Ausgleich eines Arbeitszeitguthabens durch Freistellung bedarf einer eindeutigen Anordnung BAG 20.11.2019 – 5 AZR 578/18

Das Bundesarbeitsgericht hat sich in einer Entscheidung vom 20. November 2019 – 5 AZR 578/18 – mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob die in einem gerichtlichen Vergleich vereinbarte unwiderrufliche Freistellung auch nicht ausgeglichene Arbeitszeitguthaben erfasst. Die Parteien hatten in einem Kündigungsschutzprozess am 15. November 2016 einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, nach dem das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung am 31. Januar 2017 enden sollte. Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses war die Klägerin unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen unwiderruflich freigestellt worden. Eine große Ausgleichsklausel enthielt der Vergleich nicht. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses beanspruchte die Klägerin finanzielle Abgeltung für ein Arbeitszeitguthaben von 67,1 Stunde.

Die Klage hatte in allen drei Instanzen Erfolg. Arbeitszeitguthaben, die bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch Freizeit ausgeglichen werden konnten, seien abzugelten. Durch unwiderrufliche Freistellung in einem Vergleich werde das Arbeitszeitguthaben nur dann ausgeglichen, wenn der Arbeitnehmer klar erkennen könne, dass die Freistellung auch zu diesem Zweck erfolge. Daran fehle es, da ausdrücklich nur eine Anrechnung auf Urlaub vereinbart gewesen sei.

Freistellungserklärungen in einer Kündigung, Aufhebungs- oder Abwicklungsverträgen sollten daher immer wie folgt formuliert werden:

„Hiermit stellen wir Sie ab dem ______ unter Anrechnung etwaiger Ansprüche auf Erholungsurlaub und Arbeitszeitguthaben unter Fortzahlung der Vergütung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich von der Arbeitsleistung frei.“

Damit ist sichergestellt, dass sich der Arbeitnehmer nicht später doch noch auf unbekannte Arbeitszeitguthaben berufen kann – jedenfalls dann, wenn die Freistellungsdauer ausreicht, Urlaub und Arbeitszeitguthaben abzudecken.

Brexit und Marken

Der Brexit hat natürlich Konsequenzen für Unionsmarken sowie Internationale Registrierungen mit Schutz in der EU. Die negativen Folgen des Austritts des Vereinigten Königsreichs aus der Europäischen Union für Markenrechtsinhaber halten sich jedoch dank einer entsprechenden Regelung in Grenzen. 

Zwar verlieren sämtliche eingetragenen Unionsmarken und Internationale Registrierungen mit Schutz in der EU am Exit Day ihre Gültigkeit. Zeitgleich entsteht aus ihnen jedoch ein gleichwertiges britisches Markenrecht, gewissermaßen ein britischer Klon, der die Bezeichnung comparable trade mark (EU) bzw. comparable trade mark (IR) trägt und hinsichtlich Anmeldetag, ggf. Priorität und Seniorität, Schutzablauf, geschützte Waren und Dienstleistungen der Unionsmarke exakt entspricht.

Somit gibt es zwar keinen akuten Handlungsbedarf aufgrund des Brexits. Dennoch sollte dieser zum Anlass genommen werden, sich mit dem eigenen Markenportfolio zu beschäftigen, um zeitnah zum Exit Day einen Überblick zu gewinnen, welche Rechte sinnvoller Weise dauerhaft in Großbritannien erhalten bleiben sollen. Bezüglich noch laufender Unionsmarkenanmeldungen oder im Anmeldeverfahren befindlicher Unionsmarkenanteile Internationaler Registrierungen gilt es, bestimmte Fristen für die Nachanmeldung als UK-Marke zu beachten. 

Im Einzelnen:

Der britische Klon Ihrer Unionsmarke oder Internationalen Registrierung mit Schutz in der EU entsteht automatisch ohne Antrag und kostenfrei. Eine Eintragungsurkunde erhält der Markeninhaber nicht, jedoch wird die neue britische Marke im UK trade mark register eingetragen, wo dann auch alle erforderlichen Informationen für den Markeninhaber zugänglich sein werden. Bei Internationalen Registrierungen ist allerdings zu beachten, dass sie nur als nationales Recht entstehen. Um sie wieder in die bestehende Internationale Registrierung zu integrieren, ist ein eigener Antrag erforderlich, der Gebühren auslöst.

Wer keine comparable trade mark (EU) möchte, kann beim britischen Markenamt ein Opt-Out erklären, sofern das zunächst geklonte Recht nach dem Brexit in der UK nicht benutzt wurde oder Gegenstand einer Vereinbarung, Lizenz oder Sicherheit geworden ist.

Die Verlängerung von comparable trade marks (EU) bzw. (IR) richtet sich nach den entsprechenden Vorschriften für normale britische Marken. Das gilt natürlich auch für die entsprechenden Fristen und Gebühren. Im Falle des Schutzdauerablaufs während eines Zeitraums von 6 Monaten nach dem Exit Day schickt das britische Markenamt eine Erinnerung an den Markeninhaber, der dann Gelegenheit hat, die Marke innerhalb einer Frist von 6 Monaten seit Zugang dieser Erinnerung zu verlängern.

Am Exit-Day noch im Anmeldeverfahren befindlichen Unionsmarken werden – auf Antrag des Inhabers – als britische Markenanmeldungen beim UK-Markenamt weitergeführt und durchlaufen das normale Prüfungsverfahren. Dieser Antrag ist innerhalb von 9 Monaten nach dem Austrittstag zu stellen und löst Anmeldegebühren wie für normale UK-Marken aus. Versäumt der Anmelder die gesonderte Beantragung der britischen Marke, geht das Recht für das Gebiet Großbritanniens verloren.

