Der Bundesgerichtshof hat in der wegweisenden Entscheidung für das Vergaberecht den Ausschlussgrund der „Änderung an den Vergabeunterlagen“ im Wesentlichen abgeschafft.
Im Rahmen der Ausschreibung im offenen Verfahren hatte der ausgeschlossene Bieter ein Kurztext-LV eingereicht. Am Ende waren die Einzelpreise zum Angebotspreis aufaddiert worden. Unterhalb davon war ein Zusatz aufgedruckt: „… zahlbar bei Rechnungserhalt ohne Abzug“. Dieser Zusatz wich von den Regelungen in den Zusätzlichen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ZVBBau) ab, wonach die Schlusszahlung innerhalb von 30 Kalendertagen nach Abnahme und Stellung einer prüfbaren Schlussrechnung fällig sein sollte.
Der Auftraggeber berief sich auf den Ausschlussgrund des § 16 EU Abs. 1b) i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VOB/A 2012, da der Zusatz des Bieters eine Änderung der Vergabeunterlagen beinhaltete. Der BGH sah dies anders und gab dem Schadenersatzanspruch statt.
1.
In § 1.3 der ZVBBau war der Ausschluss sonstiger Bestimmungen und Regelungen zu den Vertragsbestandteilen vereinbart: „etwaige Vorverträge, unter § 1.2 nicht aufgeführte Unterlagen, Protokolle oder sonstige Korrespondenz im Zusammenhang mit dem Abschluss dieses Vertrages, insbesondere Liefer-, Vertrags- und Zahlungsbedingungen des AN sind nicht Vertragsbestandteil“.
Nach der Auffassung des BGH verhindert diese Abwehrklausel wirksam, dass vom Bieter formulierte abweichende Bedingungen Vertragsinhalt werden. Damit liegt keine Änderung der Vergabeunterlagen vor, da Änderungen infolge der Abwehrklausel nicht wirksam werden. Ein Ausschluss kann deshalb laut BGH nicht auf den Zusatz im Kurztext-LV gestützt werden.
2.
Der BGH sah den Ausschluss auch aus einem weiteren Grund als unberechtigt an. In dem vom Auftraggeber in den Vergabeunterlagen vorgegebenen Angebotsschreiben hatte der Bieter eine Erklärung durch seine Unterschrift bestätigt, dass „wir neben den oben genannten Angebotsinhalten keine eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Bestandteil unseres Angebots machen“. Die Abänderung des Bieters mit dem Zusatz in seinem Kurztext-LV würde eine abweichende Allgemeine Geschäftsbedingung darstellen. Diese Zahlungsbedingungen steht damit im Widerspruch zu der Erklärung im Angebotsschreiben. Nach Auffassung des BGH hätte der Auftraggeber deshalb zwingend vor einem möglichen Ausschluss gemäß § 16 EU Nr. 2 VOB/A den Angebotsinhalt gemäß § 15 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A aufklären müssen. Da der Auftraggeber dies nicht getan hatte, war der Ausschluss auch aus diesem Grund unzulässig.
3.
Darüber hinaus stellte der BGH klar, dass der Angebotsausschluss auch ohne die Abwehrklauseln unwirksam ist. Jeder Bieter weiß, dass die Vergabeunterlagen nicht abgeändert werden dürfen. Sofern dies gleichwohl in einem Angebot erfolgt sei, würde dies auf einem Missverständnis des Bieters beruhen, dem der Bieter voraussichtlich von vornherein Rechnung getragen hätte, wenn ihm dies bewusst gewesen wäre. Einem unvoreingenommenen Auftraggeber muss sich diese Möglichkeit nach Meinung des BGH aufdrängen. Dieses Missverständnis muss der Auftraggeber deshalb aufklären, wenn bei Verzicht auf die Allgemeine Geschäftsbedingung des Bieters ein vollständig den Vergabeunterlagen entsprechendes Angebot vorliegt. Dem Bieter soll die Gelegenheit gegeben werden, von seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen Abstand zu nehmen.
Anders soll es nach der Entscheidung des BGH nur dann sein, wenn der Bieter manipulative Eingriffe in die Vergabeunterlagen vorgenommen hat und bei dem Hinwegdenken dieser Abweichungen gerade kein vollständiges, sondern ein lückenhaftes Angebot vorliegt. In diesen Fällen wird wohl ein Ausschluss weiterhin zulässig bleiben.
4.
Dem Schadenersatzanspruch des Bieters steht nach Auffassung des BGH auch nicht entgehen, dass der Bieter nach seinem Ausschluss im Vergabeverfahren kein Vergabenachprüfungsverfahren eingeleitet hat. Der BGH begründet dies mit dem Fehlen einer dem § 839 Abs. 3 BGB entsprechenden Vorschrift im Vergaberecht. Gegenteiligen Meinungen in der vergaberechtlichen Literatur, die ohne Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens eine Präklusion annehmen, erteilte der BGH damit eine Absage.
Eine unterlassene Rüge kann unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens (§ 254 BGB) nur dann dem Schadenersatzanspruch entgegenstehen, wenn anzunehmen ist, dass der Auftraggeber den Ausschluss des Bieters auf der Grundlage dessen Rüge zurückgenommen hätte. Dies setzt eine tragfähige Begründung voraus. Eine solche Entschließung des Auftraggebers wird sich jedoch voraussichtlich kaum nachweisen lassen.