Das Bundesverwaltungsgericht hatte sich in seiner Entscheidung vom 29. März 2019 (BVerwG 9 C 4.18) mit der Frage zu befassen, ob dem Veranstalter eines Hochrisikospiels der Fußball-Bundesliga die Kosten eines zusätzlich erforderlichen Einsatzes von Polizeikräften auferlegt werden dürfen. Seit kurzem liegen die vollständigen Urteilsgründe vor.
Geklagt hatte die Deutsche Fußball Liga GmbH („DFL“), die 2015 von der Stadt Bremen auf Grundlage des 2014 geschaffenen § 4 Abs. 4 Satz 1 und 2 Bremisches Gebührenund Beitragsgesetz (BremGebBeitrG) mit einem Gebührenbescheid in Höhe von etwa 425.000 Euro für die Polizeikosten eines Bundesligaspiels zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV im Bremer Weser-Stadion herangezogen worden war. Nach diesem neuen Gebührentatbestand kann die Verwaltung eine Gebühr von Veranstaltern erheben, „die eine gewinnorientierte Veranstaltung durchführen, an der voraussichtlich mehr als 5.000 Personen zeitgleich teilnehmen, wenn wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen vor, während oder nach der Veranstaltung am Veranstaltungsort, an den Zugangs- oder Abgangswegen oder sonst im räumlichen Umfeld der Einsatz zusätzlicher Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird.“ Weiter wird bestimmt: „Die Gebühr ist nach dem Mehraufwand zu berechnen, der aufgrund der zusätzlichen Bereitstellung von Polizeikräften entsteht.“
Das Gericht bestätigte im Wesentlichen die Rechtmäßigkeit des Gebührenbescheides und beurteilte § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG als verfassungsmäßig. Insbesondere sei § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG mit der Finanzverfassung (Art. 104a ff. GG) vereinbar. Die Kosten für den außergewöhnlich großen Polizeieinsatz müssten nicht aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden:
1.
Da im Rahmen der Finanzverfassung die Belastungsgleichheit für die Bürger gewahrt werden muss, bedürfe die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben stets einer besonderen Rechtfertigung. Die Rechtfertigung für die Erhebung einer Gebühr liege in einer Amtshandlung, die dem Gebührenschuldner individuell so zurechenbar ist (besonderer Vorteil), dass es gerechtfertigt erscheine, diese staatliche Leistung nicht aus allgemeinen Steuermitteln, sondern über eine Sonderabgabe zu finanzieren. Ein solcher (wirtschaftlicher) Vorteil liege hier, so das Gericht, in der Durchführung einer „gewinnorientierten Veranstaltung“; daran dürfe eine Gebührenpflicht geknüpft werden. Die Kosten, um die es gehe, seien keine „Sowieso-Kosten“, die bei der Polizei für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit im Interesse der Allgemeinheit stets anfielen, sondern Mehrkosten, die ausschließlich durch die Veranstaltung veranlasst seien. Ohne die zusätzlichen Polizeikräfte sei der Veranstalter in letzter Konsequenz womöglich nicht in der Lage, die Veranstaltung wie geplant durchzuführen. Der wirtschaftliche Erfolg der Veranstaltung beruhe gerade auch auf deren Sicherheit.
2.
Auch Grundrechte hält das Gericht durch § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG nicht für verletzt: Zwar verlange die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG, die eine „gewinnorientierte Veranstaltung“ schütze, dass die Gebühr am zu erwartenden wirtschaftlichen Nutzen der Veranstaltung orientiert sei, da sie keine „erdrosselnde“ Wirkung haben dürfe. Eine Gebühr dürfe den Veranstalter nicht davon abhalten, von seinem Grundrecht Gebrauch zu machen. Diese Voraussetzung sieht das Gericht aber in der Anknüpfung an die Besucherzahl (5.000) und damit auch an die Gewinnerwartung des Veranstalters erfüllt. In atypischen Einzelfällen, in denen die angemessene Relation der Gebühr zum wirtschaftlichen Ergebnis der Veranstaltung nicht gegeben sei, könne auf Billigkeitsmaßnahmen nach § 25 Abs. 1 BremGebBeitrG zurückgegriffen werden.
Auch Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Insbesondere müsse nicht aus Gleichbehandlungsgründen ein Teil der in Rechnung gestellten Polizeimehrkosten aus Steuern bezahlt werden. Denn diese Mehrkosten – und nur diese werden ja mit der Gebühr geltend gemacht – seien allein durch die Besonderheit der Veranstaltung verursacht.
3.
Außerdem sei die Norm entsprechend dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz für eine Gebührenerhebung „noch“ (wie die Entscheidung mehrfach betont) hinreichend bestimmt:
Ein Gebührentatbestand müsse für den Gebührenschuldner erkennen lassen, wie hoch die ihn treffende Gebühr in etwa sein werde, es dürften keine „unzumutbaren Unsicherheiten“ bestehen. Vor allem müsse die willkürliche Bemessung ausgeschlossen sein. Beides sieht das Gericht hier als gegeben an, da in § 4 BremGebBeitrG genügend Faktoren die Berechnung der Gebühr vorschreiben. Die hinreichende Sicherheit hinsichtlich der Gebührenlast gewähre allerdings nicht, wie zuvor das OVG Bremen annahm, schon § 4 Abs. 4 Satz 3, nach dem der Veranstalter vorab über die voraussichtliche Gebührenpflicht unterrichtet werden muss, da der Zeitpunkt dieser „Vorwarnung“ in der Regel zu knapp sei, um die Veranstaltung noch an die Kostenlast anzupassen. Entscheidend ist nach dem Bundesverwaltungsgericht, dass für den Tatbestand überhaupt erst Erfahrungswerte zum Mehraufwand vorliegen müssen („erfahrungsgemäß“, § 4 Abs. 4 Satz 1 BremGebBeitrG). Zudem verfüge der Kreis der adressierten Gebührenschuldner (also „Großveranstalter“ von Veranstaltungen für mehr als 5.000 Personen) zusätzlich über eigene Erfahrungswerte, die unzumutbare Unsicherheiten verhindere.
4.
Das Bundesverwaltungsgericht verwies die Sache an das OVG Bremen zurück, da es noch den Bedarf an weiterer Sachaufklärung durch das Berufungsgericht sah. Es wies darauf hin, dass bei der Gebührenhöhe nicht berücksichtigt worden sei, welche Kosten des Einsatzes die Stadt gegenüber einzelnen Störern, also den Gewalttätern selbst, geltend machen konnte. Diese Kosten müssten in Abzug gebracht werden, da keine Doppelabrechnung ein und derselben Leistung erfolgen dürfe.
Übrigens: Das Fußballspiel endete 1:3.