Entsprechend wird auch für noch im Anmeldeverfahren befindliche Unionsmarkenanteile Internationaler Registrierungen eine Frist von 9 Monaten in Gang gesetzt, um einen Antrag auf Anmeldung als comparable trade mark (IR) zu stellen. Diese Frist beginnt allerdings nicht mit dem Exit-Day, sondern entweder mit dem Tag der Internationalen Registrierung bei der WIPO oder dem Tag der Eintragung der nachträglichen Schutzerstreckung, jeweils bezogen auf den Unionsmarkenanteil.

Für weitere Informationen, etwa zu den Konsequenzen für bestehende Lizenzverträge, laufende Gerichtsverfahren, die Benutzungsschonfrist oder die Erschöpfung von Markenrechten oder aber auch der Konsequenzen des britischen EU-Austritts für Ihre Gemeinschaftsgeschmacksmuster stehen wir Ihnen gern zur Verfügung. Gern betreuen wir Sie hinsichtlich Ihrer mit dem Exit Day entstehenden comparable trademarks und auch hinsichtlich erforderlicher Nachanmeldungen und treten für Sie als Ansprechpartner gegenüber dem Britischen IPO auf. 

Urteilsbegründung zur Nichtbesetzung der Direktorenstelle der Bundesstiftung Bauakademie mit Herrn Pronold

Mit Urteil vom 7. Januar 2020 hatte das Arbeitsgericht Berlin der Bundesstiftung Bauakademie untersagt, die von ihr ausgeschriebene Stelle des Direktors (m/w/d) mit dem Parlamentarischen Staatssekretär Herrn Florian Pronold zu besetzen (Az. 45 Ga 15221/19). Gegen die auch in der Fachwelt und Öffentlichkeit stark umstrittene Besetzung mit Herrn Pronold wenden sich zwei Mitbewerber um die Stelle, drunter Prof. Philipp Oswalt, der von unserem Arbeitsrechtsspezialisten Dr. Ernesto Loh anwaltlich vertreten wird. 

In der nunmehr vorliegenden Urteilsbegründung zur einstweiligen Verfügung führt das Arbeitsgericht aus, dass der Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG), wonach ein öffentliches Amt nach Eignung, Befähigung und Leistung zu besetzen sei, auch für die Bauakademie gelte. Dass es sich bei der Stiftung Bauakademie um eine Stiftung des bürgerlichen Rechts handele, stehe dem nicht entgegen. Denn sofern die öffentliche Hand eine Stiftung mit Vermögen ausstattet und sich vorbehält, diese Stiftung dauerhaft mit Personen ihrer Wahl zu besetzen – hier durch Entsendung von Personen in den Stiftungsrat, die mehrheitlich der öffentlichen Hand zuzurechnen sind, wie dem Bundestag, der Bundesregierung und dem Land Berlin -, bestehe eine beherrschende Einflussnahme der öffentlichen Hand. Darüber hinaus handele es sich bei dem Zweck der Bauakademie (Förderung von Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie Kunst und Kultur auf den Gebieten des Bauwesens, der Stadtentwicklung, des Wohnens und der Baukultur) um öffentliche Aufgaben und die Stelle sei funktional in die Wahrnehmung dieser öffentlichen Aufgaben eingebunden. Daher sei bei der Besetzung der streitgegenständlichen Direktorenstelle von einem öffentlichen Amt im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG auszugehen. Hat der Arbeitgeber eine Stelle ausgeschrieben und ein Anforderungsprofil erstellt, so ist er bei der nachfolgenden Auswahlentscheidung grundsätzlich an die Einhaltung dieses Anforderungsprofils gebunden.

Schließlich sei hinreichend glaubhaft gemacht, dass der ausgewählte Bewerber nicht zum Vorstandsmitglied habe ernannt werden dürfen, weil das Verfahren der Stellenbesetzung nicht einwandfrei abgelaufen sei. Der Kläger habe plausibel vorgetragen, dass Herr Pronold als Jurist das in der Stellenausschreibung festgelegte Anforderungsprofil etwa bezogen auf „Erfahrungen mit Projekten und Formaten mehr dimensionaler Kommunikation in Bezug auf Museen, Ausstellungen, Messen, Festivals“ nicht erfülle. 

Ob die Bundesstiftung Bauakademie gegen die einstweilige Verfügung Berufung einlegen wird, bleibt abzuwarten. 

VG Schwerin: AfD-Meldeportal „Neutrale Schule“ bleibt verboten

Mit Beschluss vom 2. Dezember 2019 (Az. 1 B 1568/19) hat das Verwaltungsgericht Schwerin entschieden, dass das von der AfD betriebene Internetportal, auf dem Schüler zur Meldung vermeintlicher Verstöße ihrer Lehrer gegen das an Schulen geltende Neutralitätsgebot aufgerufen wurden, verboten bleibt. Der Datenschutzbeauftragte des Landes Mecklenburg-Vorpommern hatte das Portal im September vergangenen Jahres in seiner konkreten Form untersagt. Den Eilantrag der AfD gegen diese Untersagungsverfügung hat das Gericht nun abgelehnt. 

