Das neue Bauvertragsrecht? Eine Bestandsaufnahme

Zum 1. Januar 2018 trat das neue Bauvertragsrecht in Kraft, was insbesondere im Vorfeld für Verunsicherung und Aufregung geführt hat. Ein gesetzliches Bauvertragsrecht sollte ausgewogene Regelungen zur Gestaltung und Durchführung von Bauvorhaben schaffen. Gesetzliche Regelungen, die den Besonderheiten der meist auf einige Dauer angelegten Bauverträgen Rechnung tragen, gab es bis dahin nicht.

Die über viele Jahre etablierte und in der Rechtsprechung „abgearbeitete“ VOB/B beinhaltet qualifizierte vertragliche Regelungen, die stets dem Korrektiv der AGBKontrolle unterfallen. Eine gesetzliche Regelung für ein so bedeutendes Rechtsgebiet erschien deshalb notwendig.

Die Idee des neuen Bauvertragsrechts, die 2008 durch den Deutschen Baugerichtstag e.V. formuliert wurde, war ein von Baujuristen und Baupraktikern erarbeiteter Vorschlag mit breiter Akzeptanz und ausgewogenen Regelungen. Im Gesetzgebungsverfahren erhielt dieser Vorschlag viele Modifikationen, die von der Fachwelt nicht uneingeschränkt befürwortet wurden. Aber es existiert seit 1. Januar 2018 das neue Bauvertragsrecht und ist dementsprechend in der Rechtswirklichkeit angekommen. Aber ist es das wirklich?

Nach mittlerweile über einem Jahr der Geltung liegen so gut wie keine Entscheidungen vor, die sich mit dem neuen Bauvertragsrecht auseinandersetzen. Außer vielen Kommentierungen und wissenschaftlichen Diskussionen über die Regelungen und deren Anwendung existiert kaum Rechtsprechung zu diesen Vorschriften.

Auch die anwaltliche Beratungspraxis zeigt deutlich auf, dass bei den Mandanten das neue Bauvertragsrecht noch nicht akzeptiert wird. Selbst die Bundesrepublik Deutschland als einer der größten Bau-Auftraggeber hat die Anwendung des neuen Bauvertragsrechts für seine Bauvorhaben de facto ausgeschlossen. Vielmehr wurde das Vergabehandbuch des Bundes (VHB), welches die für die Verwaltung bindenden Regelungen zur Vorbereitung und Durchführung von Bauaufträgen enthält so modifiziert, dass lediglich die Regelungen der VOB/B ohne inhaltliche Änderungen den Verträgen zu Grunde zu legen sind. Abweichende Reglungen in den ZVB und BVB wurden entfernt.

https://www.bundesanzeiger-verlag.de/fileadmin/BIV-Portal/pdf/Erlass_2017_12_08_BI7_81064_02_01_VHB_2017.pdf

Für das Land Berlin wurde dies ebenso festgelegt:
https://www.stadtentwicklung.berlin.de/service/rundschreiben/de/download/rs/2017/rsvm_2017_07.pdf

Infolge der Privilegierung der Regelungen der VOB/B gegenüber einer AGBInhaltskontrolle gemäß § 310 Abs. 1 S. 3 findet im Streitfall eine .berprüfung der Regelungen der VOB/B anhand des gesetzlichen Leitbildes des neuen Bauvertragsrechts nicht statt. Dies bedeutet, dass die Verträge zur Durchführung von Bauleistungen für die Bundesrepublik Deutschland de facto dem Anwendungsbereich des neuen Bauvertragsrechts entzogen sind, sofern die VOB/B als Ganzes und ohne jede Abweichung vereinbart wird. Dies war das erklärte Ziel der Bundesrepublik Deutschland, indem sämtliche Vertragsbedingungen im Vergabehandbuch des Bundes gestrichen worden, die eine Abweichung von den Regelungen der VOB/B beinhalten. Ob dies in sämtlichen Bereichen tatsächlich erfolgreich gewesen ist, wird sich voraussichtlich erst in einigen Jahren zeigen. Erst dann werden die Gerichte die neuen Aufträge des Bundes zur Überprüfung vorgelegt bekommen und müssen dann entscheiden, ob tatsächlich diese Verträge keine Abweichungen von der VOB/B vornehmen.

Im Ergebnis bedeutet dies jedoch, dass die Bundesrepublik Deutschland sich selbst ein neues Bauvertragsrecht gegeben hat, dieses aber nicht anzuwenden bereit ist. Es hat den Anschein, dass der Bund seinen eigenen Regelungen für die Durchführung von Bauvorhaben nicht vertraut. Es ist insoweit nicht verwunderlich, dass auch andere am Baubeteiligte die Verwendung dieser Regelungen nach Möglichkeit vermeiden.

