BGH, Urteil vom 21. November 2019 – VII ZR 278/17
Im Rahmen eines Grundsatzurteils hatte der BGH im Jahr 2018 seine bisherige Entscheidungspraxis aufgegeben, wonach bei Bauprozessen Auftraggeber bei Mängeln am Bauwerk Schadenersatz in Höhe der fiktiven Mangelbeseitigungskosten geltend machen können, ohne den Mangel selbst zu beseitigen. Im Rahmen einer neuen Entscheidung bestätigt der BGH diese Rechtsprechung hinsichtlich von Schadenersatzansprüchen gegen Architekten.
Grundlage der Entscheidung war ein Fehler der Objektüberwachung im Bezug auf einen mangelhaft errichteten Fußbodenaufbau in einem Gebäude. Im Ergebnis des Verfahrens war festgestellt worden, dass der Bodenaufbau nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprach und deshalb nicht brauchbar war. Der Mangel konnte nur durch Erneuerung des Fußbodenaufbaus ab der Oberkante der Bodenplatte beseitigt werden. Die mit der Objektüberwachung beauftragten Architekten hatten dies nicht festgestellt und damit die mangelhafte Errichtung des Bauwerks in diesem Punkt nicht verhindert. Der Auftraggeber begehrte von den mit der Objektüberwachung beauftragten Architekten Schadenersatz in Höhe der Kosten der (noch) nicht durchgeführten Mangelbeseitigung.
Nachdem das Oberlandesgericht diesen Anspruch zugesprochen hatte, hob der BGH die Berufungsentscheidung auf und verwies die Angelegenheit zur erneuten Entscheidung über die Höhe des Schadenersatzanspruchs zurück. Die Höhe des Schadenersatzanspruchs hatte das Berufungsgericht anhand der tatsächlich jedoch nicht angefallenen Mangelbeseitigungskosten für die Erneuerung des Bodenaufbaus ermittelt. Diese Betrachtung war jedoch nach der Grundsatzentscheidung des BGH nicht mehr zutreffend (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – VII ZR 46/17). Nach dem 4. Leitsatz dieser Grundsatzentscheidung scheidet auch im Verhältnis zum Architekten hinsichtlich der von diesem zu vertretenden Planungs- oder Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, ein Zahlungsanspruch in Höhe der fiktiven Mangelbeseitigungskosten aus.
Das Berufungsgericht musste dem Auftraggeber Gelegenheit geben, die Höhe des Schadens anderweitig darzulegen und zu beziffern. Entsprechend der neuen Linie des BGH stehen ihm dafür verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung.
In erster Linie kann der Auftraggeber seinen Schadenersatzanspruch als abrechnungspflichtigen Vorschuss für die Mangelbeseitigung geltend machen (Leitsatz 6.b) der Grundsatzentscheidung). Der Auftraggeber ist dann zur Durchführung der Mangelbeseitigung verpflichtet. Anderenfalls kann das Architekturbüro den Vorschuss zurückfordern.
Alternativ kann der Auftraggeber den Schadenersatzanspruch auch in Höhe der Wertminderung des Bauwerks infolge des Mangels beziffern (Leitsatz 5.a) der Grundsatzentscheidung). In welcher Höhe sich die festgestellten Mängel verkehrswertmindernd auf das Bauwerk auswirken, ist gegebenenfalls durch Gutachten zu ermitteln. Die dabei entstehenden Schwierigkeiten der Verkehrswertermittlung sind laut BGH hinzunehmen. Die der früheren Rechtsprechung zugrundeliegende einfache Bezifferung des Schadensersatzanspruchs anhand der leicht zu ermittelnden und zu überprüfenden Mangelbeseitigungskosten ist durch die Änderung der Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben worden.
Denkbar ist auch eine Minderung der vereinbarten Honorare. Häufig tritt durch den durch die mangelhafte Architektenleistung verursachten Mangel des Bauwerks eine Störung des Äquivalenzverhältnisses des Bauvertrages ein. Die Bauleistung ist infolge des mangels weniger Wert, als die vereinbarte Vergütung. Der Auftraggeber kann seinen Schaden auch in der Weise bemessen, dass er ausgehend von der mit dem Bauunternehmer vereinbarten Vergütung den mangelbedingten Minderwert des Werks des Bauunternehmers ermittelt (BGH, Urteil vom 8. November 2018 – VII ZR 100/16). Maßstab ist insoweit die vereinbarte Vergütung im Bauvortrag für die mangelhaft errichtete Leistung. Jedoch nicht die Mangelbeseitigungskosten insgesamt.
Diese bislang für den Bereich des Werkvertrages geltende neue Rechtsprechung zu den fiktiven Schadenskosten kommt am 17. Januar 2020 auf den Prüfstand bei dem für Kaufverträge zuständigen V. Zivilsenat des BGH (Az. V ZR 33/19). Hier wird abzuwarten bleiben, ob der V. Zivilsenat an seiner bisherigen Rechtsprechung der Berechnung nach fiktiven Mangelbeseitigungskosten festhält oder sich der Auffassung des VII. Zivilsenats anschließt. Anders als im Werkvertragsrecht gibt es im Kaufvertragsrecht keinen Vorschussanspruch als primäres Mangelrecht. Diesen primären Vorschussanspruch gab es beim Architektenvertrag hinsichtlich eines Schadenersatzanspruchs bislang jedoch auch nicht. Gleichwohl hat der VII. Zivilsenat in seiner neuen Rechtsprechung dieses Vorschussanspruch darauf angewendet. Es wird folglich abzuwarten bleiben, welche Entwicklung das Schadensrecht insoweit insgesamt nimmt. Wir werden darüber berichten.