Das Gericht stützt seine Entscheidung auf Art. 9 DS-GVO. Nach dieser Norm ist die Verarbeitung besonders sensibler personenbezogener Daten – u.a. solcher, aus denen die politische Meinung oder aber die religiöse oder weltanschauliche Überzeugung hervorgehen – untersagt. Genau solche Daten erhebe die Betreiberin über das Portal – so das Verwaltungsgericht – indem sie gezielt Schülerinnen und Schüler auffordere, vermeintliche Neutralitätsverstöße durch Äußerungen von Lehrern, die sich gegen die AfD als Partei richteten, an ihrer Schule zu melden und zwar unter Angabe ihres Namens, ihres Wohnorts, des Namens und Ortes der Schule sowie näherer Informationen zu Jahrgang und Fach, in dem der Vorfall passiert sei. Über die genannten Angaben sei die eines Verstoßes bezichtigte Person regelmäßig identifizierbar. Mit der Schilderung des vermeintlichen Neutralitätsverstoßes sei regelmäßig die Wiedergabe der Äußerungen und damit auch der darin zum Ausdruck kommenden politischen oder weltanschaulichen Meinung der betroffenen Person verbunden.

Das Vorliegen einer der in Art. 9 Abs. 2 DS-GVO geregelten Ausnahmen von dem Verbot der Verarbeitung von Daten, aus denen die politische Meinung oder die religiöse oder weltanschauliche Überzeugung hergehen, verneinte das Gericht. Eine Ausnahme aufgrund der Veröffentlichung der personenbezogenen sensiblen Daten durch die betroffene Person selbst liege nicht vor, da Äußerungen im Klassenzimmer keine öffentlichen Äußerungen seien. Auch sei die Verarbeitung der genannten Daten vorliegend keineswegs zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen erforderlich. Denn die rein präventive Verarbeitung sensibler Daten zur Abwehr möglicherweise in Zukunft geltend gemachter Ansprüche sei davon nicht umfasst, die Ausnahme komme vielmehr nur im Falle einer tatsächlich geführten rechtlichen Auseinandersetzung zur Anwendung. Schließlich sei die streitgegenständliche Datenverarbeitung auch nicht aus Gründen eines erheblichen öffentlichen Interesses erforderlich. Denn es sei schlicht nicht erkennbar, warum das Betreiben eines derartigen Informationsportals und damit die Verarbeitung der genannten Daten erforderlich sein sollte, um Verstöße gegen das Neutralitätsgebot an öffentlichen Schulen aufzudecken. Denn Schüler und Eltern könnten sich im Falle von ihrerseits beobachteten Verstößen gegen das Neutralitätsgebot direkt an die Schule oder an die Schulbehörde wenden.

Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung der Untersagungsverfügung des Datenschutzbeauftragten führt das Gericht sodann noch aus: Im vorliegenden Fall komme dem Datenschutz nicht allein wegen der gesetzlichen Wertung des Art. 9 DS-GVO besonderes Gewicht zu, sondern auch deswegen, weil er den sich aus dem Grundgesetz ergebenden staatlichen Erziehungsauftrag insbesondere im Hinblick auf die Meinungsfreiheit betreffe. Lehrer könnten nämlich nur dann die sich aus dem Grundgesetz ergebende Wertentscheidung zugunsten der freien Meinungsäußerung nur dann im Schulunterricht vorleben, wenn sie selbst nicht befürchten müssten, in der Öffentlichkeit wegen ihrer Äußerungen sozusagen an den Pranger gestellt zu werden.

Kein Schadenersatz in Höhe der fiktiven Mangelbeseitigungskosten

BGH, Urteil vom 21. November 2019 – VII ZR 278/17

Im Rahmen eines Grundsatzurteils hatte der BGH im Jahr 2018 seine bisherige Entscheidungspraxis aufgegeben, wonach bei Bauprozessen Auftraggeber bei Mängeln am Bauwerk Schadenersatz in Höhe der fiktiven Mangelbeseitigungskosten geltend machen können, ohne den Mangel selbst zu beseitigen. Im Rahmen einer neuen Entscheidung bestätigt der BGH diese Rechtsprechung hinsichtlich von Schadenersatzansprüchen gegen Architekten.

Grundlage der Entscheidung war ein Fehler der Objektüberwachung im Bezug auf einen mangelhaft errichteten Fußbodenaufbau in einem Gebäude. Im Ergebnis des Verfahrens war festgestellt worden, dass der Bodenaufbau nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprach und deshalb nicht brauchbar war. Der Mangel konnte nur durch Erneuerung des Fußbodenaufbaus ab der Oberkante der Bodenplatte beseitigt werden. Die mit der Objektüberwachung beauftragten Architekten hatten dies nicht festgestellt und damit die mangelhafte Errichtung des Bauwerks in diesem Punkt nicht verhindert. Der Auftraggeber begehrte von den mit der Objektüberwachung beauftragten Architekten Schadenersatz in Höhe der Kosten der (noch) nicht durchgeführten Mangelbeseitigung.

Nachdem das Oberlandesgericht diesen Anspruch zugesprochen hatte, hob der BGH die Berufungsentscheidung auf und verwies die Angelegenheit zur erneuten Entscheidung über die Höhe des Schadenersatzanspruchs zurück. Die Höhe des Schadenersatzanspruchs hatte das Berufungsgericht anhand der tatsächlich jedoch nicht angefallenen Mangelbeseitigungskosten für die Erneuerung des Bodenaufbaus ermittelt. Diese Betrachtung war jedoch nach der Grundsatzentscheidung des BGH nicht mehr zutreffend (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – VII ZR 46/17). Nach dem 4. Leitsatz dieser Grundsatzentscheidung scheidet auch im Verhältnis zum Architekten hinsichtlich der von diesem zu vertretenden Planungs- oder Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, ein Zahlungsanspruch in Höhe der fiktiven Mangelbeseitigungskosten aus.

