Fortbildungen im Erschließungsbeitragsrecht Mai 2021

Zu aktuellen Fragen des Erschießungsbeitragsrecht wird Rechtsanwalt Dr. Ulrich Becker im Mai 2021 auf zwei Fortbildungsveranstaltungen des Bundesverbandes Wohnung und Stadtentwicklung (vhw) referieren.

1.      Mittwoch, 5. Mai 2021 – online 09:00 – 13:00 Uhr: Anlagenbestimmung und Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke

In dem ersten Halbtagsseminar werden Problemfälle bei der Bestimmung der beitragsfähigen Anlage anhand von Fallbeispielen erläutert. Wo beginnt und wo endet die Anlage nach der „natürlichen Betrachtungsweise“? In welchen Fällen muss aus rechtlichen Gründen von der natürlichen Betrachtungsweise abgewichen werden. Die Anlagenbestimmung ist der zentrale Ausgangspunkt für eine rechtssichere Beitragserhebung. Fehler, die hier gemacht werden, wirken sich regelmäßig auf die Rechtmäßigkeit der gesamten Beitragserhebung aus.

Ist die Anlage zutreffend bestimmt, muss in einem nächsten Schritt der Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke bestimmt werden. Dies ist das zweite Thema, das am 5. Mai anhand konkreter Beispiele aus der Praxis erörtert wird. Wann sind Anliegergrundstücke nicht beitragspflichtig? Wann gehören Hinterliegergrundstücke zum Kreis der in die Verteilung einzubeziehenden Flächen?

2.      Mittwoch, 19. Mai 2021 – online 09:00 – 13:00 Uhr: Erschließungsbeitragssatzung- Besteht Überarbeitungsbedarf?

Das zweite Halbtagsseminar ist satzungsrechtliche Fragen gewidmet. Nach der Abschaffung der Straßenbaubeiträge in Brandenburg (und auch in anderen Ländern) gerät zunehmend auch die Erhebung von Erschließungsbeiträgen unter Druck. Können Kommune durch Änderungen ihrer Erschließungsbeitragssatzungen dazu beitragen, die Akzeptanz von Erschließungsbeiträgen zu erhöhen. U.a. geht es um die Frage, ob und wenn ja, welche Elemente einer Anliegerbeteiligung in die Satzung aufgenommen werden könnten. Erörtert wird auch der Spielraum des Satzungsgebers, erweiterte Billigkeitsregelungen – etwa für einseitig anbaubare Straßen – in die Satzung aufzunehmen.

Zum Erschließungsbeitragsrecht ist Anfang 2021 ein neues Handbuch erschienen, an dem Herr Dr. Ulrich Becker als Mitautor beteiligt ist (Bitterwolf/Drescher/Thielmann (Hrsg.), Handbuch Erschließung und Erschließungsbeitragsrecht, 1. Auflage 2021, 720 Seiten -) .

Anlagenbestimmung im Erschließungsbeitragsrecht – Interessantes aus Leipzig

Am Beginn der Prüfung, ob und in welcher Höhe Erschließungsbeiträge für eine Straßenbaumaßnahme erhoben werden können, steht die Frage, was die beitragsfähige Anlage ist. Höchstrichterliche Entscheidungen, die sich mit Fragen der Anlagenbestimmung befassen, sind daher von besonderer Bedeutung für die beitragserhebende Gemeinde, aber auch für die rechtschutzsuchenden Beitragsschuldner.

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Februar 2020 – 9 C 9/18 befasst sich in seinen zentralen Passagen mit der Anlagenbestimmung im Erschließungsbeitragsrecht. Die zu entscheidende Fallkonstellation sah – schematisch skizziert – wie folgt aus:

Die abgebildete Straßenbaumaßnahme zerfällt nach der für die Anlagenbestimmung im Erschließungsbeitragsrecht maßgeblichen natürliche Betrachtungsweise in zwei separate Anlagen. Teil 1 der Straße, das ca. 20 m lang ist und von dem aus eine Zufahrt auf das Grundstück des Klägers führt, bildet zusammen mit dem ca. 250 m langen Einbahnstraßenring (Teil 2) eine einheitliche Anlage. Teil 3, welcher den Einbahnstraßenring mit der Strandpromenade verbindet und ca. 120 m lang ist, bildet eine selbständige Anlage (BVerwG, Urt. vom 6. Februar 2020 – 9 C 9.18 – Rn. 20f.).

Damit ist die Frage nach der erschließungsbeitragsrechtlich selbständigen Anlage jedoch noch nicht abschließend beantwortet. Denn die erschließungsbeitragsrechtliche Rechtsprechung kennt Sonderkonstellationen, in denen die Anlagenbestimmung nach der natürlichen Betrachtungsweise aus rechtlichen Gründen noch modifiziert werden muss. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht für den oben abgebildeten Fall angenommen.

Warum?

Der Einbahnstraßenring (Teil 2) ist verfügt in seiner südwestlichen Hälfte beidseitig und in seiner zum Teilstück 1 zurückführenden nordöstlichen Hälfte einseitig über Parkflächen. Da zum einen das klägerische Grundstück nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes vom Teilstück 2 aus nicht betreten werden konnte und zum anderen die hier angelegten Stellflächen nicht dem Grundstück des Klägers dienten, folgt daraus, dass das Teilstück 2 eine nicht zum Anbau bestimmte Teilstrecke der Straße darstellt. Da diese Teilstrecke im Verhältnis zur Anlage, die aus den Teilstrecken 1 und 2 gebildet wird, nicht nur von untergeordneter Ausdehnung ist, muss das nach der natürlichen Betrachtungsweise für die Bestimmung der beitragspflichtigen Anlage gewonnene Ergebnis aus Rechtsgründen modifiziert werden. Die Anbaustraße nach § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, durch die das klägerische Grundstück erschlossen wird, beschränkt sich auf die Teilstrecke 1.

Die Entscheidung ist nicht nur im Hinblick auf die Anlagenbestimmung lehrreich. Sie ist auch lesenswert, weil sie deutlich macht, wie groß die Möglichkeiten der planenden Gemeinden sind, über Festsetzungen in Bebauungsplänen Einfluss auf die Bestimmung der erschließungsbeitragsfähigen Anlagen zu nehmen.