten arbeiten und in zumutbarer Weise eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit benennen, die von einer Vergleichsgruppe mit mindestens sechs Personen des jeweils anderen Geschlechts ausgeübt wird. Nachdem der Gesetzgeber arbeitnehmerähnliche Personen nicht zuletzt ausweislich des eindeutigen Wortlautes des § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG vom Anwendungsbereich des Entgelttransparenzgesetzes ausgenommen hatte, entschied der 8. Senat vorige Woche unter Rückgriff auf den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff für deren Einbeziehung. Insoweit herrscht zu dieser in der Literatur bislang umstrittenen Rechtsfrage nunmehr Rechtsklarheit.

Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes lag der Rechtsstreit zwischen der Frontal21-Redakteurin Birte Meier und dem von Rechtsanwalt Dr. Weißflog vertretenen ZDF zugrunde. Ob die Klägerin tatsächlich einen Anspruch auf Erteilung von Auskunft über das Vergleichsentgelt hat, hat das BAG allerdings nicht entschieden. Diese Entscheidung hängt von weiteren Voraussetzungen ab und wird vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg geklärt werden, an das der Rechtsstreit zurückverwiesen wurde. Soweit die Klägerin in den vorangegangenen Instanzen darüber hinaus unter Hinweis auf eine aus ihrer Sicht vorliegende Entgeltdiskriminierung verschiedene Zahlungs- und Entschädigungsansprüche verfolgt hatte und auch ihre Beschäftigung als Arbeitnehmerin festgestellt wissen wollte, war ihre Klage erfolglos. Ihre Berufung hatte das Landesarbeitsgericht-Berlin Brandenburg mit Urteil vom 5. Februar 2019 (16 Sa 983/18) zurückgewiesen und dies unter anderem damit begründet, dass eine strukturelle Diskriminierung nicht erkennbar sei. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der 9. Senat mit Beschluss vom 31. Juli 2019 (9 AZN 504/19) als unzulässig verworfen. Das Verfahren ist insoweit rechtskräftig abgeschlossen.

Unser Team vertritt das ZDF regelmäßig in arbeitsrechtlichen Verfahren, an diesem Verfahren mitgearbeitet hat die Associate Marie von Hammerstein. 

Verordnung zur Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit der kommunalen Organe in außergewöhnlicher Notlage im Land Brandenburg in Kraft

Nachdem der Landtag Brandenburg am 15. April 2020 das Brandenburgische kommunale Notlagengesetz beschlossen hat, ist am 18. April 2020 die Verordnung zur Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit der kommunalen Organe in außergewöhnlicher Notlage in Kraft getreten. Die Verordnung schafft die Voraussetzung, dass Sitzungen der Gemeindevertretung bzw. des Hauptausschusses unter – deutlich – veränderter (reduzierter) Öffentlichkeitsbeteiligung stattfinden. Wo trotz dieser Erleichterungen Sitzungen der Gemeindevertretung nicht durchgeführt werden können, besteht für bestimmte Aufgabenbereiche, die eigentlich ausschließlich im Verantwortungsbereich der Gemeindevertretung liegen, die Möglichkeit, dass die Gemeindevertretung diese durch Beschluss auf den Hauptausschuss überträgt.

1.

Unmittelbar aus der Verordnung ergeben sich Erleichterungen für die Durchführung der Sitzungen von Gemeindevertretung und Hauptausschuss (vgl. §§ 4-6 BbgKomNotV). Gemeindevertretung und Hauptausschuss haben die Möglichkeit, in Präsenz-, Video- oder Audiositzungen zu tagen. Audiositzungen sind jedoch nur zulässig, wenn die Durchführung von Videositzungen technisch nicht umsetzbar ist. Bei den unterschiedlichen Sitzungsformen bestehen gestufte, reduzierte Teilnahmemöglichkeiten Dritter, um dem Grundsatz der Öffentlichkeit Rechnung zu tragen (vgl. § 9 BbgKomNotV). Die Begrenzung der Öffentlichkeit ist durchaus gravierend, zumal die allgemeine Öffentlichkeit schon bei den Präsenzsitzungen keinen Zugang mehr zum Sitzungsort selbst erhält. Hier soll es genügen, dass eine Tonübertragung in öffentlich zugängliche Räumlichkeiten erfolgt, § 9 Abs. 1 Satz 2 BbhKomNotV.

Die Verordnung ermöglicht auch eine Beschlussfassung im schriftlichen Umlaufverfahren, § 8 BbgKomNotV. Diese Verfahrensweise ist allerdings nur „im Zusammenhang mit der bestehenden Notlage“ zulässig. Sollten die Kommunen vom schriftlichen Umlaufverfahren Gebrauch machen, wird sicherlich gerichtlich darüber gestritten werden, wie weit der „Zusammenhang mit der bestehenden Notlage“ reicht.

Die Verordnung bestimmt darüber hinaus, dass festgelegte kommunale Wahlen oder nach gesetzlichen Vorschriften festzusetzende oder festgesetzte Bürgerentscheide bis zum 30. Juni 2020 nicht durchgeführt werden, § 10 BbgKomNotV. Satzungsrechtlichen Anpassungsbedarf will der Verordnungsgeber vermeiden und erklärt daher kurzerhand ortsrechtliche Regelungen, die den §§ 4 bis 12 BbgKomNotV entgegenstehen bis zum Außerkrafttreten der Verordnung für unabwendbar – ein durchaus mutiger Eingriff in die kommunale Satzungsautonomie.

Haushaltsrechtlich ermöglicht sie über- und außerplanmäßige Aufwendungen und Auszahlungen, wenn sie unabweisbar sind, auch wenn eine Deckung nicht gewährleistet ist, § 3 Abs. 2 BbgKomNotV.

2.

Soweit die erleichterten Bedingungen zur Durchführung von Sitzungen der Gemeindevertretung ein Zusammentreffen der Gemeindevertreter nicht mehr ermöglicht, können durch Beschluss der Gemeindevertretung bestimmte, eigentlich ausschließlich der Gemeindevertretung zugewiesene Entscheidungsgegenstände auf den Hauptausschuss übertragen werden. Die einzelnen, auf der Grundlage der BbgKomNotV übertragbaren Entscheidungsgegenstände regelt § 2 Abs. 2 Nr. 1 – 11 BbgKomNotV.

3.

Die Verordnung tritt am 30. Juni 2020 außer Kraft. Da das Brandenburgische kommunale Notlagegesetz allerdings derzeit schon bis zum 30. September 2020 gilt, bedarf es keiner allzu großen prophetischen Gabe, dass die Lebensdauer der Verordnung über den 30. Juni 2020 hinaus erstreckt werden wird.

Corona Videokonferenzen von Betriebsräten werden erlaubt – Regierung plant weitere (befristete) Gesetzesänderungen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts

Die Mühlen der Gesetzgebung mahlen langsam. Gesetze sollen durchdacht und mit allen Interessengruppen abgestimmt sein. Das dauert und manchmal passiert jahrelang nichts, selbst wenn – wie z.B. im Fall der Massenentlassungsanzeige – die tatsächliche Rechtslage, vorgegeben vom Europäischen Gerichtshof, nicht mehr so viel mit dem Wortlaut der deutschen Regelung zu tun hat.

Corona zeigt nun, dass es auch anders geht, anders gehen muss. Denn das Virus wartet nicht, bis sich Koalitionspartner zusammenraufen. Und vieles, was das deutsche Arbeitsrecht vorsieht, verträgt sich nicht mit Maßnahmen gegen die Pandemie, vor allem nicht mit den Kontaktverboten. Jedenfalls dann nicht, wenn es auch irgendwie weitergehen soll.

Ein schönes Beispiel dafür ist die Frage von Video- und Telefonkonferenzen in der Betriebsratsarbeit.

Nach § 30 Satz 4 BetrVG sind die Sitzungen des Betriebsrats nicht-öffentlich. Nach wohl herrschender Meinung schließt das eine Beschlussfassung in Video- und Telefonkonferenzen aus, da weder in dem einem noch im anderen Fall sichergestellt ist, ob nicht doch ein Nichtbefugter zuhört. Wenn nun aber auch die Betriebsratsmitglieder im Homeoffice arbeiten und möglichweise sogar von vielen Standorten über die Republik verteilt anreisen müssten, stellt sich die Frage, wie der Spagat zwischen Kontaktverbot, Vermeiden von Dienstreisen einerseits und effektiver Betriebsratsarbeit andererseits möglich sein soll.  Die Betriebsparteien sind nämlich auch in Pandemiezeiten zwingend auf einen funktionierenden Betriebsrat angewiesen.  So benötigt ein Unternehmen, das Kurzarbeit einführen möchte, nämlich zwingend eine Betriebsvereinbarung zu diesem Thema. Fehlt eine solche, könnte die Kurzarbeit schlicht und einfach nicht eingeführt werden. Nur wenige Unternehmen haben aber für ihre Branche mit der Einführung von Kurzarbeit gerechnet und waren demnach auch nicht vorbereitet. Auch für Einstellungen, Versetzungen oder Umsetzung von Maßnahmen zum Gesundheitsschutz bedarf es der Mitbestimmung des Betriebsrats. Wird eine Maßnahme ohne die erforderliche Mitbestimmung durchgeführt, ist sie nach der Rechtsprechung unwirksam und für betroffene Arbeitnehmer unverbindlich. Wirksame Mitbestimmung setzt aber voraus, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß zustimmt, d.h. in einer Sitzung einen entsprechenden Beschluss fasst.