Das Berufungsgericht musste dem Auftraggeber Gelegenheit geben, die Höhe des Schadens anderweitig darzulegen und zu beziffern. Entsprechend der neuen Linie des BGH stehen ihm dafür verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung.

In erster Linie kann der Auftraggeber seinen Schadenersatzanspruch als abrechnungspflichtigen Vorschuss für die Mangelbeseitigung geltend machen (Leitsatz 6.b) der Grundsatzentscheidung). Der Auftraggeber ist dann zur Durchführung der Mangelbeseitigung verpflichtet. Anderenfalls kann das Architekturbüro den Vorschuss zurückfordern.

Alternativ kann der Auftraggeber den Schadenersatzanspruch auch in Höhe der Wertminderung des Bauwerks infolge des Mangels beziffern (Leitsatz 5.a) der Grundsatzentscheidung). In welcher Höhe sich die festgestellten Mängel verkehrswertmindernd auf das Bauwerk auswirken, ist gegebenenfalls durch Gutachten zu ermitteln. Die dabei entstehenden Schwierigkeiten der Verkehrswertermittlung sind laut BGH hinzunehmen. Die der früheren Rechtsprechung zugrundeliegende einfache Bezifferung des Schadensersatzanspruchs anhand der leicht zu ermittelnden und zu überprüfenden Mangelbeseitigungskosten ist durch die Änderung der Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben worden.

Denkbar ist auch eine Minderung der vereinbarten Honorare. Häufig tritt durch den durch die mangelhafte Architektenleistung verursachten Mangel des Bauwerks eine Störung des Äquivalenzverhältnisses des Bauvertrages ein. Die Bauleistung ist infolge des mangels weniger Wert, als die vereinbarte Vergütung. Der Auftraggeber kann seinen Schaden auch in der Weise bemessen, dass er ausgehend von der mit dem Bauunternehmer vereinbarten Vergütung den mangelbedingten Minderwert des Werks des Bauunternehmers ermittelt (BGH, Urteil vom 8. November 2018 – VII ZR 100/16). Maßstab ist insoweit die vereinbarte Vergütung im Bauvortrag für die mangelhaft errichtete Leistung. Jedoch nicht die Mangelbeseitigungskosten insgesamt.

Diese bislang für den Bereich des Werkvertrages geltende neue Rechtsprechung zu den fiktiven Schadenskosten kommt am 17. Januar 2020 auf den Prüfstand bei dem für Kaufverträge zuständigen V. Zivilsenat des BGH (Az. V ZR 33/19). Hier wird abzuwarten bleiben, ob der V. Zivilsenat an seiner bisherigen Rechtsprechung der Berechnung nach fiktiven Mangelbeseitigungskosten festhält oder sich der Auffassung des VII. Zivilsenats anschließt. Anders als im Werkvertragsrecht gibt es im Kaufvertragsrecht keinen Vorschussanspruch als primäres Mangelrecht. Diesen primären Vorschussanspruch gab es beim Architektenvertrag hinsichtlich eines Schadenersatzanspruchs bislang jedoch auch nicht. Gleichwohl hat der VII. Zivilsenat in seiner neuen Rechtsprechung dieses Vorschussanspruch darauf angewendet. Es wird folglich abzuwarten bleiben, welche Entwicklung das Schadensrecht insoweit insgesamt nimmt. Wir werden darüber berichten.

Neue Partnerin bei LOH Rechtsanwälte im Bereich IP und Medien

LOH Rechtsanwälte hat zum 1.1.2020 mit Frau Dr. Christine Danziger eine neue Partnerin gewonnen. Dr. Christine Danziger, LL.M. ist seit 2008 Rechtsanwältin. Sie berät und vertritt Mandanten im Bereich des Geistigen Eigentums und im Wettbewerbsrecht und ist auf das Urheber- und Medienrecht spezialisiert. Zu ihren Tätigkeitsschwerpunkten im Urheberrecht gehört insbesondere das Filmrecht. Im Wettbewerbs- und Markenrecht ist sie für verschiedene Unternehmen und Verbände u.a. aus den Branchen Medien, IT, Umwelt tätig. Außerdem betreut sie Mandate im Presse- und Äußerungsrecht.

Neben ihrer anwaltlichen Tätigkeit ist Frau Dr. Danziger Lehrbeauftragte an der Universität der Künste Berlin.

Vor ihrem Eintritt bei LOH Rechtsanwälte war Dr. Christine Danziger lange Jahre in einer IP-Boutique tätig, bevor sie 2017 ihre eigene Kanzlei für Geistiges Eigentumsrecht und Medienrecht gründete. Christine Danziger studierte Jura und Philosophie in Freiburg und Berlin. Ihr Referendariat absolvierte sie in Berlin und sammelte Erfahrungen in einer auf das Entertainment Law spezialisierten Anwaltskanzlei in den USA.

Für LOH Rechtsanwälte ist die Aufnahme von Frau Dr. Danziger ein wichtiger Baustein in dem Konzept einer mittelständischen Full-Service-Kanzlei.