Dass es dafür im Einzelfall gute Gründe gibt, liegt auf der Hand. Allein die Regelungen zum Anordnungsrecht des Auftraggebers für Änderungen des Bauvorhabens, welches nach dem neuen Bauvertragsrecht gegebenenfalls erst nach 30 Tagen (§ 650 b) Abs. 2

BGB) zur Verfügung steht, ist für viele Auftraggeber ein schwer zu kalkulierende und deshalb unerwünschtes zeitliches Risiko seiner Baustelle. Vor dem Hintergrund der noch immer anhaltend guten Baukonjunktur und der hervorragenden Auftragslage der Bauunternehmen ist dieses Risiko nicht ganz von der Hand zu weisen. So können Auftragnehmer Engpässe bei ihren Kapazitäten überbrücken. Sofern Sie die 30-Tage-Frist bis zum Wirksamwerden einer Anordnung des Auftraggebers ausnutzen, können Sie in dieser Zeit gegebenenfalls andere Bauvorhaben soweit beenden, dass dort freigewordene Kapazitäten auf der nächsten Baustelle eingesetzt werden können. Dies war sicher nicht die Intention des Gesetzgebers, als die Vorschläge des deutschen Baugerichtstag e.V. abgeändert wurden. Es sind aber die jetzt geltenden Regelungen, die die Nutzung des neuen Bauvertragsrechts für die Auftraggeber wenig attraktiv machen.

Es wird abzuwarten bleiben, ob im Rahmen einer ersten Novellierung des neuen Bauvertragsrechts Anpassungen erfolgen werden, um damit eine größere Akzeptanz am Markt zu erreichen. Wir werden Sie darüber informieren und sind auf Ihre Erfahrungen gespannt. Teilen Sie uns diese gern mit.

Abschaffung der Straßenbaubeiträge in Brandenburg – Wie sieht die Kompensationsregelung aus?

Die beabsichtigte Abschaffung der Straßenbaubeiträge in Brandenburg muss durch eine Regelung flankiert werden, die den Kommunen einen finanziellen Ausgleich dafür gewährleistet, dass ihnen die Erhebung von Straßenbaubeiträgen in der Zukunft verwehrt ist. Der Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen im Brandenburger Landtag (vgl. PDF) sieht hierfür ein „Gesetz über den Mehrbelastungsausgleich für kommunale Straßenausbaumaßnahmen“ vor. Der in Aussicht genommene Mehrbelastungsausgleich soll zweistufig erfolgen:

  • Zum einen sieht der Gesetzentwurf pauschale jährliche Zahlungen des Landes an die Kommunen vor. Als Verteilungsmaßstab schwebt dem Gesetzgeber vor, die Gemeinden nach ihrem Anteil an der Gesamtlänge des gewidmeten Gemeindestraßennetzes in Brandenburg zu beteiligen. Ausweislich der Gesetzesbegründung ergebe sich hierdurch für das Jahr 2019 ein Grundbetrag von etwas mehr als 1.400 €/km Gemeindestraße.
  • Soweit die pauschale Zahlung den der Gemeinde durch die Abschaffung der Straßenbaubeiträge entstehenden Mehrkosten nicht vollständig deckt, ist ein Ausgleich des verbliebenen Fehlbedarfs nach entsprechender Antragsstellung und Nachweisführung vorgesehen.

So einfach vielen die Abschaffung der Straßenbaubeiträge auf den ersten Blick scheint, so kompliziert wird sich die rechtliche und tatsächliche Umsetzung gestalten. Um nur eine kleine Auswahl sich aufdrängender Fragen zu skizzieren.