In den ersten Tagen der Pandemie konnte man auf den Seiten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales noch lesen, dass Betriebs- und Personalräten empfohlen werde, Sitzungen per Video- oder Telefonkonferenz abzuhalten, um das Abstandsgebot einzuhalten. Dass diese Empfehlung sich nicht so recht mit der geltenden Rechtslage vereinbaren ließ, war den meisten bewusst. Viele Betriebsparteien versuchten aus der Misere rauszukommen, indem sie Regelungsabreden vereinbarten, mit denen man sich gegenseitig versicherte, sich nicht auf eine etwaige Unwirksamkeit solcher Beschlüsse zu berufen. Es ist schon fraglich, ob solche Abreden überhaupt möglich sind. Ganz sicher haben sie keine Wirkung gegenüber etwaig betroffenen Arbeitnehmern. Möchte sich also ein Arbeitnehmer später auf die Unwirksamkeit der Beschlussfassung berufen, hätte er damit mit großer Wahrscheinlichkeit Erfolg.

Das Problem ist mittlerweile auch beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales angekommen.  Jedenfalls kann man dem Internetauftritt der Bundesregierung nunmehr entnehmen, dass Betriebs- und Personalratssitzungen auch per Video- und Telefonkonferenzen möglich sein sollen. Für Betriebsräte soll das befristet bis 31. Dezember 2020, für Personalräte sogar bis 31. März 2021 gelten. Das Gesetz soll rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft treten und noch im April verabschiedet werden. Corona macht schnelle Gesetze möglich und sollte sich diese Form der Beschlussfassung für Betriebs- und Personalräte bewähren, kann man vielleicht auch über eine Verlängerung nachdenken. 

Weitere geplante Änderungen im Arbeitsrecht sind beispielsweise ein mögliches Hinausschieben von Neuwahlen für Betriebsräte, die derzeit wegen § 13 Abs. 2 BetrVG eigentlich wählen müssten sowie die Möglichkeit die in diesem Jahr regulär stattfindenden Personalratswahlen für Bundesbehörden komplett als Briefwahl durchzuführen. Ausweislich mehrerer Berichte im Internet liegt ein weiterer Referentenentwurf des Bundesministerium für Arbeit und Soziales vor, wonach die Klagefrist für Kündigungsschutzklagen bis 31. Dezember 2020 von drei auf fünf Wochen verlängert werden sowie mündliche Verhandlungen vor den Arbeitsgerichten teilweise als Videokonferenzen stattfinden können sollen. Ob das alles so kommt, lässt sich allerdings noch nicht mit Sicherheit beantworten. Wir werden es für Sie beobachten.

Erlaubnisfreie Arbeitnehmerüberlassung als arbeitsrechtliches Mittel zur Überbrückung der Corona-Krise

Die Corona-Pandemie sorgt für erhebliche Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt: Während viele Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer angesichts einer geringeren Auslastung in ihrem Unternehmen in Kurzarbeit schicken müssen, ist der Arbeitsanfall in anderen Unternehmen derzeit mit dem vorhandenen Personal kaum zu bewältigen. Eine vielversprechende Lösung für beide Seiten könnte in der erlaubnisfreien Arbeitnehmerüberlassung liegen. Aus dem 11-Punkte-Plan der Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner ergibt sich, dass Arbeitnehmerüberlassungen infolge der Corona-Krise vorübergehend vermehrt oder sogar ganz erlaubnisfrei sein sollen – ob und wann eine dahingehende Gesetzesänderung in Kraft treten wird und welche Arbeitnehmerüberlassungen unter die noch zu schaffenden Regelungen fallen werden, ist aber noch völlig unklar.

Nach der derzeitigen Rechtslage bedürfen Arbeitgeber (Verleiher), die Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeiter) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit überlassen wollen, grundsätzlich gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG einer Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit. Eine ohne diese Erlaubnis vorgenommene Arbeitnehmerüberlassung führt unter anderem zu der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher.

Nicht erlaubnispflichtig ist die Arbeitnehmerüberlassung unter anderem dann, wenn die Voraussetzungen des § 1a AÜG erfüllt sind. Dieser Ausnahmetatbestand setzt voraus, dass ein Arbeitgeber mit weniger als 50 Beschäftigten zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen einen Arbeitnehmer, der nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird, bis zur Dauer von zwölf Monaten einem anderen Arbeitgeber überlässt. In diesen Fällen bedarf die Überlassung lediglich der vorherigen schriftlichen Anzeige bei der Bundesagentur für Arbeit.

Die Regelung des § 1 Abs. 3 AÜG stellt darüber hinaus bestimmte weitere Fälle der Arbeitnehmerüberlassung weitgehend von den Pflichten des AÜG frei. Im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 AÜG sind lediglich das Verbot der Arbeitnehmerüberlassung im Baugewerbe (§ 1b S. 1 AÜG), die damit korrespondierende Ordnungswidrigkeitenbestimmung in § 16 AÜG sowie Durchführungsregelungen in den §§ 17, 18 AÜG anwendbar.  Nach einer Einschätzung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) soll Arbeitnehmerüberlassung aufgrund der bestehenden Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG in den aktuellen Bedarfsfällen grundsätzlich möglich sein. Danach ist eine Arbeitnehmerüberlassung erlaubnisfrei, wenn die Überlassung nur gelegentlich erfolgt und der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird. Was unter „gelegentlich“ zu verstehen ist, hat die Rechtsprechung allerdings noch nicht abschließend geklärt. Nicht auf diesen Ausnahmetatbestand gestützt werden kann jedenfalls eine gewerbsmäßige und auf Dauer angelegte Überlassung (vgl. BAG vom 02.06.2010, 7 AZR 946/08, NZA 2011, 351). Für eine „gelegentliche“ Überlassung dürfte demgegenüber sprechen, wenn der Personaleinsatz von vornherein zeitlich begrenzt für eine kurze Dauer (weniger als 18 Monate) lediglich gegen Erstattung der Brutto-Personalkosten erfolgt und dem Verleiher dadurch auch mittelbar keine wirtschaftlichen Vorteile erwachsen. Ebenso ist ungeklärt, ob diese Ausnahmeregelung europarechtlich zulässig ist – vorsichtshalber sollte daher der equal pay-Grundsatz beachtet werden.

Wenn Sie sich dazu entscheiden, die Arbeitnehmerüberlassung anhand der oben beschriebenen Voraussetzungen durchzuführen, müssen Sie Zusatzvereinbarungen mit den betreffenden Mitarbeitern und mit dem Entleiher einen Rahmenvertrag zur Arbeitnehmerüberlassung abschließen. Sprechen Sie uns gerne an, falls Sie weitere Fragen haben oder kurzfristig entsprechende Vertragsmuster benötigen.

Land Brandenburg plant befristete Sonderregelungen, um die Handlungsfähigkeit der brandenburgischen Kommunen aufrecht zu erhalten (Entwurf eines Brandenburgischen kommunalen Notlagegesetzes – BbgKomNotG- LT-Drs. 7/991)

Die Regierungsfraktionen haben einen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht, mit dem die Handlungsfähigkeit der Kommunen angesichts der Corona-Pandemie gesichert werden soll. Vorgesehen ist eine Verordnungsermächtigung zugunsten des Ministers des Innern und für Kommunales, durch die zeitlich befristet bis zum 30. Juni 2020 Ausnahmen von bestimmten – eigentlich zwingenden – Regelungen der Kommunalverfassung zugelassen werden kann.

Ausnahmen im Verordnungswege sollen ermöglicht werden

1. von dem Verbot der Übertragung von Entscheidungskompetenzen in der Allzu-ständigkeit der Gemeindevertretung auf den Hauptausschuss,

2. von der Pflicht, Sitzungen der Gemeindevertretung und des Hauptausschusses als Präsenzsitzungen durchzuführen,

3. von dem Verbot, im schriftlichen Umlaufverfahren Beschlüsse der Gemeinde-vertretung und des Hauptausschusses zu fassen,

4. von der Pflicht, bei Präsenzsitzungen unmittelbare Sitzungsöffentlichkeit zu gewährleisten,

5. von der Pflicht, bereits festgelegte kommunale Wahlen und nach gesetzlicher Vorschrift festzusetzende oder festgesetzte Bürgerentscheide vor dem Außerkrafttreten dieses Gesetzes nach § 3 durchzuführen,

6. von dem Verbot, noch nach der konstituierenden Sitzung weitere Stellvertreter unter Berücksichtigung des Spiegelbildlichkeitsgrundsatzes für die Mitglieder des Hauptausschusses zu bestellen

Die Verordnung darf – so der Gesetzentwurf – nur nach Anhörung der kommunalen Spitzenverbände und – einigermaßen ungewöhnlich – im Einvernehmen mit dem Ausschuss für Inneres und Kommunales des Landtags Brandenburg erlassen werden.

