Government and administrationBY Dr. Ulrich Becker
Wer gewinnt und wer verliert? Anmerkungen zu Überlegungen, Straßenbaubeiträge abzuschaffen

Angestoßen durch die Entwicklung in anderen Bundesländern, nimmt in Brandenburg die Diskussion Fahrt auf, ob die Pflicht der Kommunen, Straßenbaubeiträge zu erheben, abgeschafft werden soll. Das Thema ist wichtig und vielschichtig; es ist im Übrigen durchaus anfällig für populistisch verkürzte Argumentationen in die eine oder andere Richtung.

Will man der Versuchung einer zu sehr vereinfachenden Diskussion entgehen, ist es sinnvoll, sich zu vergegenwärtigen, wessen Interessen bei der Erhebung von Straßenbaubeiträgen berührt werden. Vier Gruppen können dabei unterschieden werden.

An erster Stelle zu nennen sind die Grundstückseigentümer, die nach dem Straßenbaubeitragsrecht in besonderem Maße zur Finanzierung von kommunalen Straßenbaumaßnahmen herangezogen werden. Der Frontalangriff von Grundstückseigentümern auf das Straßenbaubeitragsrecht mit der Argumentation, es fehle ein die Beitragserhebung rechtfertigender Sondervorteil der von der Straße erschlossenen Grundstückseigentümer, ist im Jahr 2011 vor dem Bundesverwaltungsgericht gescheitert (Beschl. vom 16. Juni 2011 – BVerwG 9 BN 4.10). Es gibt wenig Anhaltspunkte, dass die Rechtsprechung sich in diesem Punkt ändern wird. Das bedeutet eine – legitime – Verlagerung der Argumentation der Grundstückseigentümer aus dem rechtlichen in den politischen Raum und manifestiert sich in Appellen an den Gesetzgeber, das rechtliche Rahmenwerk zu ändern.

Ebenfalls unmittelbar Beteiligter an der Erhebung von Straßenbaubeiträgen ist die jeweilige Gemeinde. Für sie bilden Straßenbaubeiträge eine wichtige Finanzierungsquelle für kommunale Straßenbaumaßnahmen. Diese Einnahmemöglichkeit führt dazu, dass für den kommunalen Straßenbau in geringerem Maße allgemeine Haushaltsmittel eingesetzt werden müssen und schafft damit die Möglichkeit, Haushaltsmittel an anderer Stelle und für andere Zwecke einzusetzen. Es wäre allerdings weit gefehlt anzunehmen, die Erhebung von Straßenbaubeiträgen stelle eine in der Kommunalverwaltung besonders beliebte Veranstaltung dar. Planung, Durchführung und Abrechnung von Straßenbaumaßnahmen sind mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden, die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zum Straßenbaubeitragsrecht ist kompliziert und in manchen Aspekten nur schwer vermittelbar. Die Verwaltungspraxis ist fehleranfällig. Es erstaunt nicht, dass auch aus dem kommunalen Raum Stimmen vernehmbar werden, die auf eine Änderung der rechtlichen Bestimmungen drängen.

Damit kommt als dritter Akteur der Landesgesetzgeber ins Blickfeld. Dieser sieht sich mit unterschiedlichen Erwartungen konfrontiert. Die Interessenvertreter der Grundstückseigentümer fordern eine Abschaffung der Straßenbaubeiträge, zumindest aber die Einführung eines Entscheidungsspielraums der Kommune, ob sie Straßenbaubeiträge erheben will. Gleiches gilt für einige Kommunen in Brandenburg, die im Gegenzug eine Aufstockung staatlicher Zuweisungen für den kommunalen Straßenbau anmahnen. Im Kern geht es beiden Interessengruppen um die Verlagerung der Finanzierungsverantwortlichkeit.

Als vierte Gruppe bleibt noch die übrige Bevölkerung, für die bestimmte staatliche Leistungen möglicherweise reduziert werden, wenn sich das Land Brandenburg entschließen sollte, die Erhebung von Straßenbaubeiträgen abzuschaffen und stattdessen den Kommunen staatliche Mittel hierfür zur Verfügung zu stellen.

Was gilt es, in diesem Interessengeflecht mit zu berücksichtigen?