1. Pauschale Zuweisungen

  • Wie sachgerecht es, als Verteilungsmaßstab für die pauschalen Zuweisungen den Anteil der Kommune am Gemeindestraßennetz des Landes Brandenburg vorzusehen? Daran kann man mit Fug und Recht zweifeln, da keineswegs aktuell alle Gemeindestraßen der Straßenbaubeitragspflicht unterliegen. Dies gilt zum einen für die Anbaustraßen, die noch nicht erstmalig endgültige hergestellt sind und daher dem Erschließungsbeitragsrecht unterliegen (v.a. die sog. Sandpisten). Aber auch viele sog. Gemeindeverbindungsstraßen außerhalb der geschlossenen Ortschaft unterlagen nach dem geltenden Satzungswerk der Mehrzahl der Kommunen in Brandenburg nicht der Straßenbaubeitragspflicht. Sie beeinflussen aber – schon wegen ihrer Ausdehnung – maßgeblich die Maßstabsregelung oder genauer – die Verteilung der pauschalen Mehrkostenerstattung. Und wie wird dem Umstand Rechnung getragen, dass bei Ortsdurchfahrten von Bundes-, Landes- und Kreisstraßen die Kommunen Träger der Straßenbaulast der Gehwege sowie der kombinierten Geh- und Radwege sind? Trotz der erheblichen Gestaltungsspielräume des Gesetzgebers sollte man überlegen, ob im Gesetzentwurf insoweit ein überzeugender Verteilungsmaßstab gewählt wurde. Dass die anderen Verteilungsmaßstäbe, die bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs untersucht wurden, noch ungeeigneter waren, heißt nicht, dass man mit dem Anteil am Gemeindestraßennetz eine besonders gute Wahl treffen würde.
  • Soll irgendeine Form der Zweckbindung für die pauschalen Zuweisungen vorgesehen werden? Der Gesetzentwurf lässt dies bislang nicht erkennen. Da der Gesetzgeber aber die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss und nicht dem Verordnungsgeber überlassen darf, wäre eine Klarstellung sinnvoll.
  • Schwerlich im Rahmen des derzeit rechtlich Zulässigen bewegen sich Überlegungen, die pauschalen Zuwendungen für erschließungsbeitragspflichtige Straßenbaumaßnahmen einzusetzen; denn insoweit ist die unverändert bestehende Pflicht zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen zu beachten.

2. Spitzabrechnung

Auch die zweite Stufe des Mehrbelastungsausgleichs – die Spitzabrechnung – wirft eine Vielzahl von Fragen auf:

  • Wird der Nachweis, wie die Pauschalzuweisungen in den Vorjahren verwendet wurden, Einfluss darauf haben, ob eine Mehrbelastung ausgeglichen wird? Dafür könnten gewichtige Argumente sprechen. Diese Entscheidung sollte allerdings der Gesetzgeber treffen und nicht dem Verordnungsgeber überlassen.
  • Muss die Kommune zum Nachweis der Mehrbelastung eine fiktive Beitragsberechnung vorlegen, um nachweisen zu können, dass ihr durch die Pauschalzuweisung auf der ersten Stufe nicht alle Mehrkosten erstattet wurden?
  • Wird für die fiktive Beitragsberechnung ein landeseinheitlicher kommunaler Eigenanteil in Ansatz gebracht oder ist mit dem Eigenanteil zu rechnen, der in der letzten Straßenbaubeitragssatzung verankert war?

Jede Menge offene Fragen: Gesetzgeber und Verordnungsgeber sind nicht zu beneiden.

Gesetzentwurf zur Abschaffung von Straßenbaubeiträgen in Brandenburg vorgelegt

Seit gestern ist etwas klarer, wie sich die Landesregierung die Abschaffung der Straßenbaubeiträge vorstellt. Den Link zum Gesetzentwurf der SPD-Fraktion sowie der Fraktion DIE LINKE finden Sie hier: PDF

Im Kern geht es bei dem Gesetzentwurf um zwei Dinge:

1. Abschaffung der Straßenbaubeiträge

Der Gesetzentwurf sieht die Abschaffung der Straßenbaubeiträge in Brandenburg vor. Stichtag ist der 31. Dezember 2018. Für alle Straßenbaumaßnahmen, für die bis zum 31. Dezember 2018 die sachliche Beitragspflicht noch nicht entstanden ist, dürfen keine Straßenbaubeiträge erhoben werden. Soweit für entsprechende Maßnahmen Vorausleistungen erhoben wurden, müssen diese bis spätestens 30. Juni 2020 erstattet werden. Geregelt werden soll dies in § 20 Abs. 3 bis 5 KAG.

Beispiel: Die Kommune hat im März 2018 mit einer straßenbaubeitragspflichtigen Maßnahme begonnen und im September 2018 Vorausleistungen auf den endgültigen Beitrag erhoben. Die sachliche Beitragspflicht ist nicht bis zum 31.12.2018 entstanden. Dann muss die Kommune die vereinnahmten Vorausleistungen bis zum 30. Juni 2020 erstatten, und zwar unabhängig davon, ob die Vorausleistungsbescheide bestandskräftig geworden sind oder nicht.