Die durch das Gesetz (bzw. die darauf gestützte Verordnung) ermöglichten Befreiungen von an sich zwingenden Vorschriften der Kommunalverfassung sind gravierend. Sie tangieren in erster Linie das Öffentlichkeitsgebot kommunaler Gremiensitzungen (§ 36 Abs. 2 Satz 1 und § 44 Abs. 2 und 3 BbgKVerf). Dabei ist u.a. unklar, wie Öffentlichkeit hergestellt bzw. gewährleistet werden soll, wenn die Sitzung der Gemeindevertretung bzw. des Hauptausschusses nicht als Präsenssitzung durchgeführt werden. Zweifelhaft sind auch durch Gesetz/Verordnung ermöglichten Einschränkungen des Öffentlichkeitsgebots, wenn man zum Vergleich den Regelungsmechanismus bei Eilentscheidung des Hauptverwaltungsbeamten nach § 58 BbgKVerf in den Blick nimmt. Letztgenannte Entscheidung müssen in einer nachfolgenden (grundsätzlich öffentlichen) Sitzung des zuständigen Organs genehmigt werden. Ein derartiges nachholendes Verfahren sieht der Gesetzentwurf für öffentlichkeitsbeschränkte Maßnahmen aufgrund einer Notlageverordnung nicht vor.

Aktuelle Informationen zu den Voraussetzungen und der Beantragung von Kurzarbeit für Arbeitgeber (aktualisiert am 23. April 2020)

Das Corona-Virus erschüttert die Wirtschaft. Der Kampf gegen die Verbreitung des Virus trifft Unternehmen aller Größen und Branchen, sei es durch vollständige Betriebsschließungen, verkürzte Öffnungszeiten oder ausbleibende Kundschaft – während die laufenden Ausgaben und insbesondere die Gehälter weiterhin gezahlt werden müssen. So werden die meisten Arbeitgeber nicht umhinkommen, sich mit dem Thema Kurzarbeit auseinanderzusetzen. Wir haben nachfolgend praktische Informationen für Sie zusammengestellt und werden diese in den kommenden Wochen fortlaufend aktualisieren.

1. Was ist eigentlich Kurzarbeit?

Die Kurzarbeit steht Ihnen als Mittel zur Überbrückung vorübergehender erheblicher Arbeitsausfälle im Betrieb zur Verfügung, vorausgesetzt die Ausfälle beruhen auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis und waren unvermeidbar. Kurzarbeit stellt also eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass Arbeitnehmer gemäß § 615 BGB ihren Anspruch auf die vereinbarte Vergütung auch dann behalten, wenn der Arbeitgeber sie aus wirtschaftlichen Gründen nicht oder nicht voll beschäftigen kann. Durch die Anordnung von Kurzarbeit wird der Arbeitgeber von der Vergütungspflicht für Zeiten der Arbeitsausfälle befreit, gleichzeitig wird die Arbeitsverpflichtung der Arbeitnehmer um die Zahl der ausgefallenen Stunden gekürzt. Die übrigen Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien bleiben während der Zeit der Kurzarbeit unverändert bestehen. Soweit die Arbeit nicht vollständig entfällt (sog. Kurzarbeit „Null“), erhalten die Arbeitnehmer für die Zeit, die sie noch arbeiten, die volle auf diesen Teil entfallende Bruttovergütung („Kurzlohn“), für die wegfallende Arbeitszeit können Sie Kurzarbeitergeld von der Bundesagentur für Arbeit erhalten.

Die Bundesagentur für Arbeit hat betriebliche Schwierigkeiten infolge der Ausbreitung des Corona-Virus bereits als Grund für die Gewährung von Kurzarbeit anerkannt.

2. In welcher Höhe und an wen wird das Kurzarbeitergeld ausgezahlt?

Wenn Kurzarbeit angeordnet wird, müssen Sie nur für den auf die tatsächlich geleisteten Stunden entfallenen Bruttolohn, also den sog. „Kurzlohn“ aufkommen. Für die fehlende Arbeitszeit gewährt die Arbeitsagentur das Kurzarbeitergeld. Dieses beträgt allgemein 60 % der Nettoentgeltdifferenz des Monats, in dem die Arbeit ausgefallen ist. Sofern der Arbeitnehmer über einen auf der elektronischen Lohnsteuerkarte eingetragenen Kinderfreibetrag (mind. 0,5) verfügt, erhält er einen erhöhten Leistungssatz von 67 %.


Die große Koalition hat nach langwierigen Verhandlungen am 22. April 2020 verkündet, dass das Kurzarbeitergeld infolge der Corona-Krise befristet bis zum 31. Dezember 2020 wie folgt angehoben werden soll: ab dem vierten Monat der Kurzarbeit wird das Kurzarbeitergeld für kinderlose Beschäftige auf 70 %, für Beschäftigte mit Kindern auf 77 % der Nettoentgeltdifferenz erhöht. Ab dem siebten Monat sollen Arbeitnehmer, die ihre Arbeitszeit um mindestens die Hälfte reduzieren mussten, 80 bzw. 87 % der Nettoentgeltdifferenz erhalten.


Die Nettoentgeltdifferenz ergibt sich aus der Differenz zwischen dem pauschalierten Netto-Sollentgelt (also dem Nettoeinkommen ohne Kurzarbeit) und dem pauschalierten Netto-Istentgelt (dem tatsächlichen Nettoeinkommen bei Kurzarbeit) des Monats, in dem der Arbeitsausfall erfolgt ist. Als Soll-Entgelt wird allerdings nur das regelmäßige laufende Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt, diese liegt aktuell bei 6.900,00 EUR (West) oder 6.450,00 EUR (Ost). Wie beim Arbeitslosengeld ist damit der Entgeltausfall bis zu dem Entgelt abgesichert, aus dem Beiträge entrichtet werden. Entfällt die Arbeit komplett, beträgt die Nettoentgeltdifferenz demnach 100 % (sog. „Kurzarbeit Null“), maximal bei 67 % aber 4.623,00 EUR (West) bzw. 4321,50 EUR (Ost). Verdienen Arbeitnehmer über der Beitragsbemessungsgrenze, sind ihre Einbußen also auch entsprechend höher. Zur leichteren Berechnung des Kurzarbeitergeldes hat die Bundesagentur für Arbeit eine pauschalierte Tabelle erstellt.

Wenn der Arbeitnehmer nach der Einführung der Kurzarbeit eine weitere Beschäftigung, auch einen Minijob, aufnimmt oder das aus einer weiteren bereits bestehenden Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit erzielte Einkommen erweitert, wird der zusätzlich eingenommene Betrag dem Netto-Istentgelt des Arbeitnehmers hinzugerechnet und vermindert somit den Anspruch auf Kurzarbeitergeld.

Dazu ein Beispiel: das Bruttoarbeitsentgelt (ohne Kurzarbeit) eines Arbeitnehmers, dessen elektronische Lohnsteuerkarte die Steuerklasse III und einen Kinderfreibetrag von 1,0 beinhalten, beträgt 5.000,00 EUR. Während der Kurzarbeit arbeitet er noch 50 %, erhält dafür also einen Lohn von 2.500,00 EUR. Für das Soll-Entgelt von 5.000,00 EUR beträgt der rechnerische Leistungssatz ausweislich der oben genannten Tabelle der Bundesagentur für Arbeit 2.252,60 EUR, für das Ist-Entgelt von 2.500,00 EUR ist der rechnerische Leistungssatz 1.295,11 EUR. Damit beträgt das Kurzarbeitergeld 957,49 EUR (2.252,60 EUR – 1.295,11 EUR). Nimmt dieser Arbeitnehmer während der Kurzarbeit einen Nebenjob im Umfang von 450,00 EUR an, so wird dieses Nebeneinkommen dem Ist-Entgelt in voller Höhe hinzugerechnet, § 106 Abs. 3 SGB III – im Beispiel beträft das Ist-Entgelt nun 2.950,00 EUR. Damit verringert sich die Differenz zwischen Soll-Entgelt und Ist-Entgelt sowie das Kurzarbeitergeld, das nun 768,66 EUR beträgt (2.252,60 EUR – 1.483,94 EUR).