LOH Rechtsanwälte verabschieden Dr. Alexander Wiencke in den Ruhestand

Dr. Wiencke blickt auf eine fast 40jährige Laufbahn als Rechtsanwalt zurück. Er zählte zu den ersten Fachanwälten für Arbeitsrecht in Berlin und arbeitete seit seiner Gründung im Fachanwaltsausschuss der Rechtsanwaltskammer Berlin mit, zuletzt lange Jahre als dessen Vorsitzender. Seit 1990 ist er zudem als Notar tätig. Zu LOH Rechtsanwälte kam Dr. Wiencke im November 2013. Nicht nur seine langjährigen Mandanten, auch wir konnten auf diese Weise von seiner Expertise und seinem reichen Erfahrungsschatz profitieren. Dafür danken wir ihm sehr. Wir wünschen Dr. Alexander Wiencke einen aktiven Ruhestand, den er bei bester Gesundheit seiner Familie und seinen sportlichen Interessen widmen kann.

Wie viel Verunsicherung bringt die EuGHEntscheidung hinsichtlich der Mindest- und Höchstsätze der HOAI, EuGH, Urt. v. 04. Juli 2019 – Rs. C-377/17

Zwei Monate liegt die Entscheidung des europäischen Gerichtshofs zurück, die Klarheit in die Frage der Anwendbarkeit der HOAI in Bezug auf die Mindest- und Höchstsätze beim Honorar der Planer bringen wollte. Die Unsicherheit ist jedoch durch divergierende OLG-Entscheidungen so groß wie selten zuvor.

1.
Das OLG Celle hat kurz nach der Entscheidung des europäischen Gerichtshofs am 17. Juli 2019 eine so genannte Aufstockungsklage eines Architekten abgewiesen (OLG Celle, Urt. v. 17. Juli 2019 – 14 U 188/18).

Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs führte das OLG Celle aus, dass Architekten in bestehenden Verträgen keinen Anspruch auf die Zahlung der Mindestsätze der HOAI haben, wenn ein niedrigeres Honorar vertraglich vereinbart wurde. Danach sind die nationalen Gerichte an die Auslegung des EU-Rechts durch den europäischen Gerichtshof gebunden.

2.
Durch die Entscheidung des OLG Hamm nur wenige Tage später wird diese Rechtsprechung nun mehr infrage gestellt. Nach dieser Entscheidung gilt das Urteil des EuGH im Vertragsverletzungsverfahren nicht unmittelbar zwischen Privatpersonen (OLG Hamm, Urt. v. 23. Juli 2019 – 21 U 24/18).

Diese Betrachtung ist nicht neu. Bereits das OLG Naumburg hatte in einer Entscheidung dargestellt, dass sich ein Urteil des europäischen Gerichtshofs in einem Vertragsverletzungsverfahren ausschließlich an den nationalen Gesetzgeber richtet und keine Auswirkung auf bestehende Verträge hat (OLG Naumburg, Urt. v. 13. April 2017 – 1U 48/11). Diese Erwägungen wurde nachfolgend durch das Kammergericht (Kammergericht, Urt. v. 1. Dezember 2017 – 21 U 19/12 und auch vom Landgericht Stuttgart, Beschl. v. 16. November 2018 – 28 O 375/17 bestätigt.

Das OLG Hamm hat diese Rechtsprechung fortgesetzt und ausgeführt:

„Die maßgeblichen Bestimmungen der HOAI, auch zum Mindestpreischarakter, sind […] anwendbar. Daran ändert die Entscheidung des EuGH im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland, wonach diese durch Aufrechterhaltung der Bestimmungen zum zwingenden Preisrecht in der HOAI gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 verstoßen habe (EuGH, IBR 2019, 436), nichts. Das Urteil des EuGH im Vertragsverletzungsverfahren bindet nämlich nur den Mitgliedstaat, der nach eigenem Ermessen die geeigneten Maßnahmen ergreifen muss, um den europarechtswidrigen Zustand zu beseitigen. Für den einzelnen Unionsbürger geht von dem Urteil keine Rechtswirkung aus. Die Feststellung der Europarechtswidrigkeit der Mindestsätze der HOAI im Vertragsverletzungsverfahren ändert nichts daran, dass zum Zeitpunkt des Verstoßes die HOAI zu beachten war, denn es gibt insofern keine Rückwirkung.“ Diese Sichtweise wurde in einer anderen Entscheidung des EuGH ebenfalls vertreten.

3.
Der europäische Gerichtshof hatte ausgeführt, dass eine Richtlinie der Europäischen Union nicht in einem Rechtsstreit zwischen zwei Unionsbürgern herangezogen werden kann, um die Anwendung der Regelung eines Mitgliedsstaates auszuschließen, die gegen diese Richtlinien verstößt (EuGH, Urt. v. 07. August 2018 – C-122/17 m.w.N.).

Dieses Verständnis gilt auch dann, wenn ein öffentlicher Auftraggeber privatrechtliche Verträge abschließt. Ein nationales Gericht muss die Anwendung einer nationalen Vorschrift, die gegen Unionsrecht verstößt, jedoch dann unterlassen, wenn der Verstoß gegenüber einem Mitgliedstaat oder seinen Verwaltungsträgern geltend gemacht wird, der auch als solcher handelt, d. h in einem Über-/Unterordnungsverhältnis (EuGH, Urt. v. 07. August 2018 – C-122/17; m.w.N.).