Sicherlich: Eigentum verpflichtet, die Sozialbindung des Eigentums ist ein wichtiger Aspekt unserer Verfassungsordnung. Auch wenn dies unbestritten so ist, hat diese Bindung Grenzen. Der im Rahmen von Beitragserhebungen immer wieder zu hörende Satz, wenn der Eigentümer nicht in der Lage sei, den Beitrag aus dem Ersparten zu bezahlen, könne er ja das Grundstück veräußern, ist zynisch und allenfalls in ganz seltenen Fällen einmal angemessen. Es gibt in dem hochkomplexen, für den juristischen Laien schon lange nicht mehr durchschaubaren Abgabenrecht Entwicklungen und konkrete Abrechnungskonstellationen, die nicht zu sachgerechten Ergebnissen führen. Dass die Befürworter einer Abschaffung des Straßenbaubeitragsrechts entsprechende Extremfälle öffentlichkeitswirksam verwenden, um das System insgesamt zu widerlegen, greift zwar zu kurz. Es ist aber ebenso wenig sachgerecht, die Augen davor zu verschließen, dass bei der geltenden Rechtslage unbillige Ergebnisse eintreten können, die mit dem bisherigen Instrumentarium einer einzelfallbezogenen Abmilderung des Resultats der Beitragsberechnung nicht sachgerecht aufzufangen sind. Das gilt etwa für die stets problematischen Konstellationen der nur einseitig vorteilsrelevant nutzbaren Straßen, sowie für häufig zu enge Grenzen für Billigkeitslösungen. Andere Bundesländer sind hier kreativer als Brandenburg.

Ob der Wunsch verschiedener Kommunen, die Erhebung von Straßenbaubeiträgen nicht mehr als Pflicht auszugestalten, sondern in das Ermessen der jeweiligen Kommune zu stellen, ganz zu Ende gedacht ist, erscheint offen. Dies könnte zum einen einen Wettbewerb innerhalb der Kommunen auslösen, wer sich den Verzicht auf die Erhebung von Straßenbaubeiträgen leisten kann und wer nicht. Dass finanzschwache Kommunen diesen Wettbewerb gewinnen könnten, ist unwahrscheinlich. Verfassungsrechtlich wirft die Delegation der Entscheidung über die Erhebung von Straßenbaubeiträgen auf die jeweilige Kommune noch eine andere, wichtige Frage auf. Während nämlich die vollständige Abschaffung der Straßenbaubeiträge mit hoher Wahrscheinlichkeit das Konnexitätsgebot des Art. 97 Abs. 3 der Brandenburgischen Verfassung berührt mit der daraus resultierenden Pflicht für das Land, den Kommunen einen entsprechenden finanziellen Ausgleich zu gewähren, ist die Frage, ob die Umwandlung der Beitragserhebungspflicht in eine von der Kommune selbst zu wählende Option der Beitragserhebung, ebenfalls das Konnexitätsprinzip berührt, ungleich schwieriger zu beantworten.

Auf Seiten des Gesetzgebers könnte es sich anbieten, nach einer eingehenden Analyse der widerstreitenden Interessen Änderungen in Erwägung zu ziehen, die die Möglichkeiten der Kommune erweitern, besondere Härten im Straßenbaubeitragsrecht sachgerecht abzufedern. Der Gesetzgeber wäre sicher gut beraten, in diesem Zusammenhang auch die erschließungsbeitragsrechtlichen Vorschriften mit in den Blick zu nehmen. Zum einen untersteht das in Brandenburg noch bundesrechtlich geregelte Erschließungsbeitragsrecht seit einigen Jahren der Gesetzgebungskompetenz des Landes. Zum anderen ist absehbar, dass möglichst gleichlaufende Regelungen im Erschließungs- und Straßenbaubeitragsrecht sachgerecht sind, da häufig in der Praxis Streit darüber besteht, ob eine Baumaßnahme dem Erschließungs- oder dem Straßenbaubeitragsrecht unterliegt.

Wer gewinnt und wer verliert?

Es mag sein, dass es nicht um Gewinnen oder Verlieren geht. Gefragt ist die Politik als Kunst, einen Ausgleich zu finden, der Lasten und Vorteile gerecht ausbalanciert.