Als Reaktion auf die Corona-Krise wurde die Anrechnung von Einkommen aus bestimmten Nebentätigkeiten für Bezieher von Kurzarbeitergeld durch das „Gesetz für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (Sozialschutz-Paket)“ wie folgt erleichtert:

  • Dem dritten Sozialgesetzbuch wurde ein neuer § 421c eingefügt, nach dem in Abweichung von § 106 Abs. 3 SGB III Einkommen aus einer Nebenbeschäftigung in sog. „systemrelevanten Branchen und Berufen“ übergangsweise vom 1. April 2020 bis zum 31. Oktober 2020 bis zur Höhe des Netto-Sollentgelts aus dem von Kurzarbeit betroffenen Beschäftigungsverhältnis nicht in der oben beschriebenen Weise auf das Kurzarbeitergeld angerechnet wird. Die Regelung soll den finanziellen Anreiz zur Aufnahme einer Nebenbeschäftigung dort erhöhen, wo derzeit Mitarbeiter fehlen – insbesondere in der Landwirtschaft werden dringend Saisonarbeitskräfte gebraucht. Wird eine Nebentätigkeit in einem nicht systemrelevanten Bereich aufgenommen, bleibt es bei der oben dargestellten Rechtslage.

Am 22. April 2020 hat die große Koalition angekündigt, die oben beschriebene Möglichkeit des anrechnungsfreien Hinzuverdienstes ab dem 1. Mai bis Ende des Jahres 2020 auf alle Berufe auszuweiten.


Wichtig ist, dass Sie sowohl den Kurzlohn als auch das Kurzarbeitergeld auszahlen, das Kurzarbeitergeld wird Ihnen von der Arbeitsagentur erstattet.

3. Welche Neuerungen beinhaltet das „Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld“?

In einem Schnellverfahren wurde das „Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld“ (BGBl. 2020 I, 493) verabschiedet; es ist am 14. März 2020 in Kraft getreten. Dieses Gesetz enthält eine Verordnungsermächtigung, die es der Bundesregierung ermöglicht, ohne Zustimmung des Bundesrates im Falle außergewöhnlicher Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt bestimmte, bis zum 31. Dezember 2021 befristete Erleichterungen für Arbeitgeber im Zusammenhang mit Kurzarbeit zu schaffen. Die entsprechende Verordnung darf folgende Regelungen treffen:

  • Absenken des Quorums der im Betrieb Beschäftigten, die vom Arbeitsausfall betroffen sein müssen, auf bis zu 10 Prozent. Bislang musste mindestens ein Drittel der Belegschaft von Arbeitszeitreduzierungen betroffen sein, bevor Kurzarbeitergeld gewährt werden konnte, § 96 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB III.
  • Teilweise oder sogar vollständiger Verzicht auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden. Betriebe, in denen Vereinbarungen zu Arbeitszeitschwankungen bestehen, mussten diese grundsätzlich zur Vermeidung von Kurzarbeit einsetzen, §§ 96 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 SGB III.
  • Vollständige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge durch die Bundesagentur für Arbeit. Bislang hatte der Arbeitgeber während des Bezugs von Kurzarbeitergeld die darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen.
  • Ermöglichung des Kurzarbeitergeldbezugs auch für Leiharbeitnehmer. Leiharbeitnehmer hatten bisher keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld, § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG.

Wir möchten an dieser Stelle darauf hinweisen, dass der Text der Verordnung selbst noch nicht veröffentlicht wurde und wir ihn daher bislang noch nicht prüfen konnten, um die tatsächliche Einführung der ermöglichten Maßnahmen zu bestätigen. Laut einer Meldung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sollen die genannten Erleichterungen rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft treten und auch rückwirkend ausgezahlt werden.

4. Unter welchen Voraussetzungen dürfen Sie Kurzarbeit in Ihrem Betrieb anordnen?

Die Kurzarbeit dürfen Sie nicht einseitig im Wege des Direktionsrechts anordnen. Vielmehr bedarf es einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage. In Betracht kommen ein Tarifvertrag, einzelvertragliche Abreden im Arbeitsvertrag oder eine Betriebsvereinbarung. Gibt es eine solche Rechtsgrundlage nicht, müssen Sie die Kurzarbeit mit den betroffenen Mitarbeitern jetzt noch vereinbaren. Für eine solche Vereinbarung sollten Sie die Arbeitnehmer möglichst nicht zu Hause aufsuchen, sondern die Vereinbarung am Arbeitsplatz abschließen. Bei einer Zustimmung außerhalb Ihrer Geschäftsräume müssten Sie dem Arbeitnehmer gemäß § 312g BGB ein Widerrufsrecht von 14 Tagen einräumen. Gibt es in Ihrem Betrieb einen Betriebsrat können Sie auch jetzt noch eine Betriebsvereinbarung abschließen. Da eine Betriebsvereinbarung unmittelbar und zwingend auf die Arbeitsverhältnisse einwirkt, ersetzt sie die entsprechende Änderung des Arbeitsvertrages (BAG vom 14.02.1991, 2 AZR 415/90, NZA 1991, 607).

Bitte beachten Sie, dass die Rechtsprechung zum Schutz der Arbeitnehmer einige inhaltliche Anforderungen an die vertragliche Einführung von Kurzarbeit stellt:

  • Nach einer Entscheidung des LAG Berlin Brandenburg soll der allgemeine Hinweis im Arbeitsvertrag, wonach der Arbeitgeber bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Kurzarbeit anordnen darf, zu unbestimmt und damit unwirksam sein (LAG Berlin-Brandenburg vom 07.10.2010, 2 Sa 1230/10, NZA-RR 2011, 65). Danach soll es notwendig sein, bereits im Arbeitsvertrag die Voraussetzungen, unter denen Kurzarbeit angeordnet werden darf, näher darzustellen. Erste Praxiserfahrungen in den aktuellen Kurzarbeitsfällen zeigen aber, dass jedenfalls die Bundesagentur für Arbeit auch sehr allgemein gehaltene Regelungen im Arbeitsvertrag für ausreichend erachtet.
  • Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Betriebsvereinbarungen über die Einführung von Kurzarbeit die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten so deutlich regeln müssen, dass diese für die Arbeitnehmer zuverlässig zu erkennen sind. Erforderlich sind mindestens die Bestimmung von Beginn und Dauer der Kurzarbeit, die Regelung der Lage und Verteilung der Arbeitszeit sowie die Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer (BAG vom 18.11.2015, 5 AZR 491/14, NZA 2016, 565).

Ist die vertragliche Regelung, auf Grundlage derer die Kurzarbeit angeordnet werden soll, unwirksam, besteht das Risiko, dass einzelne Arbeitnehmer später die Differenz zwischen Kurzarbeitergeld und Soll-Bruttovergütung doch noch gegen Sie geltend machen.

5. Welche Interessen könnte ein Arbeitnehmer daran haben, jetzt noch eine Zusatzvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit zu unterzeichnen? Welche Anreize können Sie gegebenenfalls setzen?

Verständlicherweise wird es vorkommen, dass Arbeitnehmer zunächst zögern, eine entsprechende Einwilligung über die Einführung von Kurzarbeit zu unterzeichnen. Schließlich ist Kurzarbeit für sie regelmäßig mit Gehaltseinbußen verbunden.

Allerdings lohnt es sich auch für Arbeitnehmer vorauszudenken: Sinn der Kurzarbeit ist es, Unternehmen wirtschaftlich zu stützen und Arbeitsplätze damit langfristig zu sichern. Letztlich dürfte kein Arbeitsnehmer ein Interesse daran haben, dass sein Arbeitgeber sich gezwungen sieht in die Insolvenz zu gehen, weil er die Belastungen infolge der Corona-Krise nicht tragen konnte. Die Arbeitnehmer sind im Falle der Kurzarbeit auch nicht schutzlos gestellt, denn sie haben bei bewilligter Kurzarbeit einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Es kann für eine Dauer von bis zu zwölf Monaten bewilligt werden. Des Weiteren ist es zulässig, dass der Arbeitgeber mit den Arbeitnehmern vereinbart, einen Teil der Differenz oder sogar die volle Differenz zwischen seinem vollen Gehalt und dem Kurzlohn zuzüglich Kurzarbeitergeld durch Zuschüsse auszugleichen, sodass der Arbeitnehmer letztlich mit weniger oder sogar ganz ohne finanzielle Einbußen da steht. Dies kann für den Arbeitgeber noch immer wirtschaftlich vorteilhaft sein, denn das Kurzarbeitergeld bekommt er von der Agentur für Arbeit erstattet. Bitte beachten Sie allerdings, dass nach der bisherigen Rechtslage unter Umständen Sozialversicherungsbeiträge auf den Zuschuss zu zahlen sind. Wenn der Zuschuss zusammen mit dem Kurzarbeitergeld 80% des ausgefallenen Arbeitsentgelts übersteigt, ist nur der übersteigende Betrag des Zuschusses beitragspflichtig.