„Der Gerichtshof hat […] in ständiger Rechtsprechung auch entschieden, dass eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen kann, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist (vgl. u. a. Urteile vom 26. Februar 1986, Marshall, 152/84, EU:C:1986:84, Rn. 48, vom 14. Juli 1994, Faccini Dori, C‑91/92, EU:C:1994:292, Rn. 20, und vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a., C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584, Rn. 108). Würde die Möglichkeit, sich auf eine Bestimmung einer nicht oder unrichtig umgesetzten Richtlinie zu berufen, auf den Bereich der Beziehungen zwischen Privaten ausgedehnt, liefe das nämlich darauf hinaus, der Europäischen Union die Befugnis zuzuerkennen, mit unmittelbarer Wirkung zu Lasten der Einzelnen Verpflichtungen anzuordnen, obwohl sie dies nur dort darf, wo ihr die Befugnis zum Erlass von Verordnungen zugewiesen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 1994, Faccini Dori, C‑91/92, EU:C:1994:292, Rn. 24).

Der Gerichtshof hat ausdrücklich entschieden, dass eine Richtlinie nicht in einem Rechtsstreit zwischen Privaten angeführt werden kann, um die Anwendung der Regelung eines Mitgliedstaats, die gegen die Richtlinie verstößt, auszuschließen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2014, OSA, C‑351/12, EU:C:2014:110, Rn. 48).

Das nationale Gericht hat nämlich die Anwendung der nationalen Vorschrift, die gegen eine Richtlinie verstößt, nur auszuschließen, wenn sie gegenüber einem Mitgliedstaat, seinen Verwaltungsträgern einschließlich dezentralisierter Behörden oder Einrichtungen und Stellen geltend gemacht wird, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder die von einem Mitgliedstaat mit der Erfüllung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe betraut wurden und hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über die für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften hinausgehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Januar 2012, Dominguez, C‑282/10, EU:C:2012:33, Rn. 40 und 41, vom 25. Juni 2015, Indėlių ir investicijų draudimas und Nemaniūnas, C‑671/13, EU:C:2015:418, Rn. 59 und 60, und vom 10. Oktober 2017, Farrell, C‑413/15, EU:C:2017:745, Rn. 32 bis 42).“

Dieses Über-/Unterordnungsverhältnis existiert bei öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten vor den Verwaltungsgerichten, sodass in diesem Verhältnis das Europäische Richtlinien auch direkt gegenüber Verwaltungen geltend gemacht werden können, Bei zivilrechtlichen Streitigkeiten um Architektenhonorar gibt es die direkte Geltung der Richtlinien nicht, auch wenn die Architektenverträge von der Öffentlichen Hand abgeschlossen werden.

Das OLG Hamm hat die Rechtslage anders beurteilt als das OLG Celle und musste deshalb die Revision zum BGH gem. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulassen.

4.
Der juristische Diskurs zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs hat zu einer weiteren Entscheidung geführt, die von einer weiteren Geltung der HOAI jedenfalls zwischen Privaten ausgeht.

„Auch nach dem Urteil des EuGH vom 04.07.2019 (IBR 2019, 436 (https://www.ibronline. de/IBRNavigator/dokumentanzeigebody. php?SessionID=31b2c7a3ff603090303d3019465e06ed& HTTP_DocType=Dokument&Zeitschrift=IBR&Jahrgang=2019&Seite=3265)) ist in einem Zivilrechtsstreit zwischen einem Architekten und seinem Auftraggeber das Mindestpreisgebot nach Art. 10 §§ 1, 2 MRVG, § ,7 Abs. 3 und 5 HOAI 2013 weiter anzuwenden.“ KG, Beschl. v. 19. August 2019 – 21 U 20/19 (nicht rechtskräftig)

Das Kammergericht schließt sich damit der Sichtweise des OLG Hamm an.

Es werden jedoch zunehmend Bedenken gegen diese Bewertung geltend gemacht. Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 07. Juli 2009 – C-555/07 (Kücükdeveci) ausgeführt, dass ein nationales Gericht eine nationale Vorschrift unter Ausschöpfung des Auslegungsrahmens europarechtskonform auszulegen hat (Rn. 48). Eine solche Auslegung führte im Fall der Mindestsatzregelung der HOAI nicht weiter, da der Gesetzgeber ausdrücklich den Honorarrahmen zwischen Mindest- und Höchstsätzen regeln wollte. Wenn eine Auslegung insofern wegen der Eindeutigkeit nicht möglich ist, muss die nationale Norm unangewendet bleiben – auch im Rechtsstreit zwischen Privaten (Rn. 52, 54).

Nationale Gerichte sind an das EuGH-Urteil gebunden und müssen alle Maßnahmen ergreifen, um dieses sofort wirksam umzusetzen (EuGH, Urt. v. 14.12.1982 – Rs. 83/82, Rz. 14). Eine weitere Anwendung der unionsrechtswidrigen Norm wäre unzulässig und würde gegen den Anwendungsvorrang des Unionsrechts, die Bindungswirkungen des Art. 260 Abs. 1 AEUV sowie die Unionstreue nach Art. 4 Abs. 3 EUV verstoßen.

Eine Aufspaltung der Geltung des europäischen Rechts zwischen den zur Entscheidung berufenen Verwaltungsgerichten (Geltung des EU-Rechts nur bei hoheitlicher Beteiligung des Staates) und den Zivilgerichten (keine Geltung des EU-Rechts bei zivilrechtlicher Beteiligung des Staates, oder zwischen zwei Privaten) erscheint nicht sachgerecht.