2. Erstattungen des Landes an die Kommunen

Da die Kommunen durch die Abschaffung des Straßenbaubeitragsrechts eine Einnahmequelle verlieren, muss das Land eine Regelung schaffen, durch die die Einnahmeausfälle der Kommunen ausgeglichen werden. Dazu dient Art. 2 des Gesetzesentwurfs, der sog. Mehrbelastungsausgleich. Der Entwurf differenziert hier:

  • Zum einen soll es pauschale Zuweisungen an alle Kommune geben. Verteilungsmaßstab ist der Anteil an Gemeindestraßen in der Kommune am gesamten Gemeindestraßennetz im Land Brandenburg (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Mehrbelastungsausgleichsgesetz).
  • Neben die pauschalen Zuweisungen können gesonderte Zahlungen des Landes treten, wenn die pauschalen Zuweisungen die Mehrbelastung der Kommune nicht vollständig abdecken. Dies muss die Kommune nachweisen und einen entsprechenden Antrag stellen (§ 1 Abs. 3 Mehrbelastungsausgleichsgesetz).
  • Soweit die Kommune Straßenbaubeiträge zurückzahlen muss, erstattet das Land auf Antrag die Rückzahlungen zuzüglich einer Verwaltungskostenpauschale von 10 % des Erstattungsbetrages, § 1 Abs. 2 Mehrkostenerstattungsgesetz.

Weitere Einzelheiten der Erstattung werden in einer Verordnung geregelt, die aber noch nicht vorliegt. Deren Inhalt verspricht sehr spannend zu werden: Der Teufel wird sich – auch hier – im Detail verstecken.

Auch wenn es sich erst um einen Entwurf handelt, sollten die in Aussicht genommenen Regelungen schon jetzt jedenfalls im Hinterkopf behalten werden. Die politischen Weichenstellungen sind – nicht zuletzt wegen der erfolgreichen Volksinitiative und den bevorstehenden Kommunal- und Landtagswahlen – eindeutig auf Abschaffung des Straßenbaubeitragsrechts gestellt. Allerdings sind Änderungen am Gesetzgebungsentwurf im parlamentarischen Verfahren nicht auszuschließen.

Das Gesetz soll nach den Planungen der Regierungsfraktionen im Juni beschlossen werden. Der Gesetzentwurf zielt (bislang) nicht auf Maßnahmen, die dem Erschließungsbeitragsrecht unterliegen. 

Oberverwaltungsgericht verhandelt über den Landesentwicklungsplan (LEP B-B)

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (10. Senat) wird ab dem 9. April 2019 über die Normenkontrollverfahren gegen den Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg verhandeln.

Gegen den vom OVG bereits im Jahr 2014 wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot für unwirksam erklärten, anschließend erneut bekannt gemachten und derzeit geltenden LEP B-B wenden sich mehrere Gemeinden und ein Windenergieanlagen-Unternehmen. Dr. Reni Maltschew vertritt eine der Gemeinden, die sich unter anderem gegen den Wegfall der Grundversorgungszentren im Zentrale-Orte-System, gegen die Auswahl der Mittelzentren und die Zielfestlegungen zum großflächigen Einzelhandel richten (OVG 10 A 10.15).

Angesetzt wurden drei Verhandlungstage.

Enteignung von Wohnimmobilien nach Art. 15 GG?

Seit Wochen beschäftigt eine kontrovers geführte Enteignungs-Debatte die Berliner Politik.  Im April soll die Unterschriftensammlung für das Volksbegehren „Deutsche Wohnen enteignen“ starten. Mit Hilfe des Volksbegehrens soll der Senat von Berlin nach dem Willen der Initiatoren zur „Erarbeitung eines Gesetzes zur Überführung von Immobilien sowie Grund und Boden in Gemeineigentum zum Zwecke der Vergesellschaftung nach Art. 15 Grundgesetz“ aufgefordert werden. Ist die Angst der Immobilienkonzerne, nach Art. 15 GG enteignet zu werden, also berechtigt? Können Mieter mit Hilfe von Art. 15 GG auf eine soziale Versorgung mit Wohnungen in Berlin hoffen? Was geht rechtlich und was geht nicht? Diese und weitere Fragen sollen im Rahmen der Veranstaltung des Berliner Anwaltsvereins diskutiert werden. Die Einführung übernimmt der Verfassungsexperte Prof. Dr. Thorsten Ingo Schmidt (Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Staatsrecht, Verwaltungs- und Kommunalrecht an der Universität Potsdam).

Datum: Donnerstag, 11. April 2019
Zeit:     18.00 Uhr – 20.00 Uhr
Ort:      DAV-Haus, Littenstraße 11, 10179 Berlin
Anmeldung erforderlich unter: mail@berliner-anwaltsverein.de