Dazu ein Beispiel: das Bruttoarbeitsentgelt (ohne Kurzarbeit) eines Arbeitnehmers, dessen elektronische Lohnsteuerkarte die Steuerklasse III und einen Kinderfreibetrag von 1,0 beinhalten, beträgt 5.000,00 EUR, während der Kurzarbeit (50%) wird ein Lohn von 2.500,00 EUR erzielt. Für das Soll-Entgelt von 5.000,00 EUR ist der rechnerische Leistungssatz 2.252,60 EUR, für das Ist-Entgelt von 2.500,00 EUR ist der rechnerische Leistungssatz 1.295,11 EUR. Damit beträgt das Kurzarbeitergeld 957,49 EUR (Siehe Beispiel unter Punkt 2). Demnach läge der höchstmögliche beitragsfreie Zuschuss nach folgender Rechnung bei 1.042,51 EUR: 2.000,00 EUR (80 % des ausgefallenen Entgelts von 2.500,00 EUR) – 957,49 EUR (Kurzarbeitergeld).

6. Welche Rechte hat der Betriebsrat im Zusammenhang mit Kurzarbeit?

Wenn bei Ihnen ein Betriebsrat besteht, so dürfen seine Rechte im Zusammenhang mit der Anordnung von Kurzarbeit nicht übergangen werden. Welche Rechte der Betriebsrat hat hängt maßgeblich davon ab, welche vertraglichen Grundlagen es für die Kurzarbeit in Ihrem Unternehmen bereits gibt.

  • Soweit inhaltliche tarifvertragliche Regelungen zur Kurzarbeit nicht bestehen, was im Einzelfall geprüft werden muss, und solche Regelungen auch nicht kurzfristig vereinbart werden können, ist die vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Eine Änderung der Arbeitszeit und der Lohnzahlungspflicht für die Dauer der Kurzarbeitsperiode kann ohne Rücksicht auf den Willen der Arbeitnehmer nur durch eine Betriebsvereinbarung i. S. v. § 77 BetrVG herbeigeführt werden. Nur sie wirkt unmittelbar und zwingend auf die Arbeitsverhältnisse ein, § 77 Abs. 4 BetrVG, eine formlose Regelungsabrede zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber genügt hingegen nicht (BAG vom 14.02.1991, 2 AZR 415/90, NZA 1991, 607).
  • Aber auch wenn eine vertragliche Grundlage für die Anordnung von Kurzarbeit besteht (etwa mit einer entsprechenden Kurzarbeitsklausel im Arbeitsvertrag), hat der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte im Hinblick auf die Fragen, ob und in welchem Umfang Kurzarbeit eingeführt werden und wie die veränderte Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage verteilt werden soll.

7. Muss die Arbeitszeit für alle Beschäftigten gleichmäßig gekürzt werden?

Die Reduzierung der Arbeitszeit hängt vom Arbeitsausfall ab. Daher können Unterschiede wegen der Art der Tätigkeit gemacht werden; wenn beispielsweise in bestimmten Abteilungen des Unternehmens kein Arbeitsausfall zu verzeichnen ist, dann müssen die dort beschäftigten Arbeitnehmer auch keine Kurzarbeit leisten. Bei gleicher Arbeit und gleicher Qualifikation sollte die Reduzierung allerdings wegen des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes im gleichen Maße erfolgen. Der Einsatz in unterschiedlichen Projekten oder bei unterschiedlichen Kunden kann aber auch ein zulässiges Differenzierungsmerkmal sein. 

8. Welche Voraussetzungen müssen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld vorliegen?

Damit die Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeitergeld gewährt, muss insbesondere ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegen, § 95 SGB III. Der Arbeitsausfall muss auf einem unabwendbaren Ereignis oder auf wirtschaftlichen Gründen beruhen, § 96 SGB III. Dies trifft etwa dann zu, wenn Ihnen die Kunden aus Angst vor Corona fernbleiben oder Aufträge ausbleiben und Sie erhebliche Umsatzeinbußen erleiden. Ein unabwendbares Ereignis liegt auch dann vor, wenn etwa durch staatliche Schutzmaßnahmen Betriebe geschlossen werden. Weitere Voraussetzung für den Bezug von Kurzarbeitergeld ist, dass die üblichen Arbeitszeiten vorübergehend wesentlich, das heißt um mehr als zehn Prozent, verringert sind. Hierbei kann die Arbeitszeit anteilig oder vollständig (sog. Kurzarbeit Null) verringert werden. Ausgehend von dem „Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld“ kann Kurzarbeitergeld bereits dann gewährt werden, wenn nur zehn Prozent (statt regulär ein Drittel) der Belegschaft von den Arbeitsausfällen betroffen sind.

9. Wie wird Kurzarbeitergeld beantragt?

Die Anzeige und Beantragung von Kurzarbeitergeld erfolgt in einem zweistufigen Verfahren:

  • Die Kurzarbeit müssen Sie bei der örtlichen Arbeitsagentur schriftlich oder elektronisch anzeigen, § 99 SGB III, ein entsprechendes Formular der Bundesagentur für Arbeit ist online abrufbar. Mit der Anzeige sind das Vorliegen eines erheblichen Arbeitsausfalls und die betrieblichen Voraussetzungen für das Kurzarbeitergeld glaubhaft zu machen, § 99 Abs. 1 SGB III. Ihrer Anzeige zur Einführung von Kurzarbeit ist gegebenenfalls eine Stellungnahme des Betriebsrats beizufügen. Laut Merkblatt der Bundesagentur für Arbeit haben Sie zudem die Ankündigung der Kurzarbeit und die Vereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit vorzulegen. Die Agentur für Arbeit hat Ihnen sodann unverzüglich einen schriftlichen Bescheid darüber zu erteilen, ob auf Grund der vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt und die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind, § 99 Abs. 3 SGB III. Sie errechnen das Kurzarbeitergeld und zahlen es an Ihre Beschäftigten aus.
  • Darauf aufbauend können Sie in einem zweiten Schritt die Erstattung des Kurzarbeitergeldes beantragen, auch dieses Formular können Sie online abrufen.

10. Wie muss ich den quantitativen Arbeitsausfall darlegen und glaubhaft machen?

Sie müssen der Agentur für Arbeit alle Umstände, die für einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld erheblich sind, vollständig mitteilen, vgl. § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB I. Bei der Glaubhaftmachung können Sie sich aller Beweismittel bedienen, vgl. § 294 Abs. 1 ZPO. Die Glaubhaftmachung verlangt damit keine endgültige, aber dennoch eine sehr weitgehende Überzeugung der Mitarbeiter der Agentur für Arbeit.

Wenn Ihr Betrieb wegen der Verordnung zur Eindämmung des Coronavirus in Berlin komplett schließen musste, dürfte eine Darlegung des Unternehmensgegenstandes unter Hinweis auf die einschlägige Regelung in der Verordnung ausreichen.

11. Kann das Kurzarbeitergeld für alle Arbeitnehmer beantragt werden?

Sie können Kurzarbeitergeld nur für diejenigen Arbeitnehmer beantragen, die auch versicherungspflichtig in der Arbeitslosenversicherung sind. Minijobber und Rentner sind beispielsweise versicherungsfrei, für sie kann daher kein Kurzarbeitergeld beantragt werden. Da die im “Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld” enthaltene Verordnungsermächtigung dazu nichts enthält, dürfte es auch vorerst bei diesem Grundsatz bleiben.

Für Auszubildende sollte Kurzarbeit in der Regel vermieden werden. Da die meisten Ausbildungsordnungen die Leistung praktischer Ausbildungszeiten in einem bestimmten Umfang vorsehen und diese im Falle von Kurzarbeit eventuell nicht mehr gewährleistet werden, könnte das Ausbildungsziel gefährdet sein. Wenn aber der Einsatz der Auszubildenden nicht mehr vollständig möglich ist, ist auch für diese die Einführung von Kurzarbeit möglich.

12. Welcher Zeitpunkt ist für die Auszahlung des Kurzarbeitergeldes durch die Arbeitsagentur maßgeblich?

Kurzarbeitergeld wird gemäß § 99 Abs. 2 SGB III frühestens von dem Kalendermonat an geleistete, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist. Solange die Anzeige also beispielsweise im März 2020 bei der Agentur für Arbeit eingeht, kann bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen Kurzarbeitergeld rückwirkend für den Monat März gewährt werden. Je nachdem, wie lange die Arbeitsagentur für die Bearbeitung des Vorganges braucht, müssen Sie also möglicherweise mit der Auszahlung des Kurzarbeitergeldes in Vorleistung gehen.

13. Wie wirkt sich die Kurzarbeit auf Urlaubsansprüche aus?

Urlaub kann während der Kurzarbeit genommen werden, der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Urlaubsentgelt in der üblichen Höhe, § 11 Abs. 3 Satz 1 BUrlG. Bereits genehmigter Urlaub ist auch zu nehmen. Möchte der Arbeitnehmer also wegen der derzeit bestehenden Reisewarnungen seinen Urlaub lieber absagen, muss sich der Arbeitgeber nicht darauf einlassen und darf es wohl auch nicht, wenn für die Zeit Kurzarbeit vorgesehen ist.