Dies sieht wohl auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Honeywell-Entscheidung so:

“Obwohl der Gerichtshof mehrfach entschieden hat, dass eine Richtlinie `nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen kann, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist´ (vgl. EuGH, Urt. v. 14. Juli 1994, Rs. C-91/92, Faccini Dori, Slg. 1994, S. I-3325 Rn. 19 ff.; EuGH, Urt. v. 05. Oktober 2004, verb. Rs. C-397-403/01, Pfeiffer, Slg. 2004, S. I-8835 Rn. 108), hat der Gerichtshof anerkannt, dass richtlinienwidrig erlassene innerstaatliche Normen in einem Rechtsstreit zwischen Privaten unangewendet bleiben müssen (vgl. etwa EuGH, Urt. v. 30. April 1996, Rs. C-194/94, CIA Security, Slg. 1996, S. I-2201; EuGH, Urt. v. 26. September 2000, Rs. C-443/98, Unilever, Slg. 2000, S. I-7535 Rn. 49 ff.)“. BVerfG, Urt. v. 06. Juli 2010 2 BvR 2661/06, Rn. 77

5.
In einer weiteren Entscheidung hat nunmehr auch das OLG Düsseldorf über diese Problematik zu entscheiden gehabt. Es bestätigt die Auffassung des OLG Celle und führt damit zu einer einheitlichen Anwendung des Europarechts durch alle beteiligten Gerichte.

In seinem dritten Leitsatz führt das OLG Düsseldorf aus: „Aus der Feststellung des Vertragsverstoßes folgt für den verurteilten Mitgliedstaat die Pflicht, den Verstoß zu beenden. Diese Pflicht trifft sämtliche Stellen des verurteilten Staats, somit auch die Gerichte. Hieraus folgt, dass das Preisrahmenrecht der HOAI nicht mehr angewendet werden darf.“ OLG Düsseldorf, Urt. v. 17. September 2019 – 23 U 155/18

Es nimmt damit auch eine Position gegen die Entscheidung des Kammergerichts ein, dass die Gerichte, egal gegenüber welchen Beteiligten, dass Preisrahmenrecht der HOAI nicht mehr anwenden dürfen. Eine Gleichbehandlung zwischen Zivilgerichten und Verwaltungsgerichten scheint sachgerecht.

Welche Betrachtung abschließend als zutreffend gilt, wird wohl der BGH infolge der zugelassenen Revision des OLG Hamm entscheiden müssen.

Die Kostentragung für Polizeieinsätze bei Fußball-Hochrisikospielen

Das Bundesverwaltungsgericht hatte sich in seiner Entscheidung vom 29. März 2019 (BVerwG 9 C 4.18) mit der Frage zu befassen, ob dem Veranstalter eines Hochrisikospiels der Fußball-Bundesliga die Kosten eines zusätzlich erforderlichen Einsatzes von Polizeikräften auferlegt werden dürfen. Seit kurzem liegen die vollständigen Urteilsgründe vor.

Geklagt hatte die Deutsche Fußball Liga GmbH („DFL“), die 2015 von der Stadt Bremen auf Grundlage des 2014 geschaffenen § 4 Abs. 4 Satz 1 und 2 Bremisches Gebührenund Beitragsgesetz (BremGebBeitrG) mit einem Gebührenbescheid in Höhe von etwa 425.000 Euro für die Polizeikosten eines Bundesligaspiels zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV im Bremer Weser-Stadion herangezogen worden war. Nach diesem neuen Gebührentatbestand kann die Verwaltung eine Gebühr von Veranstaltern erheben, „die eine gewinnorientierte Veranstaltung durchführen, an der voraussichtlich mehr als 5.000 Personen zeitgleich teilnehmen, wenn wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen vor, während oder nach der Veranstaltung am Veranstaltungsort, an den Zugangs- oder Abgangswegen oder sonst im räumlichen Umfeld der Einsatz zusätzlicher Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird.“ Weiter wird bestimmt: „Die Gebühr ist nach dem Mehraufwand zu berechnen, der aufgrund der zusätzlichen Bereitstellung von Polizeikräften entsteht.“

Das Gericht bestätigte im Wesentlichen die Rechtmäßigkeit des Gebührenbescheides und beurteilte § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG als verfassungsmäßig. Insbesondere sei § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG mit der Finanzverfassung (Art. 104a ff. GG) vereinbar. Die Kosten für den außergewöhnlich großen Polizeieinsatz müssten nicht aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden:

1.
Da im Rahmen der Finanzverfassung die Belastungsgleichheit für die Bürger gewahrt werden muss, bedürfe die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben stets einer besonderen Rechtfertigung. Die Rechtfertigung für die Erhebung einer Gebühr liege in einer Amtshandlung, die dem Gebührenschuldner individuell so zurechenbar ist (besonderer Vorteil), dass es gerechtfertigt erscheine, diese staatliche Leistung nicht aus allgemeinen Steuermitteln, sondern über eine Sonderabgabe zu finanzieren. Ein solcher (wirtschaftlicher) Vorteil liege hier, so das Gericht, in der Durchführung einer „gewinnorientierten Veranstaltung“; daran dürfe eine Gebührenpflicht geknüpft werden. Die Kosten, um die es gehe, seien keine „Sowieso-Kosten“, die bei der Polizei für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit im Interesse der Allgemeinheit stets anfielen, sondern Mehrkosten, die ausschließlich durch die Veranstaltung veranlasst seien. Ohne die zusätzlichen Polizeikräfte sei der Veranstalter in letzter Konsequenz womöglich nicht in der Lage, die Veranstaltung wie geplant durchzuführen. Der wirtschaftliche Erfolg der Veranstaltung beruhe gerade auch auf deren Sicherheit.