Allerdings hat der Europäische Gerichtshof auf Vorlage des Arbeitsgerichts Passau entschieden, dass sich der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers im Verhältnis zur Arbeitszeitverkürzung verringern kann (EuGH vom 08.11.2012, C-229/11 und C-230/11). Nach Auffassung des EuGH ist die Situation eines Arbeitnehmers in Kurzarbeit insoweit mit derjenigen eines Teilzeitbeschäftigten vergleichbar. Unklar ist jedoch, ob sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub mit der Anordnung der Kurzarbeit automatisch verkürzt oder ob diese Rechtsfolge nur dann eintritt, wenn es hierzu eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung gibt. Daher ist vorsichtshalber anzuraten, die anteilige Reduzierung von Urlaubsansprüchen im Verhältnis zur Kurzarbeit ausdrücklich vorzusehen.

14. Ist der Arbeitnehmer verpflichtet, vorrangig Urlaub zu nehmen?

Kurzarbeit kann nur angemeldet werden, wenn der Arbeitsausfall unvermeidbar war und Sie alles getan haben, um ihn zu vermeiden oder zu beheben. Zur Verhinderung des Arbeitsausfalls kommt die Anordnung von Urlaub in Betracht. Bestehen noch übertragbare Urlaubsansprüche aus 2019, sind diese auch grundsätzlich zur Vermeidung der Zahlung von Kurzarbeitergeld einzubringen. Dasselbe dürfte für Urlaubsansprüche aus 2020 gelten, sofern die betreffenden Urlaubstage nicht bereits genehmigt oder wenigstens verplant sind. Stehen hingegen vorrangige Urlaubswünsche der Arbeitnehmer der Anordnung des Urlaubs entgegen, dürfen Sie die Arbeitnehmer wohl nicht anweisen, ihren Urlaub aus 2020 zur Vermeidung von Kurzarbeit jetzt zu verbrauchen, vgl. § 96 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 i. V. m. § 7 Abs. 1 BUrlG. Für den Urlaub des Jahres 2020 genügt der Bundesagentur für Arbeit nach jetzigem Stand der Dinge grundsätzlich eine Urlaubsliste, aus der erkennbar ist, dass die von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer ihren gesamten Urlaub für das Jahr 2020 bereits verplant haben.

15. Schließt die Gewährung von Kurzarbeitergeld eine später gegebenenfalls notwendige betriebsbedingte Kündigung aus?

Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der die betriebsbedingte Kündigung nur als letztes Mittel zulässt, kann die Einführung von Kurzarbeit bei vorübergehendem Arbeitsausfall als milderes Mittel eine betriebsbedingte Kündigung unzulässig machen. Grundsätzlich spricht die Einführung von Kurzarbeit auch dafür, dass der Arbeitgeber aufgrund der von ihm vorgenommenen betriebswirtschaftlichen Prognose von einem nur vorübergehenden Arbeitsmangel ausgegangen ist. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass sich der Beschäftigungsbedarf abweichend von der zuvor getroffenen Prognose nicht wieder regeneriert. Entfällt der Beschäftigungsbedarf aufgrund solcher später eingetretenen Gründe dauerhaft, ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes auch eine betriebsbedingte Kündigung möglich (BAG vom 23.02.2012, 2 AZR 548/10, NZA 2012, 582). Die Gründe, die zur Legitimation der Kurzarbeit gedient haben, sind im Umkehrschluss für die Begründung eines dringenden betrieblichen Erfordernisses i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG verbraucht. In einem Kündigungsschutzprozess trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsache, dass eine Beschäftigungsmöglichkeit für einzelne von der Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmer – entgegen seiner zuvor getroffenen Prognose – dauerhaft entfallen ist.

Für Bereiche, in denen keine Kurzarbeit vereinbart wird, können aber trotz Kurzarbeit in anderen Bereichen auch betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden. Sofern bestimmte Größenordnungen erreicht werden, ist an eine gegebenenfalls notwendige Massenentlassungsanzeige zu denken.


Sprechen Sie uns gerne an, falls Sie weitere Fragen zum Thema Kurzarbeit haben.


Bezahlte Freistellung nach den Corona-Kita- und Schulschließungen (aktualisiert am 30. März 2020)

Was noch wenigen Wochen als weit entferntes Worst-Case-Szenario erschien, ist jetzt Realität geworden: Schulen und Kitas sind flächendeckend geschlossen. Viele Beschäftigte können ihrer Arbeitsverpflichtung wegen der Betreuung ihrer Kinder nicht mehr oder nicht mehr voll nachkommen. Muss der Arbeitgeber ihnen trotzdem das volle Gehalt bezahlen?


Neuer Erstattungsanspruch bei Kinderbetreuungskosten

Als Reaktion auf die Corona-Krise wurde eine Gesetzesänderung vorgenommen, nach der Eltern einen Entschädigungsanspruch erhalten, wenn sie wegen der notwendigen Betreuung ihrer Kinder einen Verdienstausfall erleiden. Der mit dem “Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite” neu eingefügte § 56 Abs. 1a IfSG sieht den Erstattungsanspruch unter folgenden Voraussetzungen vor:

  • die Betreuungseinrichtung oder die Schule wurde außerhalb der planmäßigen Schulferien von der zuständigen Behörde zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten vorübergehend geschlossen;
  • das betreffende Kind hat das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet oder es ist behindert und auf Hilfe angewiesen;
  • es kann keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sichergestellt werden;
  • durch die Eigenbetreuung erleidet der erwerbstätige Sorgeberechtigte, der den Anspruch geltend machen möchte, einen Verdienstausfall.

Nach § 56 Abs. 2 IfSG beträgt die Entschädigung 67 % des Verdienstausfalls, der dem Sorgeberechtigten infolge der Betreuung seines Kindes entstanden ist, höchstens aber 2.016,00 EUR im Monat; sie kann für längstens sechs Wochen gewährt werden.

Die meisten Eltern und darunter insbesondere die Alleinerziehenden, die die Betreuung ihrer Kinder aufgrund der Kita- und Schulschließungen nicht anders als durch die eigene Betreuung sicherstellen konnten, werden durch den Entschädigungsanspruch demnach erheblich entlastet. Nach der überholten Rechtslage hatten sie lediglich gegebenenfalls einen Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung gegen ihren Arbeitgeber aus § 616 BGB. Dieser Anspruch ist aber mit viel Unsicherheit verbunden: Zum einen kann er vertraglich ausgeschlossen sein und zum anderen sichert er die Fortzahlung des Gehaltes ohnehin nur für eine sehr begrenzte Dauer. Der neue Erstattungsanspruch ist demgegenüber unabhängig von arbeitsvertraglichen Regelungen und die Entschädigung kann für sechs Wochen, damit erheblich länger beansprucht werden. Weiterhin gilt aber: Wenn die Betreuung beispielsweise durch Partner, andere Familienmitglieder oder die den in sog. systemrelevanten Berufen tätigen Eltern weiterhin zur Verfügung stehenden Betreuungsmöglichkeiten organisiert werden kann, besteht kein Anspruch.


Der Grundsatz:

Der Arbeitnehmer behält für kurze Zeit seinen Lohnanspruch.

Aus § 616 Satz 1 BGB ergibt sich, dass Beschäftigte ihres Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig werden, dass sie für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit ohne eigenes Verschulden an der Dienstleistung verhindert sind. Kann die Kinderbetreuung also tatsächlich nicht anders gewährleistet werden, kann ein Beschäftigter demnach also für kurze Zeit zuhause bleiben, der Arbeitgeber muss ihm grundsätzlich dennoch sein ungekürztes Gehalt zahlen. Wie lange der Gehaltsanspruch trotz ausbleibender Arbeitsleistung weiterbesteht, ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ist in einer Meldung vom 15. März 2020 von zwei bis drei, maximal aber fünf Tagen ausgegangen. Die Rechtsprechung ist in dieser Frage ebenfalls nicht eindeutig, häufig wird in diesem Zusammenhang auch die Dauer des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt. Kann die Betreuung innerhalb dieses Zeitraums nicht anders organisiert werden und bleibt die Arbeitsleistung mit der Kinderbetreuung unvereinbar, beispielsweise weil eine Home Office-Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und dem Beschäftigten nicht möglich oder aber nicht durchführbar ist, bleibt dem Arbeitnehmer nur, sich Urlaub zu nehmen oder unbezahlt von der Arbeit freistellen zu lassen.

Wann dieser Grundsatz nicht gilt:

  • Ein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung besteht nur dann, wenn der Beschäftigte eine Kinderbetreuung nicht anderweitig gewährleisten kann, etwa durch den Partner oder andere Familienmitglieder. Eltern in sog. systemrelevanten Berufen haben nach den jeweils einschlägigen landesrechtlichen Regelungen Anspruch auf eine Notbetreuung, damit sie ihrer Arbeit weiterhin nachgehen können (vgl. hierzu die für Berlin geltende Liste).
  • § 616 BGB kann durch Arbeits- oder Tarifvertrag modifiziert werden. Rechtlich zulässig ist sogar ein vollständiger Ausschluss. In Tarifverträgen können sich ebenfalls Regelungen für eine zeitlich begrenzte bezahlte Freistellung oder bezahlten Sonderurlaub finden (vgl. dazu das aktuelle Rundschreiben des BMI für den Bereich des öffentlichen Dienstes).

Die aktuelle Situation stellt Arbeitgeber und Beschäftigte gleichermaßen vor neue Herausforderungen. Sprechen Sie uns gern für Ihre individuelle Lösung an.

Coronavirus – was Arbeitgeber und Arbeitnehmer wissen müssen (aktualisiert am 30. März 2020)

Die Zahl der mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 Infizierten in Deutschland steigt, in Berlin sind Stand heute 15 Fälle bekannt. Für die meisten Menschen sind die Auswirkungen im öffentlichen Leben bislang nur hier und da spürbar: die öffentlichen Verkehrsmittel sind morgens nicht ganz so voll wie sonst, die Supermarktregale abends ebenfalls. Es wurden aber in Berlin bereits erste Schulen vorübergehend geschlossen. Einige Fragen, die sich für Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Falle einer weiteren Ausbreitung des Virus stellen werden, beantworten wir in diesem Artikel.

1. Wie können Präventivmaßnahmen des Arbeitgebers aussehen?

Noch dürften die wenigsten Betriebe durch bekannte Krankheitsfälle direkt betroffen sein. Aber: der Arbeitgeber ist nach dem Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit gewährleisten und ihm möglich und zumutbar sind. Im Gegenzug sind die Arbeitnehmer gemäß §§ 15, 16 ArbSchG dazu verpflichtet, jede erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit unverzüglich dem Arbeitgeber zu melden und dessen arbeitsschutzrechtlichen Weisungen nachzukommen. Welche Maßnahmen im Bezug auf die Corona-Pandemie notwendig sind, kann zu diesem Zeitpunkt nicht mit Sicherheit gesagt werden. Sinnvoll und auch angezeigt ist jedoch die Erarbeitung betrieblicher Notfallpläne. Folgende Maßnahmen sind zu empfehlen:

  • Aufklärung der Arbeitnehmer über die Entstehung und die Symptome der Infektion;
  • Einführung verschärfter Hygienemaßnahmen in Unternehmen, beispielsweise: Hände häufig und gründlich waschen, Bereitstellen und Nutzen von Desinfektionsmitteln, Unterlassen des Händegebens zur Begrüßung, regelmäßiges Lüften geschlossener Räume;
  • Vertretungsregelungen und Priorisierung von Geschäftsabläufen für den Fall, dass Mitarbeiter punktuell ausfallen bzw. unter Quarantäne gestellt werden;
  • Prüfung, ob Homeoffice vereinbart und eingerichtet werden kann;
  • Arbeitnehmer danach befragen, ob sie in den letzten 14 Tagen mit infizierten und/oder mit Personen, die unter Infektionsverdacht stehen bzw. in gefährdeten Gebieten waren, in Kontakt standen;
  • Notfallpläne für den Fall behördlich angeordneter Betriebsschließungen (Information von Arbeitnehmern und Geschäftspartnern, Not- und Erhaltungsarbeiten, Gewährleistung des Zahlungsverkehrs, etc.)

2. Welche Möglichkeiten hat ein Arbeitgeber, dem infolge der Pandemie Umsatzeinbußen drohen?

Besonders kleine und mittelständische Unternehmen fürchten die wirtschaftlichen Auswirkungen einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus. Kommt es zu erheblichen Umsatzeinbußen wegen ausbleibender Kunden, zu Personalausfällen oder Lieferengpässen, hat ein Arbeitgeber die folgenden Möglichkeiten, um die wirtschaftlichen Folgen für seinen Betrieb zu mildern:

  • Der Arbeitgeber könnte den Betrieb vorübergehend schließen. Jedoch trägt er das Wirtschaftsrisiko sowie das Betriebsrisiko aus § 615 Satz 3 BGB, er bleibt den arbeitsfähigen und arbeitsbereiten Beschäftigten weiterhin zur Entgeltzahlung verpflichtet. Vom Wirtschaftsrisiko spricht man, wenn die Fortsetzung des Betriebs wegen Auftrags- oder Absatzmangels wirtschaftlich sinnlos wird. Unter dem Betriebsrisiko ist das Risiko des Arbeitgebers zu verstehen, seinen Betrieb nicht mit den zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln betreiben zu können. Die Gründe dafür können im Betrieb selbst begründet liegen, aber auch von außen auf Betriebsmittel wirkende Umstände fallen darunter – beispielsweise die Einstellung des Betriebes im Anschluss an eine behördliche Anordnung (vgl. LAG Düsseldorf vom 05.06.2003, 11 Sa 1464/02, BeckRS 2003 30458254). Ob, wie in Italien, Finanzspritzen für die Wirtschaft bereitgestellt werden, um Unternehmen in dieser Lage zu helfen, ist offen.
  • Besteht hierzu eine entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag, kann der Arbeitgeber auch berechtigt sein, Kurzarbeit anzuordnen. Ohne eine entsprechende Rechtsgrundlage darf Kurzarbeit jedoch nicht lediglich im Wege des Direktionsrechts veranlasst werden. Die Arbeitnehmer sind im Falle der Kurzarbeit nicht schutzlos gestellt, denn sie können bei einem Arbeitsausfall mit Entgelteinbußen einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben. Ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld vorliegen, prüft die zuständige Agentur für Arbeit im Einzelfall. Die Bundesagentur für Arbeit hat bereits angekündigt, dass die Gewährung von Kurzarbeitergeld aufgrund von betrieblichen Schwierigkeiten infolge der weltweiten Ausbreitung von Corona grundsätzlich möglich ist. Es kann für eine Dauer von bis zu zwölf Monaten bewilligt werden und wird in derselben Höhe wie Arbeitslosengeld bezahlt.
  • Zwangsurlaub darf der Arbeitgeber dagegen nicht ohne weiteres anordnen. Zwar kann der Arbeitgeber bis zu 3/5 des Jahresurlaubs für Betriebsferien reservieren (BAG vom 28.07.1981, 1 ABR 79/79, NJW 1982, 959). Allerdings dürfte die Urlaubsplanung für das laufende Jahr bereits überwiegend erfolgt sein. Zudem unterliegt die Anordnung von Betriebsferien gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrates. Schließlich hat er dabei die Interessen der Arbeitnehmer ausreichend zu berücksichtigen. Ein Corona-Zwangsurlaub dürfte kaum in deren Interesse liegen und eher die Vermutung zulassen, dass der Arbeitgeber sein Betriebsrisiko auf die Beschäftigten abwälzen will.
  • Freizeitausgleich für Überstunden darf der Arbeitgeber dagegen anordnen, soweit hierzu keine abweichende Vereinbarung mit dem Betriebs- bzw. Personalrat besteht.

3. Haben Arbeitnehmer, die durch behördliche Anordnung unter Quarantäne stehen, einen Anspruch auf Lohnfortzahlung?

Hinsichtlich der Entgeltfortzahlung ist danach zu unterscheiden, ob ein Arbeitnehmer tatsächlich erkrankt ist oder ob er nur vorsorglich zur Verhütung von weiteren Erkrankungen unter Quarantäne gestellt wurde.

  • Arbeitnehmer, die infolge einer Infektion mit dem Coronavirus arbeitsunfähig erkrankt und somit an ihrer Arbeitsleistung verhindert sind, haben gemäß § 3 EFZG wie auch bei sonstigen Erkrankungen einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den Zeitraum von sechs Wochen. Nach diesem Zeitraum haben gesetzlich Krankenversicherte grundsätzlich Anspruch auf Krankengeld.
  • Arbeitnehmer, für die aus präventiven Gründen von einer Behörde ein Tätigkeitsverbot ausgesprochen wurde oder die sogar unter Quarantäne gestellt worden sind, erhalten eine Entschädigung nach § 56 IfSG. Für die ersten sechs Wochen wird sie in Höhe des Verdienstausfalls vom Arbeitgeber ausgezahlt, die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet. Nach Ablauf von sechs Wochen zahlt der Staat die Entschädigung in Höhe des Krankengeldes weiter.

Hinweis: Auch Selbstständige bekommen eine Entschädigungszahlung; sie beträgt ein Zwölftel des Arbeitseinkommens des letzten Jahres vor der Quarantäne. Laut § 56 Abs. 4 IfSG erhalten Selbständige, die einen Betrieb oder Praxis haben, zudem Ersatz der in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben in angemessenem Umfang von der zuständigen Behörde.

4. Darf ein Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer nach Hause schicken, wenn er den Verdacht hegt, diese könnten mit Corona infiziert sein?