2.
Auch Grundrechte hält das Gericht durch § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG nicht für verletzt: Zwar verlange die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG, die eine „gewinnorientierte Veranstaltung“ schütze, dass die Gebühr am zu erwartenden wirtschaftlichen Nutzen der Veranstaltung orientiert sei, da sie keine „erdrosselnde“ Wirkung haben dürfe. Eine Gebühr dürfe den Veranstalter nicht davon abhalten, von seinem Grundrecht Gebrauch zu machen. Diese Voraussetzung sieht das Gericht aber in der Anknüpfung an die Besucherzahl (5.000) und damit auch an die Gewinnerwartung des Veranstalters erfüllt. In atypischen Einzelfällen, in denen die angemessene Relation der Gebühr zum wirtschaftlichen Ergebnis der Veranstaltung nicht gegeben sei, könne auf Billigkeitsmaßnahmen nach § 25 Abs. 1 BremGebBeitrG zurückgegriffen werden.

Auch Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Insbesondere müsse nicht aus Gleichbehandlungsgründen ein Teil der in Rechnung gestellten Polizeimehrkosten aus Steuern bezahlt werden. Denn diese Mehrkosten – und nur diese werden ja mit der Gebühr geltend gemacht – seien allein durch die Besonderheit der Veranstaltung verursacht.

3.
Außerdem sei die Norm entsprechend dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz für eine Gebührenerhebung „noch“ (wie die Entscheidung mehrfach betont) hinreichend bestimmt:

Ein Gebührentatbestand müsse für den Gebührenschuldner erkennen lassen, wie hoch die ihn treffende Gebühr in etwa sein werde, es dürften keine „unzumutbaren Unsicherheiten“ bestehen. Vor allem müsse die willkürliche Bemessung ausgeschlossen sein. Beides sieht das Gericht hier als gegeben an, da in § 4 BremGebBeitrG genügend Faktoren die Berechnung der Gebühr vorschreiben. Die hinreichende Sicherheit hinsichtlich der Gebührenlast gewähre allerdings nicht, wie zuvor das OVG Bremen annahm, schon § 4 Abs. 4 Satz 3, nach dem der Veranstalter vorab über die voraussichtliche Gebührenpflicht unterrichtet werden muss, da der Zeitpunkt dieser „Vorwarnung“ in der Regel zu knapp sei, um die Veranstaltung noch an die Kostenlast anzupassen. Entscheidend ist nach dem Bundesverwaltungsgericht, dass für den Tatbestand überhaupt erst Erfahrungswerte zum Mehraufwand vorliegen müssen („erfahrungsgemäß“, § 4 Abs. 4 Satz 1 BremGebBeitrG). Zudem verfüge der Kreis der adressierten Gebührenschuldner (also „Großveranstalter“ von Veranstaltungen für mehr als 5.000 Personen) zusätzlich über eigene Erfahrungswerte, die unzumutbare Unsicherheiten verhindere.

4.
Das Bundesverwaltungsgericht verwies die Sache an das OVG Bremen zurück, da es noch den Bedarf an weiterer Sachaufklärung durch das Berufungsgericht sah. Es wies darauf hin, dass bei der Gebührenhöhe nicht berücksichtigt worden sei, welche Kosten des Einsatzes die Stadt gegenüber einzelnen Störern, also den Gewalttätern selbst, geltend machen konnte. Diese Kosten müssten in Abzug gebracht werden, da keine Doppelabrechnung ein und derselben Leistung erfolgen dürfe.

Übrigens: Das Fußballspiel endete 1:3.

Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum im Land Brandenburg

Am 6. Juni 2019 ist das Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum in Brandenburg in Kraft getreten. Der Gesetzestext ist abrufbar über
Link. Damit schafft auch das Land Brandenburg die Möglichkeit, die Zweckentfremdung von Wohnraum von der Genehmigung der Kommune abhängig zu machen.

Das Gesetz löst allerdings nicht per se eine Genehmigungspflicht aus. Vielmehr obliegt es der Entscheidung der jeweiligen brandenburgischen Kommune, ob sie durch Erlass einer entsprechenden Satzung die Zweckentfremdung von Wohnraum in ihrem Gemeindegebiet verbietet, verbunden mit der Möglichkeit, die Zweckentfremdung im Einzelfall zu genehmigen. Voraussetzung für den Erlass einer entsprechenden Satzung ist, dass in der Gemeinde die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist und der Wohnraummangel nicht auf andere Weise mit zumutbaren Mitteln und in angemessener Zeit abgeholfen werden kann, § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 BbgZwVbG. Entsprechende Feststellungen muss die Gemeinde treffen, bevor sie eine Zweckentfremdungsverbotssatzung erlässt.

Ähnlich wie im Land Berlin enthält das Brandenburgische Zweckentfremdungsverbotsgesetz eine Übergangsregelung für Wohnraum, der bei Inkrafttreten der Zweckentfremdungsverbotssatzung in mehr als insgesamt 8 Wochen im Kalenderjahr für Zwecke der Fremdbeherbergung (z. Bsp. Ferienwohnungen) genutzt wird (unechte Rückwirkung). Diese Nutzung bleibt für eine Dauer von 2 Jahren nach Inkrafttreten der Satzung genehmigungsfrei, wenn der Verfügungsberechtigte die Nutzung innerhalb von 3 Monaten nach Inkrafttreten der Satzung der Gemeinde anzeigt. Die Zulässigkeit der insoweit vergleichbaren Regelung des Berliner Zweckentfremdungsverbotsgesetzes ist derzeit Gegenstand verschiedener Richtervorlagen vor dem Bundesverfassungsgericht.

Ansprechpartner zu Fragen des Zweckentfremdungsrecht und des sozialen Wohnungsbaus:
Dr. Ulrich Becker