Corona ist hoch ansteckend, bereits ein einziger infizierter Arbeitnehmer könnte leicht weitere Arbeitnehmer infizieren und infolgedessen einen erheblichen Personalausfall verursachen. Zum Schutz der anderen Mitarbeiter und Kunden kann der Arbeitgeber berechtigt sein, möglicherweise ansteckende Beschäftigte nach Hause zu schicken. Dabei ist aber Vorsicht geboten: Es bedarf für ein solches Vorgehen objektivierbarer Indizien für eine bestehende Infektionsgefahr. Ist der Arbeitnehmer tatsächlich krank, so hat er den Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Wird ein Arbeitnehmer nur wegen eines Verdachts nach Hause geschickt, ist aber völlig gesund, so hat er zeitlich unbegrenzt Anspruch auf Annahmeverzugslohn gemäß § 615 BGB. Der Arbeitgeber ist demnach schlecht beraten, ein Beschäftigungsverbot aus präventiven Gründen selbst auszusprechen. Für diesen Fall besteht jedenfalls kein Anspruch auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz. Ob der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer zum Betriebsarzt schicken darf, um zu klären, ob sie an Corona erkrankt sind, ist strittig. Teilweise wird eine solche Pflicht im Hinblick auf die nebenvertraglichen Rücksichtnahmepflichten des Arbeitnehmers aus § 241 Abs. 2 BGB bejaht. Da eine solche Pflicht zur Teilnahme an einer ärztlichen Untersuchung die Grundrechte der Arbeitnehmer nicht unerheblich berühren würde, wird sie bislang überwiegend abgelehnt.

5. Dürfen Arbeitnehmer aus Angst vor Ansteckung zuhause bleiben? Gibt es einen Anspruch darauf, vorsorglich vorübergehend im Homeoffice zu arbeiten?

Wenn der Kollege Anzeichen einer Infektion trägt oder der Beruf mit Kontakt zu fremden Menschen verbunden ist, stellt sich für einige Arbeitnehmer die Frage, ob sie nicht besser freiwillig zuhause bleiben sollten.

  • Im Arbeitsrecht gilt aber grundsätzlich: Ist ein Arbeitnehmer arbeitsfähig, hat er auch seine vertraglichen Pflichten zu erfüllen. Ein allgemeines Recht, aus präventiven Gründen nicht zu arbeiten, gibt es – auch in Zeiten von Corona – nicht. Anderes könnte für besonders gefährdete Arbeitnehmer gelten, sie könnten sich unter Umständen auf das Leistungsverweigerungsrecht aus § 275 Abs. 3 BGB berufen. Dieses Recht besteht aber nur dann, wenn dem Arbeitnehmer unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Arbeitgebers nicht zugemutet werden kann. Deshalb sollte die individuelle Gefahrenlage vor dem Fernbleiben sehr genau mit einem Arzt geklärt werden. Wichtig ist außerdem, dass § 275 Abs. 3 BGB neben dem Leistungsverweigerungsrecht keinen Entgeltfortzahlungsanspruch gewährt.
  • Einen gesetzlichen Anspruch, von zu Hause arbeiten zu dürfen, haben Arbeitnehmer nicht. Arbeitgeber dürfen die Arbeit vom Homeoffice aus auch nicht einseitig anordnen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen sich diesbezüglich also einigen; soweit in Betriebs- oder Personalrat existiert, gelten idealerweise entsprechende kollektivrechtliche Vereinbarungen.

6. Darf ein Arbeitnehmer zuhause bleiben, wenn die Betreuung oder Pflege seiner Kinder nicht anders gewährleistet werden kann? Muss ihm der Arbeitgeber währenddessen Gehalt zahlen?

Es kommt darauf an:

  • Schließen Schulen oder Kitas als Vorsichtsmaßnahme, haben Eltern deswegen nicht grundsätzlich ein Recht darauf, unter Fortzahlung des Gehaltes zuhause zu bleiben; sie müssen vielmehr in erster Linie versuchen, für Ersatz in der Kinderbetreuung zu sorgen. Wenn wirklich keine andere Betreuung möglich ist, kann § 616 BGB weiterhelfen. Danach wird ein Arbeitnehmer, der ohne eigenes Verschulden und aus einem persönlichen Grund für einen nicht erheblichen Zeitraum verhindert ist und nicht zur Arbeit kommen kann, seines Gehaltsanspruchs dadurch nicht verlustig. Allerdings ist es wegen § 619 BGB möglich, dass die Pflicht zur Gehaltsfortzahlung in einem solchen Fall arbeitsvertraglich ausgeschlossen ist. Dann bleibt dem Beschäftigten nur, sich Urlaub zu nehmen oder unbezahlt von der Arbeit freistellen zu lassen.
  • Ist das Kind eines Arbeitnehmers allerdings am Coronavirus erkrankt, hat der Arbeitnehmer ein Recht darauf, zu Hause zu bleiben und sein Kind zu pflegen. Je nachdem, was im Vertrag steht, müssen Arbeitgeber ihm dann trotzdem weiter Gehalt zahlen. Ist dies nicht der Fall, springen unter Umständen die Krankenkassen ein. Nach § 45 SGB V haben gesetzlich versicherte Eltern einen Zahlungsanspruch, wenn ihr gesetzlich versichertes Kind unter zwölf Jahre alt ist, nach ärztlichem Attest von ihnen beaufsichtigt, betreut oder gepflegt werden muss und berufstätige Eltern daher nicht ihrer Arbeit nachgehen können und keine andere im Haushalt lebende Person die Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege übernehmen kann. Jedes Elternteil kann Kinderkrankengeld für bis zu zehn Arbeitstage pro Kind und Jahr, Alleinerziehende für bis zu 20 Arbeitstage pro Kind und Jahr beanspruchen; insgesamt ist der Anspruch auf 25 Arbeitstage bzw. bei Alleinerziehenden auf 50 Arbeitstage begrenzt. Berechnungsgrundlage für das Kinderkrankengeld ist das während der Freistellung ausgefallene Arbeitsentgelt, es werden grundsätzlich 90 Prozent vom ausgefallenen Nettoarbeitsentgelt oder sogar bis zu 100 Prozent bei vorherigen Einmalzahlungen als Kinderkrankengeld gezahlt.

Nachtrag Stand 30. März 2020:

Neuer Erstattungsanspruch bei Kinderbetreuungskosten

Als Reaktion auf die Corona-Krise wurde eine Gesetzesänderung vorgenommen, nach der Eltern einen Entschädigungsanspruch erhalten, wenn sie wegen der notwendigen Betreuung ihrer Kinder einen Verdienstausfall erleiden. Der mit dem “Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite” neu eingefügte § 56 Abs. 1a IfSG sieht den Erstattungsanspruch unter folgenden Voraussetzungen vor:

  • die Betreuungseinrichtung oder die Schule wurde außerhalb der planmäßigen Schulferien von der zuständigen Behörde zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten vorübergehend geschlossen;
  • das betreffende Kind hat das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet oder es ist behindert und auf Hilfe angewiesen;
  • es kann keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sichergestellt werden;
  • durch die Eigenbetreuung erleidet der erwerbstätige Sorgeberechtigte, der den Anspruch geltend machen möchte, einen Verdienstausfall.

Nach § 56 Abs. 2 IfSG beträgt die Entschädigung 67 % des Verdienstausfalls, der dem Sorgeberechtigten infolge der Betreuung seines Kindes entstanden ist, höchstens aber 2.016,00 EUR im Monat; sie kann für längstens sechs Wochen gewährt werden.

Die meisten Eltern und darunter insbesondere die Alleinerziehenden, die die Betreuung ihrer Kinder aufgrund der Kita- und Schulschließungen nicht anders als durch die eigene Betreuung sicherstellen konnten, werden durch den Entschädigungsanspruch demnach erheblich entlastet. Nach der überholten Rechtslage hatten sie lediglich gegebenenfalls einen Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung gegen ihren Arbeitgeber aus § 616 BGB. Dieser Anspruch ist aber mit viel Unsicherheit verbunden: Zum einen kann er vertraglich ausgeschlossen sein und zum anderen sichert er die Fortzahlung des Gehaltes ohnehin nur für eine sehr begrenzte Dauer. Der neue Erstattungsanspruch ist demgegenüber unabhängig von arbeitsvertraglichen Regelungen und die Entschädigung kann für sechs Wochen, damit erheblich länger beansprucht werden. Weiterhin gilt aber: Wenn die Betreuung beispielsweise durch Partner, andere Familienmitglieder oder die den in sog. systemrelevanten Berufen tätigen Eltern weiterhin zur Verfügung stehenden Betreuungsmöglichkeiten organisiert werden kann, besteht kein Anspruch.


Falls Sie Hilfe bei der Prüfung der verwendeten Arbeitsverträge oder kollektivrechtlichen Vereinbarungen auf nun bestehende Handlungsmöglichkeiten benötigen, sprechen Sie uns gerne an.